Business & Beyond Lärmgutachten, Hygieneschulung, doppelter TÜV: Volksfeste ersticken in Bürokratie

Lärmgutachten, Hygieneschulung, doppelter TÜV: Volksfeste ersticken in Bürokratie

Heute ist Bürokratie-FREI-Tag. In unserer Serie berichten wir, wo die Bürokratie so zuschlägt, dass nichts mehr wächst. Diesmal: Schausteller müssen inzwischen ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept vorlegen. Doch damit ist es längst nicht getan.

Das größte Volksfest in Deutschland ist das Oktoberfest. Die Münchener Großveranstaltung ist ein Umsatzbringer und dürfte für 2025 die 1,5-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten, was den wirtschaftlichen Gesamtwert angeht. Für die Stadt bleibt regulär ein hübsches Sümmchen übrig. Bisher jedenfalls. Denn neuerdings explodieren die Kosten. Der Verwaltungsaufwand ist enorm. Das gilt auch und vor allem für kleinere Veranstalter längs und quer durch die Republik, und da bleibt oft weniger als nichts übrig.

Natürlich sind in den letzten Jahren die Sicherheitsaufwendungen drastisch gestiegen. Wie verschiedene Anschläge und Übergriffe zeigten, reicht es immer noch nicht; manche Sicherheitslücke aber wird aus möglicherweise übertriebener Vorsorge jedoch gleich mehrfach geschlossen – und bringt die entsprechende Bürokratie mit sich. In Klein- und Mittelstädten lassen sich die Ausgaben für solche Feste deswegen nicht mehr stemmen.

Beispiel: Marburg. Im Frühjahr wird dort das traditionelle Kirschblütenfest gefeiert. Nicht so 2025. „Abstrakte Terrorgefahr“ ließ die Verantwortlichen das Fest absagen: Im Umkreis hätten mindestens fünf Straßen komplett gesperrt werden müssen mit allen Folgen: „Nur mit erheblichem Aufwand möglich“, erläuterte die Stadtverwaltung. Schon für das weitaus kleinere Fest „Marburger Frühling“ betrugen die Zusatzkosten der Sicherheitsmaßnahmen 65.000 Euro, so die Stadt. Bei Festen unter freiem Himmel muss der Organisator sicherstellen, dass die „Veranstaltung entsprechend den Bedingungen und Auflagen der Erlaubnisbehörde” durchgeführt wird, so das Verwaltungsportal des Landes Hessen. Da bleibt kein Spielraum.

In kleineren Dörfern sind die Absagen besonders schmerzlich, da es um teils uralte Traditionen geht – und auch das Gemeinschaftserlebnis. In einer 500-Seelen-Gemeinde wurde 2025 zum Beispiel das traditionelle Maifest abgesagt. Die Sicherheitsauflagen, der Sanitätsdienst und die Absperrungen hätten die ehrenamtlichen Veranstalter überfordert.

Inwieweit die Vorsorge unabdingbar ist, oder ob manche Maßnahme vor allem bürokratischen Überschwang darstellt, lässt sich wohl nur im Einzelfall feststellen. Fakt ist, dass bei früheren Anschlägen mitunter nur deshalb eine Sicherheitslücke entstand, weil Verantwortliche nicht „auf Posten” waren. Hundert Prozent Sicherheit, so die stets banale Erkenntnis, gibt es nicht.

In Lage in Nordrhein-Westfalen wurde ein traditionelles Fest, die Frühjahrskirmes, 2025 sehr kurzfristig abgesagt. Die kurzfristigen Anforderungen der Verwaltung überforderten die Schausteller bei weitem. Sie schrieben detailliert vor, was zu besorgen gewesen wäre: So verlangte das Sicherheitskonzept gut 30 schwere Lkw (je mindestens 3,5 t), teilweise mit doppelter Besetzung – Fahrer und noch eine weitere Sicherungsperson -, um Zufahrten zur Kirmes abzuschirmen – logistisch und finanziell nicht stemmbar für die Schausteller. Kritiker monieren dies als reine Symbolpolitik: „Was soll der zweite Mensch tun, wenn ein Attentäter kommt?“ Dies jedenfalls führte zur Absage wenige Tage vor dem geplanten Start. Die Auswirkungen trafen rund 60 Schaustellerfamilien, die bereits investiert hatten für vorgeschriebenen TÜV, für Personal und Übernachtungen. Ein bitterer Verlust. Ob Essen-Kettwig, ob Frankfurt am Main  oder Saarlouis – bundesweit entfallen Volksfeste. Auch, aber nicht immer wegen der teils schwer umsetzbaren Sicherheitsvorschriften.

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