Innovation & Future Tickaroo-Chefin: Wie viel Automatisierung ist für Journos möglich?

Tickaroo-Chefin: Wie viel Automatisierung ist für Journos möglich?

Schadenfroh scheint es fast, wenn Journalist:innen jetzt allerorten gefragt werden, ob sie sich um ihre Jobs Sorgen machen. Jetzt, wo ja OpenAIs ChatGPT binnen Sekunden grammatikalisch einwandfreie Texte ausspuckt. Gut strukturiert, ohne Kommafehler, dafür vielleicht mit ein paar Fake Infos, na gut. KI-Tools verändern das Schreiben, Designen und Coden, so viel ist sicher.

Es geht aber um mehr als das Ob. Nämlich auch um das Wie, Wann und das Bis-zu-welchem-Grad. Wer das genauer wissen will, muss nur bei Naomi Owusu nachfragen. Die Co-Founderin und Geschäftsführerin des Regensburger Unternehmens Tickaroo arbeitet an Robo-Journalismus-Tools. Und – keine Sorge – ist sich trotzdem sicher, dass von Ersatz für Menschen keine Rede sein kann.

KI wird festes Feature der Software

Im ersten Schritt bietet Tickaroo eine Software an, die aus einem von Menschenhand erstellten Liveblog einen Artikel bastelt. Sprich: Wer das schöne Sportevent oder die wichtige Corporate Keynote mittippt, kann sich danach über einen maschinell erstellten Text freuen. „Die spuckt schon einen sehr akkuraten Artikel aus“, sagt Owusu. „Wenn wir das veröffentlichen, wird das KI-Feature einfach Bestandteil unserer Software sein.“ Zu den Kunden zählen Medien wie „Spiegel“ oder „Süddeutsche Zeitung“.

Als Nächstes schaut Owusu auf die Frage des Fact-Checking. „Die Leute mit Fake News haben oft mehr Geld als die Fact-Checker“, sagt sie. Algorithmen wie die von ChatGPT sind bekanntlich nicht gerade erfolgreich darin, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Allerdings sind sie sehr gut darin, Quellen schnell zusammenzufassen.

Trial and Error

Für Owusu verbinden sich bei Tickaroo verschiedene Bausteine ihrer Karriere: Für die studierte Psychologin war das Unternehmerinnentum nicht die erste und einzige Option: „Wir haben versucht, Kognition zu verstehen. Wie lernen Kinder Sprache, von den Lauten bis hin zur Bedeutung?“ Was für ein menschliches Kind einfach ist, kann Computer überfordern. Zum Beispiel, dass Tiere vier Beine haben – Möbel aber auch. „Kinder müssen dafür ganz viel sehen. Trial and Error: Die Katze haut zu, der Stuhl nicht.“

Nach dem Studium kam Owusu in ihrem Job bei einer Agentur die entscheidende Idee: Verlage und Medien brauchen schnelle und leicht auf die Zielgruppe anzupassende Software. Sie tat sich mit drei Co-Foundern zusammen und gründete vor zwölf Jahren Tickaroo. Zu einer Zeit, als man sich noch über trottelige Chatbots lustig machte.

„Kicker“ spielt mit

Doch die Medienbranche dachte schon damals über Automatisierung nach, und Tickaroo positionierte sich als Liveblogging-Tool für den Amateursport. Vom Rand des Sportplatzes aus konnten Fans sich als Reporterinnen betätigen. Später stieg das Magazin „Kicker“ mit einer siebenstelligen Summe bei Owusus Unternehmen ein. Dann gab es ein Bezahlmodell für kommerzielle Nutzer wie Verbände oder eben Medienhäuser.

Wenn die heute mit Tickaroo arbeiten, können sie sich aus einem großen Pool an Inhalten für ihre eigenen Blogs bedienen. Darunter Umfragen von Opinary oder Bilder der Deutschen Presse-Agentur. Das alles ergänzt mit Inhalten der jeweiligen Redaktion. Denn wie immer gilt bei der Automatisierung, jedenfalls vorerst: Nur Maschinen-Content wird schnell langweilig. Der Bot soll die Redaktion also nicht ersetzen. Aber: „Die werden Teil des Teams sein“, sagt Owusu.

Gewinnzone erreicht

Vier verschiedene Abomodelle bietet Tickaroo mittlerweile an. Von einem eventbezogenen Modell mit ein paar Wochen Laufzeit bis hin zum Komplettpaket. Ein Geschäftsmodell, das etwa 30 Menschen in Regensburg Arbeit gibt. Und das Geld verdient: „Wir sind seit dem letzen Jahresabschluss in der Gewinnzone“, sagt Owusu. „Alles, was jetzt kommt, ist Profit. Keine Millionen und Milliarden. Das würde auch nicht zu unserem Mindset passen. Wir sind sehr produktverliebt und wollen einen nachhaltigen Mehrwert schaffen. Aber wir können davon leben.“

Owusu treibt an, dass es um Bildung geht. „Menschen zu connecten und zu sehen, dass wertvolle Ideen daraus entstehen, ist sehr befriedigend.“ So viel Psychologin ist sie dann doch geblieben.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 03/23. Dieses Mal dreht sich in unserem Dossier alles um das Thema Danach. Wie geht es nach einem Fuck-Up oder Wendepunkt im Leben weiter? Außerdem haben wir mit Nationaltorhüterin Merle Frohms gesprochen und die Seriengründerin Marina Zubrod erzählt alles über ihre Hassliebe zum Unternehmertum. Viel Spaß beim Lesen! Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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