Finance & Freedom Mittelschicht-Mythos: Warum sich selbst Reiche arm fühlen

Mittelschicht-Mythos: Warum sich selbst Reiche arm fühlen

Die meisten Deutschen schätzen ihre finanzielle Position falsch ein. Besonders Reiche unterschätzen ihren Status massiv. Eine aktuelle Studie zeigt: Die Einkommensschwelle zum Reichtum liegt deutlich niedriger als gedacht.

Die Selbstwahrnehmung der Deutschen täuscht. Über die Hälfte der Bevölkerung ordnet sich der Mittelschicht zu – tatsächlich gehören aber nur 48 Prozent dazu. Besonders bei der Einschätzung von Reichtum liegen viele Menschen daneben. Die Schwelle, ab der eine Familie als wohlhabend gilt, ist überraschend niedrig.

Mittelschicht-Mythos: Warum sich fast alle in der Mitte sehen

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: In einer Umfrage von 2023 zählten sich 54,5 Prozent der Befragten zur Mittelschicht – eine deutliche Überschätzung. Maximilian Stockhausen und Judith Niehues vom Deutschen Institut für Wirtschaft (IW) liefern in ihrem aktuellen Bericht eine Erklärung: Politische Parteien werben gerne damit, der Mittelschicht etwas Gutes tun zu wollen. Das verfängt, weil sich die meisten Menschen von diesem Begriff angesprochen fühlen.

Ungleichheits-Experte Marius Busemeyer identifizierte in seiner Studie eine „ausgeprägte Tendenz zur Mitte“. Menschen positionieren sich auf einer Einkommensskala erstaunlich ähnlich – unabhängig von ihrem tatsächlichen Verdienst. „Arme unterschätzen ihre relative Armut und Reiche ihren relativen Reichtum“, erklärt Busemeyer.

Die überraschende Reichtums-Grenze für Familien

Doch ab welchem Einkommen gilt eine Familie in Deutschland tatsächlich als reich? Die IW-Experten definieren die Einkommensschichten präzise: Eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren gehört mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 3.880 und 7.280 Euro zur klassischen Mittelschicht.

Die Überraschung: Mit einem Nettoeinkommen von mehr als 12.140 Euro monatlich zählt diese Familienkonstellation bereits zu den reichsten fünf Prozent der Bevölkerung. Am anderen Ende der Skala gehören Familien mit weniger als 2.910 Euro netto zu den ärmsten acht Prozent.

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