Random & Fun Kolumne: Wie überwindet die Werbung ihre Sinnkrise?

Kolumne: Wie überwindet die Werbung ihre Sinnkrise?

von Dominic Czaja, Mitgründer und CEO von DOJO

Liebe Lesende, wer von Ihnen kann sich an die Zeit erinnern, in der echte Männer noch auf Pferden rauchten, in der Cornflakes schon morgens den Tiger in uns geweckt haben und in der italienische Baristi Frauen wegen Autos den Kopf verdrehten, die sie gar nicht hatten?

Schon klar, alle genannten Werbeklassiker sind ein Grund, an der werblichen Intelligenz von damals zu zweifeln. Heute rauchen höchstens noch die seeehr oft sitzen gebliebenen Kids auf dem Schulhof, statt Cornflakes stehen Haferflocken mit Chiasamen auf dem Tisch, und Instant-Kaffee aus Aufreißtüten würde George Clooney sehr traurig machen. Trotzdem hält die Faszination für diese Ära der Werbung bis heute an. Auch wegen ihrer Macher*innen.

Werber*innen waren ehrenwerte Leute, die in den höchsten Kreisen verkehrten, die für geistreichen Charme anerkannt und für Trinkfestigkeit am Whiskyglas bewundert wurden. Jedenfalls sah es bei „Mad Men“ Staffel eins sehr danach aus. Was ist also aus diesem Mythos geworden? Warum dreht keiner mehr Serien, um der Werbebranche der Neuzeit zu huldigen? Hat eine ganze Generation von Geschichtenerzählern vergessen, sich eine neue Geschichte für sich selbst auszudenken?

Heutzutage stehen Werber*innen gesellschaftlich auf einer Stufe mit Immobilienmakler*innen und Waffenhändler*innen. Wobei diese beiden ihren Nachwuchs wenigstens mit Einsätzen im Szenekiez oder spannenden Reisen ins Ausland beeindrucken können. Aber was sollte einen jungen, ambitionierten Menschen heute noch dazu bringen, seine Fähigkeiten in einer Werbeagentur einzubringen?

Längst ist klar, dass man nicht mehr nur mit anderen Konsumtreibergesellschaften konkurriert. Der „War for Talents“ ist jedoch nicht aussichtsreich, wenn sich Agenturen krampfhaft in die Uniformen ihrer Kontrahenten zwängen. Die typische Werbeagentur von heute klaut ihre Unternehmenskultur vom Startup nebenan, ihre besten Ideen von ihren Bewerber*innen und ihre kreative Vision von den eigenen Kund*innen. Wie konnte das passieren?

Es gibt drei Gründe für das Ausbluten einer ganzen Branche. Erstens: Netzwerkkonzerne strangulieren die Kreativität, den Ursprung allen Schaffens. Die Akquise kleinerer Kreativschmieden wirkt sich auf deren Arbeit aus wie Gentrifizierung auf einen Kiez. Man kommt für das Originelle, man bleibt für die Rendite. Zweitens: Angstpassungsschwierigkeiten. Die Welt dreht sich schneller, das Mediennutzungsverhalten ändert sich gefühlt mit jedem geswipten Tiktok-Video. Der Mut, sich selbst und das eigene Selbstbewusstsein (vor den Kund*innen und vor deren Kund*innen) zu verändern, nimmt ab wie ein untrainierter Bizeps. Drittens: die Verlagerung der Profilneurose. Geltungsdrang war seit jeher ein Treiber für besondere (kreative) Leistung, durch Instagram & Friends kriegt jeder die Aufmerksamkeit, für die er keine Agenturbühne mehr braucht.

Ist das also das Ende der klassischen Agenturen? Ich hoffe es ein bisschen. Auch wenn ich inzwischen auch schlechte Werbung mag. Aber eben nur, weil sie uns unsere Arbeit leichter macht. Und weil sie uns immer wieder daran erinnert, warum wir das alles hier nicht mitmachen wollen und niemals wollten. Darum haben wir uns bei der Gründung im Branchenbuch als DOJO „Werbeagentur“ eingetragen – mit den kommentierenden Anführungszeichen. Blöderweise findet man uns jetzt auf der ersten Trefferseite, wenn man nach „Werbeagentur“ googelt. Aber das werden wir auch noch ändern. Cowboy-Ehrenwort.

Freunde und Freundinnen, die neue Ausgabe ist da! AB DEM 06. AUGUST AM KIOSK, 116 randvolle Seiten – mit dabei: Think-it treibt in Tunesien die IT-Ausbildung voran, Roamlike denkt Werbekampagnen dank Airbnb & Co. neu, Urban Drivestyle baut die Harley der E-Bike-Szene. Außerdem: Was haben Vanta, Finanzheldinnen und Moneyfarm gemein? Richtig, sie sind Teil unseres Dossiers „The Future of Finance“. Also ab zum Kiosk oder zum Aboshop.

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