Startup & Scaling Die Nuss-Revolution: Wie ein Freiburger Startup globale Lieferketten umkrempelt

Die Nuss-Revolution: Wie ein Freiburger Startup globale Lieferketten umkrempelt

Fairfood aus dem Schwarzwald revolutioniert den Nusshandel: Wertschöpfung bleibt bei den Erzeugern, Mehrwegsysteme ersetzen Verpackungsmüll, und bald stehen die fairen Nüsse bei DM im Regal.

Amos Bucher startete 2014 in einem Freiburger Hinterhof mit einer simplen, aber radikalen Idee: Nüsse nicht nur nachhaltig anbauen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette neu denken. Heute beschäftigt seine Fairfood GmbH 30 Mitarbeiter, beliefert den Bio-Fachhandel und steht vor dem Sprung in die Regale von DM. Was zunächst nach einem gewöhnlichen Produkt klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als komplettes Umdenken im globalen Handel.

Die Wertschöpfung bleibt, wo die Nüsse wachsen

„Wenn du willst, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Buzzword bleibt, musst du bei der Wertschöpfung anfangen – und die beginnt auf dem Feld“, erklärt Bucher im Gespräch mit „Business Punk“. Das Unternehmen setzt dabei auf ein radikales Konzept: Cashews, Mandeln und Macadamias werden nicht wie üblich nach Europa transportiert und hier verarbeitet, sondern direkt in den Anbauländern geröstet und veredelt. In Kooperation mit über 20 Partnerprojekten im Globalen Süden entstehen so lokale Wertschöpfungsketten.

Die ersten Schritte waren bescheiden, aber mutig: In Nigeria baute Bucher mit lokalen Partnern erste Strukturen auf, ließ Cashews traditionell ernten und rösten. Der Verkauf erfolgte über einfache Webshops direkt nach Deutschland. „Zu viele Zwischenhändler fressen die Marge, die den Menschen vor Ort eigentlich zusteht“, so Bucher laut „Techcrunch“. Fairfood bricht mit dieser Tradition – und das mit bemerkenswerter Konsequenz.

Kreislaufwirtschaft als Wachstumstreiber

Ein unerwarteter Boost kam durch die Unverpackt-Läden-Welle zwischen 2018 und 2021. Fairfood entwickelte ein innovatives Pfandsystem: Geröstete Nüsse zirkulieren in 10-Kilo-Eimern, die zurückgegeben, gereinigt und wieder befüllt werden. „Kreislaufwirtschaft ist für uns keine Marketingfloskel – sie ist Produktionsalltag“, betont Bucher. Dieser Ansatz brachte dem Unternehmen nicht nur einen Preis der Deutschen Umwelthilfe ein, sondern auch erhöhte Sichtbarkeit im Markt, wie „Wired“ berichtet.

Vom Nischen-Player zum Retail-Partner

Der Einstieg in den Fachhandel – etwa bei Alnatura – markierte ab 2020 einen wichtigen Meilenstein. 2025 steht der nächste große Schritt an: eine Kooperation mit DM. „Das ist für uns ein echtes Brett. Wir bleiben unserer Haltung treu – und erreichen gleichzeitig viel mehr Menschen“, sagt Bucher.

Parallel dazu entstehen im Freiburger Headquarter neue Produktideen: vegane Nussbolognese und Nusscarbonara – klimafreundlich und nährstoffreich. Die Verpackung erfolgt in recycelten Joghurtgläsern oder 100% Papier. Transparenz bleibt dabei ein Kernwert – nicht als Marketing-Gimmick, sondern als fundamentale Haltung.

Globale Partnerschaften auf Augenhöhe

Aktuell arbeitet Fairfood mit der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) an einem Projekt in Ruanda. Ziel ist es, Macadamianüsse fair und transparent nach Deutschland zu bringen – mit Fokus auf langfristige Kooperationen und lokale Wertschöpfung.

„Fair ist für uns die Kombination aus ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit“, erklärt Bucher laut „Techcrunch“. „Es bringt nichts, klimaneutral zu produzieren, wenn am anderen Ende der Kette Menschen ausgebeutet werden.“

Was ihn trotz aller Herausforderungen antreibt? „Weil ich sehe, dass es vor Ort einen Unterschied macht“, sagt der Gründer. Die Komplexität des Unternehmertums reizt ihn persönlich: „Neue Produkte entwickeln, Krisen meistern, Kunden überzeugen – das macht mir einfach Spaß.“

Sein Appell an Konsumenten ist dabei unmissverständlich: „Wir leben in einem System, das auf Kosten anderer funktioniert. Aber du hast jeden Tag die Wahl. Allein bewirkst du wenig – gemeinsam verändern wir viel.“

Business Punk Check

Fairfood zeigt, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen – aber der Weg ist steinig. Während der Ansatz der lokalen Wertschöpfung ökonomisch und ökologisch brillant ist, bleibt die Skalierbarkeit die größte Herausforderung. Der Einstieg bei DM könnte zum Lackmustest werden: Kann Fairfood die Produktion massiv hochfahren, ohne Kompromisse bei Qualität und fairen Bedingungen einzugehen? Die wahre Innovation liegt nicht im Produkt selbst, sondern im Geschäftsmodell, das etablierte Handelsstrukturen fundamental in Frage stellt. Für Mittelständler und Startups bietet Fairfood eine wertvolle Lektion: Echte Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Marketing, sondern bei der Neugestaltung von Lieferketten. Wer das versteht, kann ganze Branchen umkrempeln.