Productivity & New Work Unsere Kolumnistin Hanne Horvath findet: „Wie geht’s?“ darf keine Floskel mehr sein

Unsere Kolumnistin Hanne Horvath findet: „Wie geht’s?“ darf keine Floskel mehr sein

Eine Kolumne von Hanne Horvath

„Hey, wie geht’s dir?”, das fragen wir ganz oft. So beginnen Telefonate mit Freund:innen, Meetings oder auch Gespräche mit Bekannten, die wir beim Spazierengehen treffen. Wir erhalten meistens eine zufriedenstellende Antwort. Also sowas wie: „Ja, bestens” oder „Kann nicht klagen”. Kaum jemand gibt in so einem Kontext zu, dass eigentlich gar nichts mehr geht und einfach alles zu viel ist.

Wir sind es nicht gewohnt, offen mit unangenehmen Gefühlen oder Krisen umzugehen und dementsprechend sind wir auch nicht sehr geübt darin, sie anzusprechen. Und das ist ein Problem. Denn in jedem größeren Meeting sitzt wahrscheinlich gerade mindestens eine Person, die unter Burnout-Symptomen leidet und eigentlich Hilfe bräuchte. Vielleicht fällt dir eine Kollegin oder ein Kollege ein, der davon betroffen sein könnte? Jemand aus deinem Freundeskreis?

Oft haben wir als Außenstehende einen guten Sensor dafür und merken, wenn jemand in unserem Team oder in unserem privaten Umfeld struggled. Aber so richtig sicher sind wir uns auch wieder nicht und wir wissen schon gar nicht, wie wir es ansprechen sollen. Damit du raus aus diesem Gefühl von Unsicherheit und Hilflosigkeit kommen kannst, habe ich hier ein paar Empfehlungen für dich.

Achte auf Veränderungen im Verhalten

Wir alle reagieren anders auf zu viel Druck und verhalten uns dementsprechend. Manche werden stiller und ziehen sich zurück, andere drehen den Lautstärkeregler erst so richtig auf und sind viel präsenter als vorher. Entscheidend sind die Verhaltensunterschiede. Zu den weiteren Symptomen, die du von Außen wahrnehmen kannst, zählen Schreckhaftigkeit und Gereiztheit. Also irgendwie ein kurzer Geduldsfaden.

Oft äußern sich Betroffene auch zynisch über ihre eigene Arbeit. Das kann beispielsweise so klingen: „Gut, mache ich. Aber am Ende wird meine Idee sowieso wieder kassiert”. Einige halten sich auch für unersetzlich und äußern das in dieser Form: „Am Ende bleibt die Arbeit eh wieder an mir hängen. Ich kann mich hier einfach auf keinen verlassen”. Vielleicht stellst du auch fest, dass jemand ständig müde ist, irgendwie abgeschlagen aussieht oder viel mehr Alkohol als sonst trinkt. Wenn sich das alles über einen längeren Zeitraum zeigt, ermutige ich dich auf die Person zuzugehen.

Dr. Hanne Horvath ist Psychologin und Mitgründerin der Online-Therapieplattform HelloBetter, wo sie unter anderem die weltweit erste digitale Burnout-Therapie auf Rezept mitentwickelt hat. 

Teile deine Beobachtung

Wichtig finde ich, keine Vermutungen zu äußern, sondern bei dem zu bleiben, was du wahrgenommen hast. Du kannst zum Beispiel sagen: „Hey, mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit ganz schön gestresst bist und kaum noch eine Mittagspause machst.” Auf diese Weise fühlt sich die Person von dir gesehen und bekommt mit, dass du dir Gedanken machst. Vielleicht fühlt sich dein Gegenüber durch deine Beobachtung auch weniger isoliert und entscheidet darüber zu sprechen, was gerade los ist. 

Erwarte nicht zu viel

Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass dein Kollege oder deine Kollegin abwinkt und von einer stressigen Projektphase oder knappen Deadlines erzählt. Und das ist okay so. Du hast signalisiert, dass du am Wohlbefinden dieser Person interessiert bist und ein offenes Ohr hast. Belasse es jetzt erst mal dabei, auch wenn es dir schwer fällt nichts weiter tun zu können. Bleib lieber weiter achtsam und sei bereit, wenn du um Hilfe gebeten wirst.

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