Green & Sustainability Landleben in cool: Der Summer of Pioneers schafft neue Lebensräume

Landleben in cool: Der Summer of Pioneers schafft neue Lebensräume

Raus aus der City! Mit dem Summer of Pioneers will Frederik Fischer das Landleben für junge, vernetzte Menschen attraktiver machen. Jetzt startet das neue Projekt in Tengen – wer ist dabei?

Ein Ort, an dem die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen. Alle mit Ideen, die sie umsetzen wollen, mit Vorstellungen von ihrem zukünftigen Leben. Menschen, die offen genug sind, um auf neue Menschen zuzugehen, sie kennenzulernen und einen echten Neustart hinzulegen – wenn auch nur auf Zeit. Klingt alles nach Semesterbeginn, ist aber falsch: Es beschreibt den Summer of Pioneers.

Dieses Projekt hat Frederik Fischer initiiert. Er selbst hat in Städten wie Amsterdam, Washington, London und Berlin gelebt. Also immer in echten Citys – bis sich etwas änderte: „Ich habe vor acht oder zehn Jahren gemerkt, dass ich das Landleben plötzlich attraktiver fand als das Stadtleben. Dann habe ich erst mal locker überlegt, wie das aussehen könnte“, sagt der 39-Jährige. Eine Reihenhaussiedlung oder Kommune wären für ihn und seine Frau niemals infrage gekommen. Irgendwann habe er angefangen, Meetups in Berlin zu organisieren. Für Menschen, die ebenfalls eine Sehnsucht in sich haben und nach einer geeigneten Wohnlösung suchen.

Vor allem die Angst vor sozialer Isolation habe dabei viele zurückgehalten, erklärt er: „Es war von Anfang an klar, dass wir ein gemeinschaftliches Erlebnis schaffen wollen. Und rein ökonomisch kann man als Gruppe viel mehr Geld sparen, ganz anders planen und sich andere Sachen leisten.“ Seine erste Idee waren sogenannte „KoDörfer“. Also Siedlungen mit kleinen Häusern und gemeinschaftlichen Locations, die an bestehende Dörfer angrenzen. Dieses Projekt verfolgt er aktuell weiter, ist aber aufgrund zäher Baugenehmigungsverfahren zum Warten verdammt.

In der Zwischenzeit entstand eine weitere Idee. Und zwar für all diejenigen, die noch nicht final aufs Land ziehen wollen, dennoch Abstand von der Großstadt suchen. „Viele Kommunen haben Leerstand. Deshalb müssen wir für dieses Projekt nicht unbedingt neu bauen, wenn es darum geht, eine Gruppe von Menschen rauszuholen“, sagt Fischer. „So können Wohnungen auch neu renoviert werden.“ Der Summer of Pioneers war geboren – und er trägt die zeitliche Begrenzung des Experiments gleich im Namen.

Probewohnen auf dem Land

Beim Summer of Pioneers zieht man also in eine fertige Wohnung, bei der man sich weder um Internetanschluss noch um Nebenkosten kümmern muss. Fischer beschreibt es als „Rundum-sorglos-Paket“. Im Gegenzug dazu würde man nicht nur dort wohnen und arbeiten, sondern parallel auch ein eigenes Projekt umsetzen.

Mittlerweile fand der Summer of Pioneers in mehreren Orten statt, darunter auch Wittenberge in Brandenburg. Dort gab es einige Projekte, die eine echte Langzeitwirkung entfaltet haben. Eines davon sind die Elblandwerker, eine Kooperative für Arbeit, Leben und Wandel. Die Gruppe besteht aus Pionier:innen, die sich in Eigenregie zusammengetan haben. Rund 60 Prozent der Teilnehmer:innen sind nach dem Sommer gleich vor Ort geblieben.

Eine von ihnen ist Kata Oldziejewska. Sie ist 2013 von Warschau nach Berlin gezogen und hat den Sommer 2019 in Wittenberge verbracht. „Ich war nicht aktiv auf der Suche nach Optionen, aufs Land zu ziehen. Als ich aber vom Wendland gelesen habe und darüber, wie toll sich diese Region entwickelt hat, wurde ich neugierig, welche neuen Möglichkeiten es auf dem Land gibt“, sagt sie. Ihr Freund habe damals Fischer auf einer Veranstaltung kennengelernt und ihr dann vom Summer of Pioneers erzählt. Begeistert von der Idee, Berlin für einen bestimmten Zeitraum zu verlassen, machte sie sich im Juli 2019 ins zwei Autostunden entfernte Wittenberge auf.

Ihre Herzensthemen waren und sind nach wie vor Nachhaltigkeit und Zero Waste. Also hat sie am Pioneers-Stand auf dem Wochenmarkt selbst gemachtes Waschmittel mit einem entsprechenden Rezept verteilt, um die nötige Aufmerksamkeit dafür und für die Pioneers zu schaffen. Ein weiteres Thema, mit dem sie sich beworben hatte, war Online-Marketing. Ihren ersten Kund:innen fand sie auf hoher Ebene: die Stadt Wittenberge selbst.

Auch privat habe sie Anschluss gefunden: „Wir haben ein paar Fahrradtouren in der Region gemacht, zusammen Pilze gesammelt und gekocht. Aber auch die Sonnenuntergänge an der Elbe genossen.“ Da sie sich zu dieser Zeit ohnehin gerade in einer Phase der beruflichen Neuorientierung befand, stellte sie sich die ganz große Frage: Sollte sie dort bleiben? Ihr gefiel das Leben in der Kleinstadt, es tat ihr gut. „Da ich diese Erfahrung vorher nie gemacht hatte, wusste ich das nicht. Nach ein paar Monaten konnte ich aber mit voller Überzeugung sagen, dass ich wirklich hier wohnen will.“ Oldziejewska blieb bis heute.

Mittlerweile wohnt sie mit zwei anderen Pioneers in einem Haus mit Garten. „Ich nehme mir jetzt viel mehr Zeit für Dinge, die mir Spaß machen, und bin achtsamer geworden. Früher war ich sehr auf die Arbeit fixiert“, sagt Oldziejewska. Der Summer of Pioneers habe ihr geholfen, ihr Leben wirklich stark zu verändern. „Ich bin immer noch die gleiche Person. Ich glaube nur, dass ich bestimmte Leidenschaften jetzt besser ausleben kann als damals.“ Wie lange sie in Wittenberge bleibt, weiß sie noch nicht. Vorerst hat sie aber keine anderen Pläne.

Initiator Fischer erklärt, dass das Besondere am Summer of Pioneers die Symbiose sei. Man könne von den Strukturen und Networking-Künsten der Großstädterinnen und Großstädter profitieren und gleichzeitig von den lokalen Organisationen wie Nachbarschaftshilfe oder Ehrenämtern lernen. Einen speziellen Typus Mensch kann Fischer aber nicht ausmachen: Die Bewerber:innen sind zwischen Mitte 20 und Anfang 60. Generell sind es ganz unterschiedliche Menschen, die sich nach Abwechslung sehnen oder eben mal auf dem Land zur Probe wohnen möchten.

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