Innovation & Future Sales mit Robotern: Wie KI schon heute den Onlinehandel beeinflusst

Sales mit Robotern: Wie KI schon heute den Onlinehandel beeinflusst

Ein Gastbeitrag von Christoph Rüger, Softwareingenieur und Geschäftsführer des Technologie-Startups Synesty

Für viele war es ein Napster-Moment. Einer dieser Momente in der Geschichte des Internets, in dem man sich sicher ist, dass die digitale Welt fortan eine andere sein wird.

ChatGPT war plötzlich da, und zwar überall gleichzeitig. In den Medien, im Kneipengespräch, in den Studierenden-WGs kurz vor Abgabeschluss der Seminararbeit. Ähnlich schnell kamen die Bedenken: Werden die Vorteile von ChatGPT und Co. ihre Nachteile überwiegen? Und wie ist mit ihnen vernünftig umzugehen?

Es sind Fragen, auf die erst die Zukunft Antworten weiß. Was jedoch heute schon klar ist: ChatGPT wird bereits vielseitig genutzt und hat Einfluss auf unser Handeln im Netz.

Digitaler Ghostwriter

Ein Bereich, in dem wir längst auf ChatGPT stoßen, ist der E-Commerce. Das merken wir in der Regel nicht — wie auch? Schon vor dem Einsatz intelligenter Automaten wie ChatGPT hatten wir es dort nur in Ausnahmen direkt mit Menschen zu tun.

Ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, uns zum Kauf anzuregen, ist die Produktbeschreibung. Aus oft sehr technischen Herstellerinformationen muss ein ansprechender, zielgruppengerechter Text werden: eigentlich ein Akt menschlichen Handwerks.

Doch wo es um die Arbeit mit Text geht, liegt auch eine der Kernkompetenzen von ChatGPT:

Bereits heute übernimmt die KI vielerorts das Verfassen der Produktbeschreibungen. Sie bringt umständliche Herstellerdaten auf den Punkt, verfasst sie in der gewünschten Tonalität. Manche von uns haben sich also schon von einer Maschine zum Kauf anregen lassen — ohne davon Notiz zu nehmen.

Eine Gefahr für Texter:innen?

Noch stellt ChatGPT jedoch keine große Gefahr für Produkttexter:innen dar, denn überzeugende Kreativität bleibt bis heute ein vor allem menschliches Merkmal. Zudem liegt in ChatGPTs Textkompetenz auch eine seiner Schwächen: Während das Programm hervorragend aus viel Text wenig macht, sieht es andersherum eher mau aus. Zwar produziert die KI zuverlässig größere Textmengen aus wenigen Stichpunkten — bislang kommt dabei jedoch weit häufiger eloquenter Bullshit heraus als kommerziell verwertbares Material.

So ist ChatGPT heute mehr eine praktische Lösung für lästige Fleißaufgaben, als dass das Programm einen Ersatz für versierte Texter:innen darstellt. Auch zukünftig wird der E-Commerce bei neuartigen Produkten auf kreative Köpfe aus Fleisch und Blut angewiesen sein, denn die KI kennt bekanntlich nur die Vergangenheit — das Neue zu beschreiben, dürfte also auch in absehbarer Zukunft menschliches Handwerk bleiben.

KI
Gastautor Christoph Rüger (Credits: Markus Hering)

Okay, Google: Kann KI auch SEO?

Mit Spannung beobachtet wird auch die Rolle von ChatGPT in der Suchmaschinenoptimierung im Onlinehandel. Während ansprechende Produkttexte den Käufer:innen entscheidende Kaufimpulse geben, sorgt ausgefeilte SEO dafür, dass das Produkt von ihnen überhaupt gefunden wird.

Dass ChatGPT dabei eine gewinnbringende Rolle spielen könnte, blieb nicht lange Theorie, sondern wurde schnell Praxis: Heute schon nutzen SEO-Agenturen das Tool unterstützend, auch Anbieter:innen aus dem E-Commerce setzen ChatGPT für ihre Suchmaschinenoptimierung ein.

Die KI erweist sich dabei als nützlich für Onlinerecherchen, das Untersuchen verfasster Texte auf die optimale Verwendung von Schlüsselbegriffen oder das Anreichern mit gefragten Informationen.

Ob ChatGPT SEO-Spezialist:innen ablösen wird, ist aber fraglich: Wie auch beim Verfassen von Produkttexten sollte das Ergebnis der KI von menschlichen Augen überprüft werden — Stichwort eloquenter Bullshit. Auch kann das Tool den Händler:innen nicht etwa die Entscheidung über neue Zielgruppen und deren Ansprache abnehmen — wir erinnern uns: Für das Neue braucht es hier nach wie vor den menschlichen Geist.  

Deep Fake Damenschuhe

In der E-Commerce-Branche, und freilich nicht nur dort, wird längst über neue Einsatzmöglichkeiten für ChatGPT gegrübelt und spielerisch damit experimentiert.

Großes Potenzial gibt es etwa im Kund:innen-Support: Im Rahmen des datenschutzrechtlich Möglichen wird über individualisierte, jedes Mal anders formulierte Bestellbestätigungen und sonstige Mails an Käufer:innen nachgedacht, auch über die automatisierte Transkription und gegebenenfalls die Übersetzung von Gesprächen mit Kund:innen oder die KI-basierte Beantwortung von Fragen zu Produkten — die Liste ließe sich lange fortführen.  

Auch jenseits des Sprachlichen kann KI eingesetzt werden: Spätestens seit Dall-E oder Midjourney produzieren Programme überraschend gutes Bildmaterial aus wenigen Stichwörtern. Diskutiert wird etwa, Produktkategorien wie „Schuhe”, bei denen es nicht auf die exakte Darstellung tatsächlicher Produkte ankommt, mit KI-generierten Bildern zu versehen.

Noch bringt das teils amüsante Ergebnisse hervor — aus den Stichworten „ausgefallener Damenschuh, rot” machte das Programm im Kundenversuch einen roten Croc mit Stiletto-Absatz —, doch unter menschlicher Beobachtung dürften sich auch hier bald praktische Vorteile ergeben.

Halb Mensch, halb Maschine

Im E-Commerce erweisen sich künstliche Intelligenzen wie ChatGPT bereits heute als nützliche Helfer. Besonders wenn es darum geht, Mitarbeitenden stumpfe Aufgaben abzunehmen und sie so zu entlasten, bieten sie einen deutlichen Mehrwert. Den Menschen werden sie am Arbeitsplatz so schnell nicht ersetzen — zu wichtig sind und bleiben Kreativität, Innovationsgeist und letztlich vernünftige Kontrolle. Eine Partnerschaft zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz erweisen sich jedoch bislang als Gewinn und dürfte auch in Zukunft ein tragfähiges Modell sein — im E-Commerce und darüber hinaus.

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