Work & Winning KI-Kompetenzlücke: 70 % der Arbeitnehmer ohne KI-Training trotz EU-Vorgaben

KI-Kompetenzlücke: 70 % der Arbeitnehmer ohne KI-Training trotz EU-Vorgaben

Obwohl der EU AI Act Schulungen vorschreibt, haben nur 20 Prozent der deutschen Arbeitnehmer KI-Training erhalten. Eine Bitkom-Studie zeigt: Unternehmen riskieren Rechtsverstöße, während Mitarbeiter bereits Zukunftsängste entwickeln.

Die digitale Transformation schreitet unaufhaltsam voran, doch die Qualifikation der Arbeitnehmer hinkt dramatisch hinterher. Während KI-Tools wie ChatGPT, Midjourney und Co. in Unternehmen längst Einzug gehalten haben, fehlt es an der notwendigen Kompetenz, diese Technologien effektiv und rechtssicher einzusetzen. Eine aktuelle Bitkom-Studie offenbart eine gefährliche Diskrepanz zwischen technologischer Entwicklung und Mitarbeiterqualifikation – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für Unternehmen.

Deutsche Unternehmen auf KI-Kollisionskurs mit EU-Recht

Die Zahlen sind alarmierend: Nur 20 Prozent der Berufstätigen in Deutschland haben bislang eine KI-Schulung durch ihren Arbeitgeber erhalten. Ganze 70 Prozent gehen leer aus – obwohl entsprechende Fortbildungen rechtlich vorgeschrieben sind. Bei weiteren 6 Prozent existieren zwar Schulungsangebote, diese wurden jedoch nicht wahrgenommen, wie aus der repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom hervorgeht.

Was viele Unternehmen offenbar nicht auf dem Schirm haben: Mit dieser Praxis bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone. Laut „Tagesspiegel“ sieht die seit Februar 2025 geltende KI-Verordnung (AI Act) der Europäischen Union vor, dass alle Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen, sicherstellen müssen, dass ihre Mitarbeiter über ausreichende KI-Kompetenzen verfügen. Dies betrifft nicht nur festangestellte Mitarbeiter, sondern auch freie Mitarbeiter, Zeitarbeitskräfte und externe Dienstleister.

Zwischen Effizienzgewinn und Jobverlustangst

Die mangelnde Schulung steht in krassem Gegensatz zu den Erwartungen der Arbeitnehmer an die Technologie. „Wichtig ist, dass man die Tools richtig bedienen kann und auch über die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie sowie über Datenschutz und Datensicherheit Bescheid weiß“, betont Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst laut „Stern“. Er empfiehlt auch Unternehmen ohne aktiven KI-Einsatz, entsprechende Fortbildungen anzubieten, da viele Beschäftigte bereits private KI-Anwendungen beruflich nutzen.

Die Studie, für die Bitkom Research 1.005 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragte, zeigt zudem eine wachsende Verunsicherung: 14 Prozent der Befragten befürchten, dass KI sie in ihrem Job komplett ersetzen könnte. Noch drastischer: Jeder dritte Befragte (33 Prozent) geht davon aus, dass künftig auch Führungspositionen durch KI-Systeme übernommen werden könnten.

Strategische KI-Kompetenz als Wettbewerbsfaktor

Die Diskrepanz zwischen technologischer Entwicklung und Mitarbeiterqualifikation entwickelt sich zum strategischen Risiko. Unternehmen, die ihre Belegschaft nicht rechtzeitig schulen, riskieren nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern verlieren auch den Anschluss im Innovationswettbewerb.

Gleichzeitig bietet sich hier eine Chance: Organisationen, die jetzt systematisch in KI-Kompetenz investieren, können sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichern. Denn der effektive Einsatz von KI-Tools hängt maßgeblich vom Verständnis der Mitarbeiter für die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologien ab.

Die Studie unterstreicht: KI-Kompetenz ist keine Nischenfähigkeit mehr, sondern entwickelt sich zur Kernqualifikation für die Arbeitswelt von morgen. Unternehmen, die dies erkennen und entsprechend handeln, werden die Disruption nicht nur überleben, sondern aktiv mitgestalten können.

Die KI-Kompetenzlücke wird sich in den kommenden Jahren zu einem zentralen Thema für Personalentwicklung und Unternehmensführung entwickeln. Während der EU AI Act den rechtlichen Druck erhöht, werden progressive Unternehmen KI-Schulungen nicht als lästige Pflicht, sondern als strategische Investition betrachten. Zu erwarten ist die Entstehung eines spezialisierten Marktes für KI-Trainings, der weit über technische Aspekte hinausgeht und ethische sowie rechtliche Dimensionen einschließt. Die wahren Gewinner werden jene Organisationen sein, die KI-Kompetenz nicht isoliert betrachten, sondern als integralen Bestandteil einer umfassenden digitalen Transformationsstrategie verstehen und implementieren.

Häufig gestellte Fragen zum Thema „KI-Schulungen am Arbeitsplatz“

  • Welche konkreten Anforderungen stellt der EU AI Act an Unternehmen bezüglich KI-Schulungen? Der AI Act verpflichtet alle Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter über ausreichende KI-Kompetenzen verfügen. Dies umfasst Kenntnisse über Funktionsweise, Möglichkeiten und Grenzen der Technologie sowie Datenschutz- und Sicherheitsaspekte. Die Schulungspflicht gilt für alle Mitarbeitergruppen, die mit KI arbeiten – von Festangestellten bis zu externen Dienstleistern.
  • Können Unternehmen rechtliche Konsequenzen erwarten, wenn sie keine KI-Schulungen anbieten? Ja, seit Februar 2025 bewegen sich Unternehmen ohne entsprechende Schulungsangebote in einer rechtlichen Grauzone. Der EU AI Act sieht bei Verstößen Sanktionen vor. Die genaue Ausgestaltung der Kontrollen und Strafen wird sich in der Praxis noch zeigen, aber Unternehmen sollten das Thema ernst nehmen und proaktiv handeln.
  • Wie können Mitarbeiter mit der Angst umgehen, durch KI ersetzt zu werden? Der beste Weg ist, selbst KI-Kompetenz aufzubauen. Wer versteht, wie KI-Systeme funktionieren und wo ihre Grenzen liegen, kann sie als Werkzeug nutzen statt als Bedrohung zu sehen. Zukunftssichere Jobs werden jene sein, die KI-Tools effektiv einsetzen und mit menschlichen Fähigkeiten wie Kreativität, Empathie und komplexem Problemlösen kombinieren.

Quellen: Tagesspiegel, Bitkom, Stern