Work & Winning Mitarbeitergespräche: Ritualisierter Bullshit oder echtes Feedback?

Mitarbeitergespräche: Ritualisierter Bullshit oder echtes Feedback?

Fast die Hälfte aller Unternehmen führt nur einmal jährlich Mitarbeitergespräche – doch bei vielen verpufft die Wirkung. Warum das standardisierte Format versagt und wie moderne Führungskräfte Feedback neu denken müssen.

Jährliche Mitarbeitergespräche gehören zum Standardrepertoire deutscher Unternehmen wie der Obstkorb in der Kaffeeküche. Doch die Realität hinter den ritualisierten Feedbackrunden ist ernüchternd: Bei einem Viertel der Gespräche passiert anschließend praktisch nichts, und jeder achte Mitarbeiter kann sich später kaum erinnern, was überhaupt besprochen wurde.

Diese Ergebnisse einer Umfrage der HR-Beratung Königsteiner Gruppe unter mehr als 1000 Berufstätigen werfen die Frage auf, ob das klassische Jahresgespräch in der modernen Arbeitswelt überhaupt noch zeitgemäß ist.

Rollenkonflikt statt Augenhöhe

Führungskräfte stecken in einem Dilemma: Einerseits sollen sie als Coach und Partner agieren, andererseits müssen sie im Jahresgespräch plötzlich als Richter auftreten. „Das jährliche Mitarbeitergespräch mit standardisiertem Fragebogen hat mit einem wirklichen Gespräch nicht viel zu tun“, erklärt Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen, laut „rnd.de“.

Statt echtem Feedback gehe es meist um formalisierte Leistungsbeurteilung – was viele Mitarbeiter als bedrohlich empfänden. Diese Einschätzung teilt auch Personalexperte Stefan Döring. Obwohl die Unternehmen hohe Erwartungen an diese Gespräche knüpfen, schüren sie bei Mitarbeitern oft Ängste, da sie erhebliche Auswirkungen auf Gehalt und Karriere haben können. Das Ungleichgewicht verstärkt sich zusätzlich dadurch, dass in der Regel nur Führungskräfte für diese Gespräche geschult werden, wie „Handelsblatt“ berichtet.

Zeitdruck und Formalien ersticken den Dialog

Ein weiteres Problem: In den meisten Unternehmen wird für die Gespräche zu wenig Zeit eingeplant, während gleichzeitig zu viel Zeit mit Formalitäten verschwendet wird. Isabel Eder vom DGB-Bundesvorstand rät Mitarbeitern deshalb zu gründlicher Vorbereitung. „Als Führungskraft kann man seinen Mitarbeitenden vor solchen Gesprächen die Unterlagen zuschicken“, empfiehlt sie laut „rnd.de“.

So könnten sich beide Seiten gezielt vorbereiten. Auch für Führungskräfte mit partnerschaftlichem Führungsstil ist der plötzliche Rollenwechsel zum Beurteiler oft unangenehm. Professor Trost berichtet aus eigener Erfahrung: Als er bei einem Softwareunternehmen Führungsverantwortung hatte, löste er das Dilemma, indem er die Beurteilung gemeinsam mit seinen Mitarbeitern vornahm.

Seite 1 / 2
Nächste Seite