AnlagePunk Achtung Anleger: Ruhe vor dem Sturm

Achtung Anleger: Ruhe vor dem Sturm

Der September ist historisch einer der heikelsten Krisenmonate an der Börse. Auch diesmal könnte es krachen. Schuld ist mal wieder die ausufernde weltweite Verschuldung der Staaten. Und gut möglich ist, dass der Auslöser des nächsten Crashs mitten in Europa liegt.

Es ist eine eigentümliche Stille, die über den globalen Finanzmärkten liegt. Anleger könnten noch glauben, alles sei in Ordnung. Aber tatsächlich tanzen die Aktienkurse zu einer Melodie, die bereits verklungen ist. Am Horizont türmen sich die Gewitterwolken. Albert Edwards von der Société Générale warnt vor einer „Everything Bubble“ – einer Blase in Aktien- und Immobilienmärkten, die durch historische Bewertungskennzahlen und steigende Staatsanleiherenditen befeuert wird. Ein schmerzlicher „Sturz ins Abenteuer“ sei wahrscheinlich. Der Grund: die Staatsschulden. Dieses uralte, aber nie gelöste Problem wächst in diesem September zu einer die Kraft, die die Börsen ins Wanken zu bringen kann – vielleicht sogar bis auf Weiteres zu Fall.

Nirgendwo wird das so sichtbar wie in Japan. Seit Jahrzehnten lebt das Land mit einer Staatsverschuldung, die über 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgeht. Tokio hat daraus fast eine Kunst gemacht: immer neue Anleihen, immer neue Rettungsmaßnahmen, ein Schuldenberg, der so hoch ist wie der Fuji. Bislang blieb Japan bleibt erstaunlich stabil, getragen von einer Bevölkerung, die ihre Ersparnisse in heimische Staatsanleihen steckt. Aber auch dort wächst die Nervosität.  

Japan: Das Schulden-Experiment endet

Im Frühjahr lag die Staatsverschuldung Japans bei knapp 235 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und zählt zu den höchsten Werten unter den Industriestaaten. Die Regierung erstickt im Schuldendienst, weil die Bank of Japan gleichzeitig ihre Ultra-lockere Politik zurückfährt. Deren Gouverneur, Kazuo Ueda, bekräftigte in einem Statement, dass die Bank ihre monatlichen Anleihenkäufe bis März 2026 schrittweise um 400 Milliarden Yen pro Quartal reduzieren wird und ab April 2026 sogar auf 200 Milliarden Yen drosseln will – ein deutlicher Schritt weg davon, die Zinsen künstlich niedrig zu halten. Das japanische Experiment nimmt gerade seinen Lauf.

Während in Japan die Last wie ein jahrzehntelanger Dauerregen wirkt, schlagen in Europa die Wellen plötzlich und unberechenbar hoch. Italien, Spanien, Griechenland – sie alle haben in der Schuldenkrise von 2010 bittere Lektionen gelernt. Heute, anderthalb Jahrzehnte später, stehen ihre Schuldenstände wieder dort, wo sie damals die Alarmglocken schrillen ließen: Italien bei mehr 140 Prozent, Griechenland bei fast 170 Prozent.

Doch die eigentliche Zündschnur liegt diesmal in Frankreich. Die Grande Nation hat sich in den vergangenen Jahren auf eine riskante Strategie eingelassen: Wachstumsversprechen finanziert durch Schulden. Die Rechnung dahinter ist ein Hoffnungsposten: mehr Investitionen, mehr Wirtschaftskraft – dann die Rückzahlung. Doch das Wachstum ist ausgeblieben. Nun türmt sich der Schuldenstand auf fast 115 Prozent des BIP. Paris taumelt.

Frankreich: Die Zündschnur im Euroraum

Die aktuelle Regierung unter Premierminister François Bayrou hat ein rigoroses Sparprogramm angekündigt – Einschnitte in Höhe von 44 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2026, inklusive Kürzungen bei Renten und Gesundheitsausgaben. Die Proteste auf der Straße sind seither lauter als die Debatten im Parlament. Die Gewerkschaften rufen zu landesweiten Streiks am 18. Septemberauf. Ein Generalstreik der Energieversorgungsbetriebe, namentlich bei EDF, steht im Raum. Anfang dieses Monat führte dies zu spürbaren Auswirkungen: Die Stromproduktion sank zeitweise um 2,7 Gigawatt, was die Breite der Mobilisierung zeigt. Präsident Emmanuel Macron sieht sich einer Regierungskrise gegenüber, die leicht zur Staatskrise werden kann. „In den Augen der Märkte erscheint Frankreich jetzt als das schwächste Glied im Kern der Eurozone“, heißt es vom Analystenhaus Goldbroker.

Und Deutschland? Die Deutschen galten lange als Anker, als Garant der Stabilität. Die Schwarze Null war fast schon eine Religion. Doch die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, die milliardenschweren Rettungspakete und eine Regierung um Friedrich Merz, die die Schuldenbremse ausgehebelt hat, haben den Glauben erschüttert. Ein massiver Investitionsfonds treibt die Neuverschuldung in die Höhe – die Prognosen gehen von einem Anstieg der Verschuldung von 65 auf bis zu 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den kommenden zehn Jahren aus – im Vergleich zu Italien oder Griechenland moderat, aber gefährlich für ein Land, das seine Bonität als stärkste Waffe sah.

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