Female & Forward Dieser Raum hat mich gewählt

Dieser Raum hat mich gewählt

Wie Andrea Kuhn die legendäre Green Door Bar nach dem Tod ihres Mannes übernahm – und daraus einen Ort machte, an dem Erinnerung und Gegenwart im Takt eines Drinks verschmelzen.


Ein Porträt zum 30. Geburtstag der Green Door Bar.

Der Raum, der bleibt

Die Green Door Bar riecht nach Holz, nach Geschichten, nach einem Leben, das nicht vergeht. Die Wände sind mit Spachtelmaserung bemalt, die Stühle seit dreißig Jahren dieselben. Wer eintritt, spürt sofort: Dies ist kein Instagram-Hintergrund, kein durchgestylter Szenetempel. Dies ist ein Raum mit Charakter. Mit Geschichte. Mit Seele.

„Mein Mann hat ihn gestaltet – und geistig bewohnt“, sagt Andrea Kuhn. „Ich kam als seine Frau hierher, aber sehr schnell wurde mir klar: Dieser Ort verlangt Respekt.“ Fritz Müller-Scherz, der Mann, der die Green Door 1995 gründete, war vieles: Schauspieler, Drehbuchautor, Musikliebhaber, Trompeter. Ein Mensch, der Räume verstand – und mit Jazz füllte. Die Bar war seine Bühne, sein Rückzugsort, sein Geschenk an die Stadt.

Als er 2015 starb, war nichts vorbereitet. Keine Nachfolge geregelt. Keine Übergabe geplant. „Und doch war klar: Ich mache das. Nicht, weil ich es wollte. Sondern weil es sich richtig anfühlte.“

Eine Entscheidung aus Liebe

Kuhn, Dramaturgin und Filmfrau, hatte eigentlich andere Pläne. Doch sie zögerte nicht. Trotz Zweifeln aus dem Umfeld, trotz der Frage: „Kann sie das?“ Sie konnte. Und sie tat es. Aus Liebe. Aus Verantwortung. Und aus einem Gefühl tiefen Respekts gegenüber dem Werk ihres Mannes.

„Ich musste erst lernen, wie man eine Bar führt“, sagt sie. „Verantwortung übernehmen, Finanzen verstehen, ein Gespür für Gäste entwickeln.“ Und gleichzeitig: Nichts verändern, was nicht verändert werden durfte. Denn ihr Mann hatte ihr einen Wunsch hinterlassen: Dass sich nichts ändert. Nicht das Licht. Nicht die Stimmung. Nicht der Zauber.

„Es hat Jahre gedauert, bis ich sagen konnte: Die Bar gehört auch mir.“

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