Business & Beyond Bleibt es beim Blättchen – oder machen Merz und Warken ernst

Bleibt es beim Blättchen – oder machen Merz und Warken ernst

Albert Schwarzmeier, CEO der enua Pharma GmbH, über die grüne Heilung – und warum das Gras vielleicht doch noch auf der richtigen Seite wächst.

Als die Teillegalisierung von Cannabis im Frühjahr 2024 im medizinischen Cannabis-Bereich durchging, und man die Einstufung als Betäubungsmittel aufhob, war das kein revolutionärer Rausch, sondern ein nüchterner, pragmatischer Schritt nach vorn. Ein Schritt, der auf internationalen Erfahrungswerten, wissenschaftlicher Evidenz und gesellschaftlichem Realismus basierte.

Politische Unsicherheit: Der CDU-Referentenentwurf und seine Folgen

Aktuell droht dieser eben benannte Fortschritt durch eine politische Wetterlage ins Wanken zu geraten, die weniger von medizinischen Fakten als von parteipolitischer Hypernervosität geprägt ist. Die Partei von Nina Warken und Friedrich Merz legte einen Referentenentwurf vor, der darauf abzielt, die Verschreibung von Cannabis für Patienten massiv zu erschweren. Wer auf Online-Verschreibungen in ländlichen Regionen angewiesen ist, könnte künftig vor Herausforderungen gestellt werden.

Seriöse Anbieter stärken – nicht Patienten schwächen

Die Kritik an ausgewählten Telemedizin-Plattformen ist legitim. Es gibt bei manchen Playern fragwürdige Geschäftspraktiken und berechtigte Debatten über Qualität und Kontrolle. Dass diese Anbieter stärker reguliert werden sollen ist richtig und notwendig. Doch für uns steht fest: Die medizinische Versorgung darf nicht zur Verhandlungsmasse einer politischen Debatte werden, die sich viel zu oft am Freizeitkonsum abarbeitet. Inzwischen gibt es in Deutschland knapp eine Million Menschen, die regelmäßig medizinisches Cannabis zur Therapie nutzen – Tendenz steigend. Für diese Patienten ist Cannabis kein Lifestyleprodukt, sondern tägliche Linderung – oft nach langen, leidvollen Krankheitsbildern mit klassischen Medikamenten, die entweder nicht wirken oder schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen.
Deshalb ist unsere Haltung eindeutig: Der medizinische Zugang muss unabhängig von der Freizeitdiskussion gewährleistet bleiben – ohne neue bürokratische Hürden, ohne Stigmatisierung und ohne Rückstufung unter das Betäubungsmittelgesetz. Es geht nicht um Genuss, sondern um Genesung.

Telemedizin verbieten? Das schafft neue Probleme

Ein generelles Misstrauen gegenüber der Telemedizin wäre politisch wie gesundheitlich ein Rückschritt. Wer Online-Verschreibungen pauschal verbietet, löst kein Problem, sondern verlagert es wieder in den Schwarzmarkt. Der Staat ist gefordert, klare Regeln und Standards zu definieren und durchzusetzen – nicht mit der Brechstange, sondern mit Vernunft, Augenmaß und Verantwortung. Anstatt Rückschritte zu machen, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Missbrauch verhindert wird, ohne den Zugang für echte Patienten zu gefährden. Das ist nicht nur möglich, sondern es ist seine Pflicht.

Politik braucht Planung – nicht Panik

Der aktuell vorliegende Entwurf muss überarbeitet werden. Ohne ideologischen Druck, ohne populistische Schnellschüsse. Eine generelles Versandverbot von medizinischem Cannabis würde nicht nur die therapeutische Versorgung erschweren, sie würde auch für erhebliche Unsicherheiten in der Branche sorgen. Investitionen wären gefährdet, Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel – und vor allem würde man Patienten aus ländlichen Regionen wieder in den Schwarzmarkt zurückdrängen. Ohne medizinische Begleitung, ohne Qualitätssicherung, ohne Transparenz. Man muss es sagen: Ein regulierter Markt bedeutet Standards, Qualität und Verbraucherschutz. Wer diesen Weg jetzt verlässt, riskiert nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern sendet auch ein fatales Signal an die Gesellschaft. Fortschritt ist verhandelbar – je nachdem, wer gerade regiert.

Was jetzt zählt? Haltung

Wir bei enua machen uns keine Illusionen: Natürlich ist eine politische Kehrtwende möglich. Aber wir haben uns 2018 gegründet, lange bevor überhaupt jemand über Legalisierung sprach. Unser Kerngeschäft war und ist die medizinische Anwendung. Sollte es ernst werden, passen wir agil unser Angebot mit einer hybriden Telemedizinstrategie an. Darüber hinaus konzentrieren wir uns noch stärker auf Produktexzellenz, attraktive Preise im deutschen Markt sowie auf die Expansion nach UK und Polen. Das Know-how sowie unser passioniertes und talentiertes Team, sie lassen sich nicht zurückregulieren. Unser Ziel bleibt bestehen. Bedeutet: Wir wollen Cannabis als moderne und evidenzbasierte Therapieform etablieren – patientenzentriert, verantwortungsvoll und langfristig. Dafür braucht es eine Regierung, die Entscheidungen nicht aus Angst oder Reflex trifft, sondern aus Überzeugung und Einsicht.

Grünes Licht oder roter Rückfall?

Deutschland hat die Chance, eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen – nicht nur wirtschaftlich, sondern gesellschaftlich. Wir stehen an einer Weggabelung. Und der Blick auf die nächsten Wochen und Monate wird zeigen, ob man sich für einen zukunftsorientierten, regulierten Umgang mit Cannabis entscheidet, oder ob man sich von parteipolitischer Symbolpolitik treiben lässt. Noch wächst das Gras auf der richtigen Seite. Jetzt liegt es an Warken, Streeck und den anderen Entscheidungsträgern, dafür zu sorgen, dass es dort weiterwächst – für die Patienten, für eine moderne Versorgung, für eine rationale Gesundheitspolitik.