Brand & Brilliance Viral? Really? – So entlarvt ihr Agenturen, die nur Paid Push verkaufen

Viral? Really? – So entlarvt ihr Agenturen, die nur Paid Push verkaufen

Liebe CMOs,

wir müssen reden. Schon wieder. Über das Unwort des Marketings: viral. Kaum eine Agentur, die nicht jeden zweiten Case damit etikettiert. Kaum ein Branchenportal, das nicht reflexartig „viraler Hit!“ ruft, sobald ein Video ein paar tausend Views abbekommt. Und kaum ein CMO, der nicht im Pitch hört: „Und das Beste: Das Ding wird viral gehen.“

Doch Viralität ist kein Buzzword. Viralität ist eine Formel. Eine Mechanik. Ein Prozess, der nur dann funktioniert, wenn bestimmte KPIs im Funnel wie Dominosteine hintereinanderfallen. Alles andere ist: Paid Noise.

Viralität: Vom Top-of-Funnel bis zur Conversion

Schauen wir uns den Prozess einmal nüchtern an. Viralität ist nicht das magische Einhorn, das aus dem Nichts galoppiert. Viralität ist ein Funnel, der aufeinander aufbaut:

Top-of-Funnel (Awareness): Hier geht es um Sichtbarkeit. Reichweite, Impressions, Share of Voice. Viralität zeigt sich anfangs daran, dass Content überdurchschnittlich viele Menschen erreicht. Aber Reichweite allein ist nichts. Wenn Nutzer:innen nur scrollen und weiterziehen, ist der Funnel tot, bevor er angefangen hat.

Middle-of-Funnel (Engagement): Jetzt entscheidet sich, ob Content weitergetragen wird. Shares, Kommentare, Video Completion Rate – das sind die KPIs, die zählen. Hier entsteht das „soziale Feuer“, das den Algorithmus füttert. Likes sind dabei nur Staub auf der Oberfläche – nett, aber irrelevant.

Bottom-of-Funnel (Conversion): Am Ende muss Viralität einen Wert liefern. Das kann App-Downloads, Registrierungen, Verkäufe oder Leads bedeuten. Viralität ohne Conversion ist nur ein Strohfeuer.

Die wahren KPIs der Viralität

Time spent with brand Die wichtigste Kennzahl. Je länger Nutzer:innen mit deinem Content interagieren, desto klarer signalisiert das: „Das hier hält Menschen fest, push das weiter!“ Likes? Oberflächlich. Kommentare? Gut. Shares? Stark. Aber nichts schlägt die Verweildauer.

Amplification Rate Die Formel ist einfach: Anzahl der Shares geteilt durch die Reichweite. Wenn ein Post von 100.000 Menschen gesehen wird und 10.000 ihn teilen, ist das eine Rate von 10 %. Das ist der Stoff, aus dem virale Träume sind.

Engagement Rate Viele Agenturen prahlen mit Engagement Rates von 1–2 %. Klingt nett, aber Viralität beginnt erst, wenn Inhalte deutlich über dem Schnitt liegen. Wenn deine Community reagiert, kommentiert, streitet, diskutiert. Nicht, wenn sie nur auf „Gefällt mir“ tippt.

K-Faktor Der Klassiker: K = Einladungen × Konversionsrate. Nur wenn K > 1, beginnt exponentielles Wachstum. Alles darunter ist lineares Marketing. Viralität ohne K-Faktor ist wie ein Tinder-Date ohne Match: nett gedacht, aber erfolglos.

Completion Rate Ein unterschätzter KPI. Wenn 80 % der Zuschauer:innen dein Video zu Ende schauen, weiß die Plattform: „Das fesselt.“ Completion Rate ist das Eingangstor zur organischen Reichweite. Wer nur in den ersten Sekunden glänzt, verliert.

TEDi : „Ein bisschen viral“ gibt’s nicht

Ein Fall, der gerade diskutiert wurde: die TEDI-Mockumentary. Campaign titelte dazu groß „viral“ – ein schönes Label, das sich in der Branche immer gut verkauft. Wir wollen hier gar nicht den Autor oder die Meldung „durch den Kakao ziehen“. Klar, aus Journalistensicht klingt das spannend: Discounter wird ironisch, Mockumentary-Format, mehr Interaktionen als sonst – da schreibt sich die Headline fast von selbst.

Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man: Das Ganze war vor allem ein kluges Media-Boosting. Ja, die Clips hatten mehr Interaktionen als TEDIs sonstige Posts. Aber wer auf Instagram bei einer Engagement-Rate von 0,16 % startet und es schafft, den Wert ein kleines Stück nach oben zu schieben, hat damit noch keine virale Kettenreaktion ausgelöst. Das ist bestenfalls ein kleiner Ausreißer nach oben – aber eben kein Virus.

Viralität beginnt da, wo Inhalte exponentiell von selbst geteilt werden, nicht da, wo die Kurve ein bisschen freundlicher aussieht.

Und dann kommt das zweite Detail: Die Idee war nicht einmal exklusiv. Genau dieselbe Mockumentary-Mechanik hatte die Agentur schon für Lidl / Lidl in Deutschland entwickelt – und jetzt eben an TEDI weiterverkauft. Für die Agentur ein gutes Geschäftsmodell, keine Frage.

Aber für eine Marke, die eigentlich ihre eigene Handschrift entwickeln sollte, ist das schade. Denn TEDI hätte eine originelle Idee verdient, etwas, das wirklich zu ihnen passt, statt eine recycelte Blaupause. Vor allem wenn der Mitarbeiter der Agentur in beiden Videos auftaucht…

Der eigentliche Knackpunkt liegt aber bei den CMOs. Wenn eine Agentur Copy-Paste-Ideen präsentiert und das als Innovation verkauft – warum hinterfragt das niemand?

Warum lassen sich Marketingverantwortliche von Buzzwords wie „viral“ blenden, anstatt die harten KPIs zu verlangen? Denn am Ende geht es nicht darum, ob eine Headline in der Fachpresse nett klingt, sondern ob eine Kampagne organisch funktioniert. Und da reicht es eben nicht, ein paar Promillepunkte mehr Engagement vorzuweisen.

Echte Viren: Oreo, TOMS, Swiggy

Oreo – „Dunk in the Dark“ 2013, Super-Bowl-Blackout. Ein Tweet: „You can still dunk in the dark.“ Ergebnis: 15.000 Retweets, 35.000 neue Follower, weltweite PR. Ohne Mediabudget. Viral, weil Timing + Relevanz + Humor = K > 1.

TOMS – #withoutshoes Nutzer:innen posten Bilder ihrer nackten Füße, TOMS spendet Schuhe. Ergebnis: 3,5 Millionen Shares, 290.000 Paar Schuhe gespendet. Hier wurde Viralität zur Bewegung.

Swiggy – #VoiceOfHunger Indien, 2019: Sprachnachrichten, deren Waveform wie Essen aussieht. Ergebnis: 150.000 Teilnehmer:innen in 10 Tagen, Instagram musste die Kampagne mehrfach blockieren. Viralität in Reinform: kreative Idee + Community-Beteiligung.

Deutsche Kulturmomente

Auch in Deutschland gab es echte Viralität:

  • BVG „#weilwirdichlieben“ :Selbstironische Ansprache, Humor, Umgang mit Kritik & Alltag (z. B. Verspätungen, verspätete Fahrten etc.). Starke Verbindung zur Zielgruppe, ehrlicher Ton, hohe Interaktion in den Kommentaren.
  • HelloFresh – #freshveganuary Kampagne rund um veganer Januar („Veganuary“). HelloFresh nutzte einen Trend, bot Mehrwert (rezepte, Ernährungstipps), positioniert sich damit auch in Richtung Nachhaltigkeit und Lifestyle.

Paid vs. Viral: Karaoke vs. Club-Chor

Hier liegt die große Verwechslung. Paid ist Karaoke: laut, teuer, solange du zahlst. Viral ist, wenn der ganze Club von selbst den Refrain mitsingt. Paid bringt Sichtbarkeit. Viral bringt Kultur. Paid endet mit dem Budget. Viral beginnt da, wo das Budget längst aufgebraucht ist.

Fazit: Holt euch Viralität zurück

Liebe CMOs, lasst euch nicht länger mit „ein bisschen mehr Interaktion“ abspeisen. Viralität ist kein Buzzword, sondern eine harte KPI-Disziplin. Sie lässt sich messen, planen, optimieren – aber nicht erkaufen. Viralität bedeutet: Time spent with brand, Amplification Rate, Completion Rate, K-Faktor. Alles andere ist PowerPoint-Feuerwerk.

Und jetzt, liebe CMOs, Marketingentscheiderinnen, Social-Media-Managerinnen und CEOs, kommt die wirklich gute Nachricht: Dr. Punk ist ab sofort euer CMO auf Abruf. Wer lernen will, wie Social Media, Digital und „all over the place“ wirklich funktionieren – ohne Buzzword-Bingo und Agentur-Powerpoint-Schmonzette – sollte unbedingt unseren Newsletter lesen.