Finance & Freedom Bullerbü war gestern: Experten fordern Rente mit 70 und radikale Einschnitte

Bullerbü war gestern: Experten fordern Rente mit 70 und radikale Einschnitte

Wirtschaftsministerin Reiches Expertenkreis fordert drastische Reformen: Renteneintritt mit 70, Abschaffung der Rente mit 63 und weniger Rentenerhöhungen. Die Experten warnen: Deutschland steckt in einer „erheblichen Strukturkrise“.

Deutschland braucht einen Realitätscheck – und der fällt brutal aus. Der wissenschaftliche Beraterkreis von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat eine schonungslose Diagnose gestellt: Die deutsche Wirtschaft stagniert seit Jahren, während andere Länder wachsen. Laut „Merkur“ sprechen die Experten in ihrer am Montag vorgestellten „Wachstumsagenda“ von einer „erheblichen Strukturkrise“, die nur mit radikalen Reformen zu überwinden sei.

Rentensystem vor dem Kollaps

Die Rentenpolitik steht besonders im Fokus der Kritik. Die Berater fordern eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre – gekoppelt an die steigende Lebenserwartung.

Als Vorbild nennen sie Dänemark, wo genau dieses Modell bereits beschlossen ist. Zudem sollen die „Rente ab 63“ abgeschafft und künftige Rentenerhöhungen gedrosselt werden. Die „Welt“ berichtet, dass auch Wirtschaftsministerin Reiche selbst bereits gefordert hatte, die Deutschen müssten länger arbeiten.

Strukturwandel statt Industrieerhalt

Der hochkarätige Expertenkreis um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm und die Professoren Justus Haucap, Stefan Kolev und Volker Wieland kritisiert die deutsche Fixierung auf etablierte Industrien.

Laut „Merkur“ bezeichnet Haucap es als Fehler, „einzelne Unternehmen als unverzichtbar zu identifizieren“. Stattdessen müsse Deutschland den Strukturwandel aktiv gestalten und Investitionen in wachstumsstarke Zukunftsbranchen lenken.

Bullerbü-Illusion und Reformstau

Besonders deutlich wird Gremiumsmitglied Volker Wieland, der laut „Welt“ davor warnt, den Menschen ein „Bullerbü“ zu versprechen – also eine heile Welt, die es so nicht geben kann.

Die steigenden Sozialausgaben seien angesichts der Wachstumsschwäche und wachsender Verteidigungskosten schlicht nicht mehr finanzierbar. Grimm kritisiert, die Politik sei darauf ausgerichtet, „Menschen nicht weh zu tun“ – genau das sei aber nötig, um die strukturellen Probleme zu lösen.

Business Punk Check

Der Reformplan ist ein Frontalangriff auf das deutsche Sozialmodell – aber vielleicht ein notwendiger. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2019 verzeichnet Deutschland kaum Wachstum, während andere Volkswirtschaften boomen. Die Fixierung auf Industriekonzerne wie VW oder Porsche blockiert Innovation. Gleichzeitig tickt die demografische Zeitbombe.

Die harte Wahrheit: Ohne radikale Einschnitte kollabiert das System. Für Unternehmer und Startups könnte der Reformplan jedoch Chancen bieten – weniger Sozialabgaben bedeuten mehr Investitionsspielraum. Die Frage ist nicht, ob wir uns Reformen leisten können, sondern ob wir uns den Status quo noch leisten können. Die Antwort der Experten ist eindeutig: nein.

Häufig gestellte Fragen

  • Ist die Rente mit 70 wirklich unvermeidbar?
    Nach Einschätzung der Wirtschaftsexperten ja. Die demografische Entwicklung und stagnierende Wirtschaft machen eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung unumgänglich. Unternehmen sollten sich auf flexible Arbeitsmodelle für ältere Mitarbeiter vorbereiten.
  • Welche Branchen könnten vom geforderten Strukturwandel profitieren?
    Laut den Experten besonders zukunftsträchtige Sektoren wie Bio- und Medizintechnologie sowie Nukleartechnologie. Auch digitale Innovationsbranchen und nachhaltige Energielösungen dürften zu den Gewinnern zählen, während traditionelle Industriezweige unter Druck geraten.
  • Was bedeutet die „Wachstumsagenda“ für den Mittelstand?
    Mittelständische Unternehmen könnten von geringeren Sozialabgaben und entschlackter Bürokratie profitieren. Gleichzeitig müssen sie sich auf einen verschärften Wettbewerb um Fachkräfte einstellen und innovative Arbeitsmodelle für ältere Mitarbeiter entwickeln.
  • Wie realistisch ist die Umsetzung dieser radikalen Reformen politisch?
    Die politische Durchsetzbarkeit ist fraglich. Bundeskanzler Merz hat zwar einen „Herbst der Reformen“ angekündigt, doch gerade bei der Rente sind die Widerstände traditionell groß. Unternehmen sollten verschiedene Szenarien durchspielen und ihre Strategien entsprechend anpassen.

Quellen: „Merkur“, „Welt“