Innovation & Future Ladesäulen für alle: Das Startup Peaq will E-Mobility revolutionieren

Ladesäulen für alle: Das Startup Peaq will E-Mobility revolutionieren

Die Verbreitung von E-Mobility hängt auch an den Grabenkämpfen um Ladesäulen. Peaq arbeitet mit Blockchain und einem OEM an der Lösung. Leonard Dorlöchter, Max Thake und Till Wendler (v. l.) wollen mit ihrer Lösung für mehr Preistransparenz und Unabhängigkeit beim Laden von E-Fahrzeugen sorgen. Das Interview ist aus dem „Green“-Dossier unserer aktuellen Ausgabe.

Herr Dorlöchter, was ist eine der größten Herausforderungen in Sachen E-Mobility?

Leonard Dorlöchter: In Deutschland haben wir eine sehr fragmentierte Ladeinfrastruktur. Das heißt, wir haben verschiedene Ladesäulenanbieter und verschiedene Automobilhersteller. Deshalb ist die Kompatibilität oft nicht gegeben, da man unterschiedliche Stecker, Accounts und Zahlungsmethoden hat, um Autos zu laden. Das hemmt viele Leute, sich ein Elektroauto zu kaufen.

Welchen Lösungsansatz verfolgen Sie?

Dorlöchter: Natürlich will kein Hersteller auf die Plattform des anderen gehen. Wir wollen deshalb eine neutrale, einheitliche Plattform schaffen. Mittels Blockchain-Technologie soll jede Station mit jedem Elektroauto kompatibel sein – alle bekommen ihre eigene, souveräne Identität, damit sie miteinander kommunizieren können.

Wie wurde die Idee zu Peaq entwickelt?

Till Wendler: Ich bin durch ein Stipendium im Silicon Valley zum ersten Mal mit dem Thema Blockchain in Kontakt gekommen und habe mich seit 2014 damit beschäftigt. Ende 2016 habe ich dann Leo nach langer Zeit wiedergetroffen und kurze Zeit später mit ihm beschlossen, dass wir auch eine Art Blockchain aufbauen und damit Probleme lösen wollen.

Dorlöchter: Als er mir das erste Mal von der Blockchain-Technologie und dem Potenzial, Dinge zu verbessern, erzählt hat, hat mich das fasziniert. So sehr, dass ich seitdem nichts anderes mehr gemacht habe.

Sie arbeiten mit einem großen Automobilhersteller zusammen, den Sie aktuell noch nicht verraten dürfen. Gleichzeitig soll die Idee unabhängig von den Gräben der einzelnen Hersteller funktionieren. Ist das nicht ein Widerspruch?

Dorlöchter: Das Mindset dieses Herstellers ist so, dass es nur Sinn macht, wenn es offen ist und alle mitmachen können. Wir wurden tatsächlich für das europäische Projekt Gaia-X ausgewählt, um in einem Konsortium speziell Identitäts- und Data-Sharing als Standard für die Automobilindustrie zu etablieren. Das ist also ein perfektes, politisches Framework, um auf neutralem Boden miteinander sprechen zu können, weil die ganzen Großkonzerne natürlich oft Compliance-Probleme haben. Sie können nie darüber sprechen, woran sie gerade arbeiten. Das Timing und auch das Ladeprojekt passen also perfekt. In Zukunft wäre es denkbar, auf diesen Identitäten basierend noch viel mehr zu machen.

Wie bahnte sich die Zusammenarbeit mit dem Automobilhersteller an? Wie sieht die konkret aus?

Dorlöchter: Wir wurden tatsächlich von dem projektleitenden Ingenieur angerufen. Er hat uns erzählt, was er vorhat, und wir sollten ihm bitte ein Angebot machen. Nachdem wir uns im Auswahlverfahren mit mehreren Teams durchgesetzt haben, ging es erst mal darum, die technische Machbarkeit zu beweisen. Das hat ein halbes Jahr gedauert, wir mussten Ressourcen aufstocken und haben am Ende einen Rahmenvertrag bekommen. Das hat natürlich alles entsprechend gedauert, weil die Mühlen in großen Konzernen etwas langsamer mahlen. Die erste Projektphase war erfolgreich, sodass es in die Serienproduktion ging. Jetzt arbeiten wir mit zwei Ingenieuren zusammen, und es ist extrem hilfreich, dass sie die internen Strukturen und auch Entscheidungsträger gut kennen, um das Projekt voranzutreiben.

Was können Sie aus dieser Zusammenarbeit mitnehmen? Und umgekehrt?

Wendler: Wir können vor allem lernen, an Projekten in dieser Größenordnung zu arbeiten und auch alles mitzudenken, was dazugehört.

Dorlöchter: Das ist ein guter Punkt. Einfach zu verstehen und zu lernen, was es wirklich braucht, um große Dinge umzusetzen und zu bewegen. Und das ist vor allem Zeit. Was sie von uns lernen können, ist, agil zu sein. Sie nennen uns immer Speed-Boat, weil, klar, Startups können extrem schnell sein und reagieren.

Sie profitieren gerade von dem Wandel und den Fragen, die sich die Automobilbranche selbst stellt.

Dorlöchter: Ich denke, wir sind auf jeden Fall vorne mit dabei, was die Neuheit angeht. Natürlich haben wir auch Glück, was das Timing und den Zeitgeist betrifft.

Nehmen Sie uns mit in den Alltag, wenn sich Ihre Ladelösung auf dem Markt etabliert hat – wie sieht der aus?

Dorlöchter: Man kann am Ende mit jedem Elektrofahrzeug an jeder Ladestation tanken. Die Lösung wird also nicht direkt zu sehen sein, weil sie im Hintergrund läuft. Ein weiterer Vorteil ist, dass man private Ladepunkte in Zukunft dann auch für die Öffentlichkeit oder Besuch zugänglich machen kann. Also hier können auch andere Nutzerinnen und Nutzer für den Strom zahlen, den sie bei anderen tanken – das geht heutzutage nämlich auch noch nicht.

Über welchen Zeithorizont sprechen wir bei diesem Vorhaben?

Dorlöchter: Das ist eine sehr gute Frage. Tatsächlich sind die Entwicklungsziele bei den Automobilherstellern sehr lang. Dass man das Konzept in einer breiten Masse testen kann, wird nächstes Jahr der Fall sein. Alleine das Projekt innerhalb von Gaia-X dauert drei Jahre. Am Ende wird die Markteinführung wohl drei bis fünf Jahre dauern.

Greift das Stereotyp, dass neue Technologien in Deutschland hinken? Oder ist das Ihrer Erfahrung nach überholt?

Wendler: Man merkt schon, dass wir in Sachen Entwicklung relativ gut mithalten können und auch eine gewisse Offenheit herrscht. Aber natürlich dauert es oft länger, als man es sich erhofft. Wo es wirklich manchmal hapert, ist beim Thema Investments. In den USA werden andere Startups beispielsweise mit mehreren Hundert Millionen an Funding unterstützt, ohne dass eine Zeile Code geschrieben wurde. Wir mussten uns hier eher durchboxen, um 2 bis 3 Mio. Euro zu bekommen. Jetzt steht noch mal eine etwas größere Runde an, aber es herrschen schon Unterschiede.

Noch etwas mehr Visionen: Welche weiteren Möglichkeiten würden sich ergeben, wenn sich Ihre Lösung mit den Ladestationen durchgesetzt hat?

Dorlöchter: Generell ist das eine Riesenchance für die Blockchain-Technologie. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist ein dezentrales Energy-Grid. Da könnten beispielsweise Haushalte über Solarplatten Energie generieren und diese dann an das Stromnetz verkaufen, wenn dieser Strom selbst nicht benötigt wird. Dies nur als spontaner Einfall, es gibt eine Menge Use-Cases, bei denen es um das demokratische Potenzial der Technologie geht – und darum, die Zukunft besser zu machen.

Die ganze Story könnt ihr in Ausgabe 3/21 lesen. Wir haben außerdem mit Monolink gesprochen, über eine neue Pasta-Sorte berichtet und mehr über ein Gleitgel mit CBD erfahren. Im Dossier geht es um das Thema Nachhaltigkeit, wo es um Socken, E-Mobility und die Luftfahrtindustrie geht. Das Magazin bekommt ihr am Kiosk eures Vertrauens – oder wie immer hier im Aboshop.

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