Productivity & New Work Gehälter an Mietspiegel anpassen? Virtual-Pay-Gap – nein danke!

Gehälter an Mietspiegel anpassen? Virtual-Pay-Gap – nein danke!

von Sebastian Pflügler

Denk mal an deinen letzten Umzug: Hast du damals deine:n Arbeitgeber:in gefragt, ob du in den hübschen, grünen Vorort mit der guten Schule nebenan ziehen sollst oder nicht? Nein? Das ist deine Privatsache, meinst du? Nun, vielleicht nicht mehr lange. In den USA ist es – gerade bei Tech-Unternehmen und Banken – bereits gang und gäbe, Mitarbeitende ortsbezogen zu entlohnen. Wer in einen günstigen Außenbezirk zieht, bekommt prozentual weniger Gehalt als die Kollegen, die in der teuren Innenstadt leben.

Was bisher nur bei Umzügen relevant war, ist nun zum großen Thema geworden: Die Ankündigung von Google in den USA, das Gehalt von Heimarbeiter:innen anzupassen, wenn ihr Zuhause außerhalb des Unternehmensstandorts liegt, hat hohe Wellen geschlagen. Der Unterschied könnte bis zu 25 Prozent betragen, wenn Mitarbeitende im Homeoffice bleiben wollen, statt ins Büro zu pendeln.

Es ist zu hoffen, dass dieses Modell nicht auch hierzulande Schule macht. Denn was auf den ersten Blick fair anmuten mag, ist bei näherem Hinsehen äußerst problematisch. Das Letzte, was wir brauchen, ist neben dem Gender-Pay-Gap auch noch ein Virtual-Pay-Gap! Betroffen wären von dieser Regelung in erster Linie wieder Personen, die bereits außerberuflichen Mehrbelastungen ausgesetzt sind – beispielweise durch die Pflege von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern.

Denn es sind doch gerade Menschen mit Fürsorgepflichten, die ihre Arbeitszeit häufiger reduzieren und gerne vom Homeoffice Gebrauch machen. Häufig sind es Frauen, die diese Aufgaben übernehmen. Zusammen mit der ohnehin schlechteren Bezahlung wäre das für sie gleich eine doppelte Benachteiligung.

Virtual-Pay-Gap
Autor Sebastian Pflügler

Nicht der Mietspiegel sollte das Gehalt bestimmen, sondern die Leistung

Ohnehin gibt aus meiner Sicht einen privaten Bereich, wo Unternehmen nichts zu suchen haben, und nach denen sich erst recht nicht so wichtige Parameter wie die Leistungsvergütung richten sollten. Anderenfalls wird eine Grenze überschritten und es gibt keinen Grund mehr, warum nicht auch weitere Faktoren in die Gehaltsbemessung einfließen sollten: So könnte man auf die Idee kommen, dass jemand, der am Wochenende Sport treibt und sich gesund ernährt, potenziell weniger Ausfalltage hat und gegenüber den rauchenden oder übergewichtigen Kolleg:innen besser vergütet werden sollte…

Und seien wir ehrlich: Es ist auch ohne die Gehaltsdiskussion schon schwierig genug, die Mitarbeitenden im Homeoffice nicht aus den Augen zu verlieren oder zu benachteiligen. Natürlich würde es jede Führungskraft weit von sich weisen, die Angestellten im Office zu bevorzugen und jene im Homeoffice zu benachteiligen. Einige Studien geben allerdings durchaus Anlass, in diese Richtung zu denken. So konnten Wissenschaftler:innen der Universität Kalifornien einen Zusammenhang identifizieren, zwischen der Präsenzzeit am Arbeitsplatz und dem Karrierefortschritt. Wer vor Ort ist, erhält eben häufiger die spannenden, und karriereförderlichen Projekte.

Führende sollten sich daher selbst ehrlich hinterfragen, ob ihnen die Mitarbeitenden, die im Büro vor Ort sind und für Nachfragen oder auch mal ein spontanes Schwätzchen verfügbar sind, nicht doch etwas mehr am Herzen liegen. Denn auch wenn das nachvollziehbar ist, sollten die Führenden hier einen klaren Blick behalten und diese meist unbewussten Bewertungen neutralisieren. Sonst laufen wir Gefahr, in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Büromitarbeitenden und virtuell Zugeschalteten zu geraten.

Berufliches Vorankommen sollte nicht an Präsenz gekoppelt sein, sondern an Ergebnisse und die Bemühungen, die dorthin geführt haben. Sonst geht der Leistungsblick verloren, die Motivation, für den Erfolg des Unternehmens auch noch die Extrameile zu gehen. Es darf daher weder beim Gehalt noch bei der Wahrnehmung der Mitarbeitenden eine Rolle spielen, ob der- oder diejenige im Homeoffice arbeitet oder wo sich dieses befindet.

Sebastian Pflügler, Experte für Kommunikation, Kollaboration und Führung im digitalen Zeitalter und Begründer des Konzeptes New Era Communication, ist international als Berater, Coach und Speaker tätig. Sein neues Buch „Mitarbeiter führen in der digitalen Ära“ ist bei Redline erschienen. Mehr unter: www.sebastian-pfluegler.com    

Das könnte dich auch interessieren

Berufliche Neuorientierung: Wenn das Netzwerk mehr schadet als hilft Productivity & New Work
Berufliche Neuorientierung: Wenn das Netzwerk mehr schadet als hilft
So unzufrieden sind die Deutschen im Job Productivity & New Work
So unzufrieden sind die Deutschen im Job
Je älter der Chef, desto unproduktiver der Mitarbeiter Productivity & New Work
Je älter der Chef, desto unproduktiver der Mitarbeiter
Linkedin ist Peak Cringe – und das ist auch gut so Productivity & New Work
Linkedin ist Peak Cringe – und das ist auch gut so
Diese 3 Phänomene sind der Grund für schlechte Teamarbeit Productivity & New Work
Diese 3 Phänomene sind der Grund für schlechte Teamarbeit