Female & Forward Von Purpose bis Portfolio-Balance – Gesa Miczaika über Auxxo, Bias & Fundraising-Real Talk

Von Purpose bis Portfolio-Balance – Gesa Miczaika über Auxxo, Bias & Fundraising-Real Talk

Dr. Gesa Miczaika ist Mitgründerin des Auxxo Female Catalyst Funds, Founding Member von European Women in VC, Teil der Angel-Initiative Evangelistas und Mitglied bei Encourage Ventures. Nach Stationen in der Strategieberatung, über ein Jahrzehnt Startup-Erfahrung und einer persönlichen Wachstumsreise gründete sie ihren eigenen Fonds mit einer klaren Mission: mehr Diversität im Venture-Capital-Ökosystem. Heute investiert sie gezielt in Teams mit mindestens einer Gründerin, baut Netzwerke für weibliche Investorinnen und kämpft gegen die strukturellen Biases der Branche.

Sherin: Gesa, du bist international aufgewachsen, warst in der Beratung und über zwölf Jahre in Startups aktiv. Was hat dich schließlich ins Venture Capital geführt?

Gesa: Das war ein Prozess. Ich hatte schon früh beruflich mit VC zu tun, weil ich Unternehmen beim Kauf von Startups begleitet habe. Später bin ich selbst als Business Angel aktiv geworden. Ein entscheidender Moment war, als ich krank wurde und mein Leben danach neu bewertet habe. Da habe ich gemerkt: Ich will etwas aufbauen, das wirklich Wirkung hat. Venture Capital war für mich der gesellschaftliche Hebel, weil Kapital am Ende Macht bedeutet. Richtig eingesetzt, kann ich damit viel bewegen.

Sherin: Genau dieses „Wirkung erzeugen“ scheint sich wie ein roter Faden durch deinen Werdegang zu ziehen. Auxxo selbst ist ja aus einem Angel-Vehikel heraus entstanden. Wie kam es dazu?

Gesa: Ja, genau. Wir haben 2019 mit einem kleinen Angel-Vehikel angefangen. Nach 15 Investments haben wir festgestellt: Über 70 % unserer Portfoliounternehmen hatten Gründerinnen, während der Markt bei nur 15 % lag. Das war unser Aha-Moment. Uns wurde klar: Da ist ein White Spot. Mit Auxxo investieren wir heute bewusst in Teams mit mindestens einer Gründerin und helfen gleichzeitig, sie mit größeren Fonds zu verbinden.

Sherin: Damit sprecht ihr nicht nur eine Marktlücke an, sondern auch ein tief verankertes Thema in der Branche: Bias. Du betonst oft den „Similarity Bias“ – Menschen investieren in Menschen, die ihnen ähnlich sind. Wie erlebst du das im Alltag?

Gesa: Es ist unglaublich mächtig. Männer investieren überwiegend in Männer, und wir haben festgestellt: Auch wir investieren instinktiv öfter in Frauen. Deswegen geht es nicht darum, Bias wegzudiskutieren, sondern ihn sichtbar zu machen – und zu nutzen. Auxxo ist so positioniert, dass wir Gründerinnen Zugang zu Kapital verschaffen, das sie sonst oft nicht erreichen.

Sherin: Kapital verschaffen – das gilt ja nicht nur für Startups, sondern auch für Fondsmanager:innen selbst. Fundraising ist bekanntlich eine harte Disziplin. Wie war es bei euch?

Gesa: Der erste Fonds war 2021 einfacher – es war viel Kapital im Markt und es herrschten andere Zeiten. Der zweite war ein anderes Spiel: Die Makrolage hat sich verändert, Investoren sind vorsichtiger geworden. Dazu kommt: Frauen haben oft mehr Schwierigkeiten, sich selbst „groß“ zu verkaufen. Mir ist in dem Prozess selbst aufgefallen, dass ich selbst ein Imposter-Syndrom überwinden musste. Am Ende musste ich lernen: Fundraising beginnt bei dir selbst. Wenn du nicht spürst, wie gut dein Produkt ist, kannst du es nicht überzeugend genug verkaufen. Das war eine schmerzhafte, aber sehr wichtige Reise mit vielen Erkenntnissen, die mich gestärkt haben.

Sherin: Neben der Arbeit am Fonds baust du aber auch konstant Netzwerke auf – Evangelistas, Encourage Ventures, European Women in VC. Warum ist dir Community-Arbeit so wichtig?

Gesa: Weil Netzwerke so viele Vorteile bringen. Uns Frauen fehlen oft zwei Dinge: Geld und ein starkes Netzwerk. Evangelistas begann als kleine WhatsApp-Gruppe und ist heute ein Netzwerk von über 400 Business Angels in Europa. Encourage Ventures bündelt female-focused Initiativen in Deutschland. Und European Women in VC bringt Investorinnen europaweit zusammen und macht sichtbar, dass weibliche Fondsmanager erfolgreich sind. Ohne solche Communities hätten wir Auxxo nicht aufbauen können und genau solche Netzwerke sind wichtig, um einen systemischen Wandel herbeizuführen. Wir haben noch eine lange Reise vor uns.

Sherin: Community, Werte, Diversität – bei Auxxo verbindet ihr Themen, die oft weich klingen, mit einem harten, renditegetriebenen Geschäft. Wie gelingt euch dieser Spagat?

Gesa: Für uns gehören Rendite und Werte zusammen. Wir fokussieren uns auf nachhaltiges Wachstum statt auf Marketing-getriebene Blasen. Und wir sehen uns auch als Sparringspartnerinnen auf der emotionalen Ebene. Gründer:innen kommen zu uns, wenn es Konflikte im Team gibt, wenn jemand kurz vorm Burnout steht oder Fragen zur Vereinbarkeit auftauchen. Gleichzeitig gilt: Wir sind kein Charity-Fonds. Unser Versprechen an unsere LPs ist, ihr Kapital zu vervielfachen.

Sherin: Wenn du über Rendite und Wirkung sprichst, sagst du oft: „Investieren heißt, Möglichkeiten schaffen.“ Was genau meinst du damit?

Gesa: Es geht darum, Räume zu öffnen. Für Gründerinnen, die sonst übersehen würden. Für Investorinnen, die Zugang zu einer Assetklasse bekommen. Und für meine Töchter – und die nächste Generation – die hoffentlich in einer Welt leben, in der Balance selbstverständlich ist.

Sherin: Zum Schluss: Welche drei Take-aways gibst du allen mit, die selbst mehr Balance, Achtsamkeit und Diversität in die Branche bringen wollen?

Gesa:

  1. Balance ist ein Wettbewerbsvorteil. Diversere Teams treffen bessere Entscheidungen.
  2. Fundraising beginnt bei dir selbst. Selbstvertrauen ist nicht verhandelbar und bedeutet Stärke.
  3. Netzwerke sind Hebel. Bau sie auf – und teile sie.

Sherin: Danke, Gesa, für deine Offenheit und deine klare Haltung.

Gesa: Danke dir, Sherin. Genau solche Gespräche sind wichtig, um Veränderung sichtbar zu machen.