Work & Winning Durch KI im Bewerbungsverfahren: Der Lebenslauf ist tot

Durch KI im Bewerbungsverfahren: Der Lebenslauf ist tot

KI verändert den Bewerbungsprozess radikal. 60% der Berufseinsteiger nutzen bereits ChatGPT für ihre Bewerbungen. Startups reagieren mit komplett neuen Auswahlverfahren – der klassische Lebenslauf hat ausgedient.

Der Vertrauensverlust zwischen Arbeitgebern und Bewerbern wächst. Roei Samuel, Gründer der Networking-Plattform Connectd, beobachtet bei Videointerviews immer häufiger, wie Kandidaten ihre Blicke über den Bildschirm schweifen lassen und plötzlich perfekte Antworten liefern.

Laut „thenextweb“ hat er in sechs Monaten 14 Positionen besetzt und dabei festgestellt, dass die Authentizität der Bewerber zunehmend schwerer zu beurteilen ist.

KI-Bewerbungen sind Mainstream geworden

Was früher als Tabu galt, ist heute Standard: KI-optimierte Lebensläufe und vollständig automatisierte Bewerbungen. Besonders bei jungen Talenten boomt der Einsatz von KI-Tools. Laut „thenextweb“ nutzen mittlerweile 60% der Berufseinsteiger künstliche Intelligenz für ihre Bewerbungen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 38% im Vorjahr. Tools wie Sonara, LazyApply und JobCopilot ermöglichen es, Dutzende Bewerbungen pro Tag zu verschicken.

Startups stehen an vorderster Front dieses KI-Wettrüstens. Mit kleinen Teams, begrenzten Ressourcen und einer Kultur der Geschwindigkeit sind sie besonders anfällig für die neue Welt der verdächtig perfekten Bewerber. Interessanterweise kämpfen die wenigsten dagegen an: 85% der Arbeitgeber akzeptieren mittlerweile KI-unterstützte Bewerbungen. Doch Akzeptanz bedeutet nicht Gleichgültigkeit.

Der Lebenslauf hat ausgedient

„Wir befinden uns mitten in einem KI-gegen-KI-Krieg“, erklärt Khyati Sundaram, CEO des Recruiting-Unternehmens Applied, gegenüber „thenextweb“. Die traditionellen Bewerbungsunterlagen verlieren rapide an Bedeutung. Während Anschreiben im Tech-Sektor schon lange obsolet sind, steht nun auch der Lebenslauf auf der Abschussliste. „Ein enormer Vorteil ist, dass KI Lebensläufe als das entlarvt, was sie sind – ein kaputtes Artefakt“, so Sundaram weiter.

Statt auf standardisierte CVs setzen Arbeitgeber zunehmend auf strukturierte Fragebögen und kompetenzbasierte Aufgaben. Diese messen, wie jemand denkt, nicht nur wie gut jemand einen Prompt formulieren kann. Die Zahlen bestätigen diesen Trend: 77% der britischen Arbeitgeber nutzen bereits Kompetenztests zur Bewertung von Kandidaten, wie „thenextweb“ unter Berufung auf TestGorilla berichtet. Ebenso viele geben an, dass diese Tests Lebensläufe bei der Vorhersage des beruflichen Erfolgs übertreffen.

Persönliche Gespräche feiern Comeback

Ein weiterer überraschender Effekt: Referenzen und persönliche Gespräche erleben eine Renaissance. Santiago Nestares, Mitgründer des Accounting-Startups DualEntry, verbringt mehr Zeit in direkten Zoom-Calls mit Kandidaten: „Erfahrung ist schwer zu faken. Man kann normalerweise erkennen, ob jemand über etwas nur gelesen hat oder es tatsächlich erlebt hat.“ Auch die gefürchteten Hausaufgaben für Bewerber verschwinden. Unbezahlt und zeitaufwendig waren sie bei Kandidaten schon immer unbeliebt.

Jetzt, da GenAI sie leicht erledigen kann, verlieren auch Arbeitgeber das Interesse. Live-Interviews, technische Walkthroughs und szenariobasierte Herausforderungen werden zum neuen Standard. Andreas Bundi, Gründer der Berliner HR-Beratung Bundls, beobachtet laut „thenextweb“ einen pragmatischen Ansatz: „KI-Detektoren werden eingesetzt. Aber die meisten Unternehmen fragen sich – warum sich mit Hausaufgaben abmühen, wenn man einfach eine Live-Bewertung durchführen kann?“.

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