AnlagePunk Krypto-Blase oder Geldrevolution? Warum Blockchain die Finanzwelt nicht mehr loslässt

Krypto-Blase oder Geldrevolution? Warum Blockchain die Finanzwelt nicht mehr loslässt

Es gibt Bilder, die bleiben hängen. „Ich wohne seit 13 Jahren in einer Blase“, sagt Ulli Spankowski, Chief Digital Officer der Boerse Stuttgart Group. Er meint damit nicht das Leben in einem künstlichen Kokon, sondern die Welt der Kryptowährungen. Am Anfang, erzählt er, hätten sich die Pioniere von ihren Bitcoins „ein warmes Mittagessen kaufen“ können, später ein Auto, schließlich eine Wohnung. „In der Blase scheint es Wachstum zu geben.“

Und tatsächlich: Trotz Skandalen wie dem um die US-Handelsplattform FTX im Jahr 2022 ist die Krypto-Blase nicht geplatzt. Im Gegenteil, sie hat sich ausgedehnt – von der Nische über eine Schar von Profis bis zur breiten Masse. Heute, so Spankowski, öffnen sich „selbst Sparkassen und Volksbanken“. Krypto ist Mainstream geworden.

Blockchain und Digital Assets: Wegbereiter für neue Märkte oder nur eine Blase?

So lautete der Titel des Panels, das zahlreiche der mehr als 1000 Gäste auf dem Finance Summit der Boerse Stuttgart Group verfolgten. Auf der Bühne: Vertreterinnen und Vertreter von Banken, Investmenthäusern und Fintechs, die über Chancen und Risiken der Blockchain-Technologie und des Kryptohandels sprachen. Spankowski zeichnete die Entwicklung in drei Phasen nach: Phase eins sei die Pionierzeit bis 2018 gewesen. Merkmale: komplizierter Zugang, wenige Nutzer, Krypto als technische Spielerei. „Das größte Problem von Bitcoin war: Kaum jemand interessierte sich dafür“, erinnert er sich. Phase zwei: Wachstum – Regulierung, klare Leitplanken, steigende Akzeptanz. Und Phase drei beschreibt die Gegenwart – Krypto als selbstverständliche Assetklasse für Institutionen und Privatkunden.

Besonders Stablecoins sieht er als einen Dreh- und Angelpunkt: „Digitales Geld, das sich 24/7 durch die Welt transferieren lässt.“ Staaten stünden vor einem Wettlauf um die klügste Regulierung. Während die USA voranpreschen, „schauen die Europäer erstmal, dass nichts Negatives passiert“. Für Spankowski ist das zu wenig: „Der Kryptomarkt ist global und kein europäisches oder amerikanisches oder asiatisches Thema. Wir müssen diese Finanzmarktarchitektur aktiv mitgestalten.“

„Keine Bank kann es sich erlauben, Krypto nicht anzubieten“

Auf dem Panel bestätigte Marion Spielmann, COO der DekaBank, diesen Trend: „Die Blockchain ist nicht nur eine Technologie, sondern ein Versprechen für mehr Transparenz.“ Lange hätten Banken gezögert, doch die Kunden hätten Fakten geschaffen: „Keine Bank kann sich erlauben, Krypto nicht anzubieten.“ Heute sei Krypto in der privaten Vermögensverwaltung angekommen – allerdings als Produkt für Selbstentscheider. „Was erwartet der Kunde? Den gleichen Service und die Bequemlichkeit wie bei traditionellen Produkten“, sagt Spielmann. Beratung sei selten gefragt, denn „die Kunden haben sich meist selbst damit auseinandergesetzt.“

Krypto als Spekulation?

Frank Engels, Chief Investment Officer von Union Investment, hob die Bedeutung der Technologie hervor: „Das Thema Blockchain ist wichtig, weil es eine komplett digitalisierte, transparente, schnelle Technologie ist.“ Doch er warnte auch: „Kryptowährungen sind Spekulation. Mich irritiert der Wunsch der Deutschen, ausgerechnet da hinein zu investieren.“ Zudem sieht Engels Risiken für die Geldpolitik: „Durch Stablecoins verliert die Zentralbank die Kontrolle über die Geldmenge. Zentralbankgeld ist sicherer als jeder private Stablecoin.“ Und doch gilt auch für ihn: „Das Ganze nimmt eine Form an, dass kein Finanzinstitut an dem Thema vorbeikommt.“

Infrastruktur wie beim Auto: Verbrenner und Elektro nebeneinander

Heiko Beck, Managing Director beim Fintech-Dienstleister Avaloq, betrachtete das Thema aus Sicht der Finanzinfrastruktur. „Digitale Assets sind doch keine Luft in Dosen“, betonte er. Die Handelsvolumina zeigten, dass Krypto längst eine reale Größe bei privaten Kunden sei. Die Herausforderung sei derzeit, parallel zwei Systeme zu betreiben: „Das ist wie der Verbrennermotor, den du noch baust, während du den Elektroantrieb schon hochfährst.“ Die Banken seien zögerlich, weil der Aufbau neuer Infrastrukturen gewaltige Investitionen erfordere. „Es wird alles nicht billiger“, sagte Beck. „Es wird effektiver, ist besser zu skalieren, aber es wird erstmal nicht billiger.“

Zwischen Skepsis und Aufbruch – eine Branche im Umbruch

So unterschiedlich die Perspektiven waren, ein roter Faden zog sich durch alle Beiträge: Krypto ist kein kurzlebiger Hype, sondern eine Entwicklung, die Märkte, Banken und Geldpolitik verändert. Spankowskis Vergleich mit der „Blase“ bekommt dadurch eine neue Bedeutung. Die Blase ist nicht geplatzt – sie ist gewachsen und hat sich verfestigt. Spielmanns Warnung, dass keine Bank Krypto ignorieren darf, klingt wie eine Kampfansage an alte Strukturen. Engels‘ Mahnung vor überbordender Spekulation zeigt, dass Vertrauen und Regulierung unverzichtbar sind. Und Becks Bild vom Verbrennermotor und dem Elektroauto verdeutlicht: Die Finanzbranche steckt mitten in einer Transformation, in der Alt und Neu noch nebeneinander existieren – aber der Weg in die digitale Zukunft vorgezeichnet ist.

Am Ende des Panels herrschte Einigkeit: Krypto ist gekommen, um zu bleiben. Die Technologie hinter Bitcoin & Co. – die Blockchain – ist weit mehr als ein Spielplatz für Technikfans. Sie ist Fundament für neue Märkte, effizientere Infrastrukturen und digitale Währungen. Deutschland und Europa zögern noch, während die USA längst nach vorn marschieren.