Deluxe & Destinations EU schockt Reisende: Entschädigung soll erst nach 4 Stunden greifen

EU schockt Reisende: Entschädigung soll erst nach 4 Stunden greifen

Die EU-Verkehrsminister wollen Fluggastrechte deutlich beschneiden. Künftig soll es erst nach vier statt drei Stunden Verspätung eine Entschädigung geben. Deutschland stellt sich quer – und Verbraucherschützer laufen Sturm.

Der Flieger hat Verspätung, der Anschluss ist futsch, der Geschäftstermin geplatzt. Wer kennt das nicht? Bislang gab es dafür wenigstens nach drei Stunden Wartezeit eine finanzielle Entschädigung. Doch diese Regelung steht jetzt auf der Kippe. Die EU-Verkehrsminister haben sich nach stundenlangen Verhandlungen mehrheitlich auf eine Verschärfung der Bedingungen geeinigt: Künftig sollen Passagiere erst nach vier Stunden Verspätung Anspruch auf Ausgleichszahlungen haben.

Verbraucherschutz vs. Airline-Interessen

Deutschland hat dem Beschlussvorschlag nicht zugestimmt. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder begründete die Ablehnung mit klaren Worten in einem SZ-Bericht: „Wir haben den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt gestellt.“ Die ursprünglichen Pläne der polnischen Ratspräsidentschaft waren sogar noch drastischer. Sie sahen vor, dass Kurzstrecken-Passagiere erst nach fünf Stunden und Langstrecken-Reisende sogar erst nach neun Stunden Anspruch auf Entschädigung haben sollten.

Die Bundesregierung hatte einen Gegenvorschlag eingebracht: Beibehaltung der Drei-Stunden-Regel, dafür aber eine einheitliche Entschädigungssumme von 300 Euro – unabhängig von der Flugdistanz. Bisher staffeln sich die Zahlungen nach Streckenlänge: 250 Euro bei Kurzstrecken, 400 Euro bei Mittelstrecken und 600 Euro bei Langstrecken.

Der Kompromiss: Weniger Rechte für Passagiere

Der nun gefundene Kompromiss sieht vor, dass für Flüge bis 3500 Kilometer eine Vier-Stunden-Regel mit 300 Euro Entschädigung gilt. Bei längeren Strecken müssen Passagiere sogar sechs Stunden ausharren, bevor sie Anspruch auf 500 Euro haben. Für Verbraucherschützer ist das ein klarer Rückschritt.

„Das ist keine Reform – das ist ein gezielter, massiver Abbau von Fluggastrechten“, kritisiert Jan-Frederik Arnold, Chef des Portals Flightright. Nach seinen Berechnungen würden bei Umsetzung der vorgeschlagenen Revision bis zu 60 Prozent der heutigen Entschädigungsfälle ersatzlos wegfallen. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband schätzt die Lage ähnlich dramatisch ein: Nach deren Angaben würden mit dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sogar 85 Prozent der Reisenden ihren Anspruch verlieren – das wären in der EU fast acht Millionen Fluggäste pro Jahr.

Airlines argumentieren mit Passagierinteressen

Die Luftverkehrsbranche verteidigt die geplanten Änderungen – überraschenderweise mit dem Argument, sie dienten den Fluggästen. Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), erklärt laut WDR: „Wenn es Störungen im Flugbetrieb gibt, dann will der Fluggast nicht primär eine Entschädigung, sondern: Er möchte nach Hause.“ In drei Stunden sei es jedoch kaum möglich, eine Ersatzmaschine zu organisieren und eine Besatzung bereitzustellen.

Die Branche argumentiert, dass höhere Zeitgrenzen Airlines mehr Spielraum geben würden, Passagiere doch noch ans Ziel zu bringen, statt Flüge zu stornieren. Lang rechnet vor: Bei einem durchschnittlich besetzten Mittelstreckenflugzeug mit 144 Passagieren summieren sich die Entschädigungen schnell auf 36.000 Euro. Ein Ersatzflugzeug zu beschaffen, koste ebenfalls einen „ordentlichen fünfstelligen“ Betrag.

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