Business & Beyond Als der Firmenchef das sagt, halten alle den Atem an

Als der Firmenchef das sagt, halten alle den Atem an

Auch der Mittelstand schwenkt um: Aus Autoteileproduzenten werden Zulieferer für Rüstungsbetriebe. Manchmal werden dafür jahrzehntealte Grundsätze über Bord geworfen. Es ist der umgekehrte Trend: Aus Pflugscharen werden Schwerter.

Michael Marhofer ist Familienunternehmer durch und durch: Zweite Generation. Die Firma, die er mit seinem Partner Martin Buck leitet, hat er auf knapp 1,4 Milliarden Euro Umsatz hochgetrieben, knapp 9000 Mitarbeiter sagen „Chef“ zu dem 55-Jährigen mit dem freundlichen Große-Buben-Gesicht, wenn er in der Zentrale in Essen einen seiner „Townhall-Auftritte“ auf den firmeneigenen Medienkanälen absolviert.

Sein Konzern heißt ifm und ist so einer dieser typischen deutschen Weltmarktführer, die ihre Nische perfekt bespielen: Automatisierungstechnologie, Sensorik. 195 Standorte sind es mittlerweile weltweit. Im Jahr 1990 haben die Marhofers und Bucks bereits in der Unternehmensphilosophie festgehalten: „ifm fordert und fördert umweltbewusste Entscheidungen und Verhaltensweisen.“ Als Ableitung gehörte dazu, das ifm nicht ein einziges Teil aus den mehr als 30 Millionen Produkten, die das Haus verlassen, an Rüstungsfirmen liefert. Nichts, was das ifm-Logo trägt, soll sich jemals in einer Waffe finden. „Auf diesen Grundsatz waren alle Mitarbeiter sehr stolz, auch weil es eine logische Konsequenz aus der deutschen Geschichte und natürlich auch insbesondere ein klarer Wunsch der Gründer der ifm war, die selbst noch den Krieg als kleine Kinder in den letzten Jahren miterleben mussten“, sagt Marhofer.

Damit ist jetzt Schluss. Marhofer hat firmenintern den Strategieschwenk verkündet. ifm will künftig zur Verteidigungsfähigkeit und damit zur Sicherheit beitragen und bricht deswegen mit dem, was Jahrzehnte gegolten hat. „Das Verbot der Belieferung der Rüstungsindustrie in der ifm-Firmenphilosophie wird bis auf Weiteres für Belieferungen der Rüstungsindustrie in der EU, der Schweiz, Norwegen und Großbritannien ausgesetzt“, ließ Marhofer die Mitarbeiter beim Townhall-Meeting wissen. Er habe, berichtet der Unternehmer, noch niemals so hohe Zugriffszahlen und Nachfragen bei einem internen Auftritt gehabt, wie bei diesem. Er hatte das Gefühl, alle hielten den Atem an.

War es ein Schock? Es war zumindest die einschneidendste Schubumkehr in der Konzernausrichtung seit Firmengründung 1969. Und es ist das Gegenteil von dem, womit eine ganze Generation aufgewachsen ist: Schwerter zu Pflugscharen war einmal. Jetzt werden aus Pflugscharen wieder Schwerter. Der Unternehmer berichtet von einer Szene: Im Firmenvideo spreche eine Mitarbeiterin aus den USA über ihre lange Betriebszugehörigkeit bei der ifm und sage „we call it orange blood“, was an das orangefarbene Firmenlogo erinnert. Ein Kollege habe nach dem Townhall-Meeting diesem Slogan eine neue Bedeutung gegeben: Er wüsste nun, sagte er, was man mit „orange blood“ genau meinen würde. Allerdings habe sich die weit überwiegende Mehrheit der Belegschaft hinter den Vorstand gestellt und die Entscheidung als richtig begrüßt, berichtet der Chef.   

Was ist das für ein Trend, den Marhofer da ausgemacht hat? Lohnt es sich, darauf ein neues Geschäftsmodell aufzubauen und Bewährtes über Bord zu schmeißen? Es geht um gewaltige Summen. Auf europäischer Ebene hat die EU im März 2025 das Verteidigungsprogramm „Readiness 2030“ vorgestellt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 rund 800 Milliarden Euro für die Verteidigung zu mobilisieren. Ein Bestandteil dieses Plans ist der „Security Action for Europe“-Fonds, der 150 Milliarden Euro an Darlehen für gemeinsame Rüstungsprojekte bereitstellt. Insgesamt gaben die Staaten weltweit im vergangenen Jahr 2,7 Billionen Euro für Panzer und Fregatten, Kampfflugzeuge und Munition aus, wie die Experten des schwedischen Sipri-Instituts berechneten. Die neuen Investitionsversprechen locken nicht nur die klassischen Rüstungsbetriebe wie Rheinmetall, Heckler & Koch, Diehl oder Renk, auch bisher branchenfremde Firmen wollen einen Teil vom Kuchen.

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