Tech & Trends Warum wir Werbefilme anstelle von Social-Media-Clips machen sollten

Warum wir Werbefilme anstelle von Social-Media-Clips machen sollten

Top-Brands wie Nike, Adidas & Co. setzen durch frühes Trendgespür neue Maßstäbe im Bewegtbild-Marketing – wieder einmal.

KI-Tools haben jetzt schon die mediale Welt verändert. Irgendwie macht doch jetzt jede Firma einen innovativen Social-Media-Clip – dabei sein ist alles und so… #KI #AI #innovation #trending. Dadurch kommt u.a. zunehmend die Frage nach der Rolle von Filmemacher*innen auf: Wie können wir unser Medium sowie unsere Kreativität langfristig schützen? Sind wir überhaupt noch notwendig? Und wenn ja, wie lange noch?

Im Marketing – insbesondere im Bereich der audiovisuellen Medien – findet derzeit ein grundlegender Gestaltungswandel statt. Nike, Adidas und Co. machen es wieder einmal vor: Anstatt auf schnelle Effekte, eine visuelle Reizüberflutung und überladene Bildwelten zu setzen – das war zwar früher cool, aber wenn wir ehrlich sind kann das die künstliche Intelligenz mithilfe einer entsprechenden menschlichen Prompting-Intelligenz bald wahrscheinlich eh mindestens genauso gut wie wir –, rückt das strategische Storytelling noch mehr in den Mittelpunkt der Medienkonzeption. Denn in unserer beschleunigten, vernetzten Welt mit ständigem Informationszugang wächst eine kollektive Sehnsucht nach Entschleunigung, Tiefe und emotionaler Berührung.

Wir wollen einfach alle mal wieder zur Ruhe kommen. Kurz durchatmen. Verarbeiten. Und erst dann frisch weitermachen.

Nicht nur hier trifft der Soziologe Hartmut Rosa mit seinem Modell der Rolltreppe den Zeitgeist: Nach Rosa befinden wir uns auf einer Rolltreppe, die nach unten fährt, während wir – auch durch unser System motiviert – unbedingt nach oben wollen. Wir müssen uns ständig anstrengen, um überhaupt auf der Stelle zu bleiben. Wir sind also die ganze Zeit in Bewegung, nur um unseren Status quo zu halten. Wird die Rolltreppe aber noch schneller – etwa durch beschleunigte Kommunikationskanäle oder steigende Anforderungen – oder bleiben wir einen Moment stehen, werden wir unweigerlich wieder nach unten getragen. Genau so fühlt sich dieser ständige Beschleunigungsdruck an, der im Alltag schnell zu Stress und Erschöpfung führen kann.

Genau deshalb geht es heute darum, Marken durch sinnstiftende Geschichten, einen klaren Purpose und emotionalen Mehrwert erlebbar zu machen, um dadurch dann echte Verbindungen zu schaffen, die sich in einem übersättigten Markt nachhaltig von der Konkurrenz abheben. Bewegtbild im Marketing – nicht als bewegtes Bild, sondern als mediale Bereicherung.

Die Trends führen also weg von inhaltslosen schnelllebigen Social-Media-Clips – hin zum erzählstarken Werbefilm. Der kleine Comeback-Moment der Filmemacher*innen!

Neue Ansätze für Konzeption und Gestaltung

Aber das ist natürlich noch nicht alles: Bei der Konzeption und Gestaltung dieser Storytelling-basierter Inhalte lohnt es sich, neue Ansätze mitzudenken, die genau diesen Nerv der Zielgruppe treffen.

So kann etwa der Einsatz von analogem Filmmaterial oder einer entsprechenden Film-Ästhetik anstelle von perfekten Hochglanzbildern gezielt für Nostalgie, Authentizität und visuelle Abwechslung sorgen und das Material für die Zuschauer*innen spürbar machen.

Statt klassischer Produkt-Inszenierung geht es um das Storytelling der Brand: Was ist der Purpose? Was sind die Hintergründe? Gibt es ein*e Founder*in? Was ist ihre/seine Geschichte? Mithilfe dieser Fragen können wir eine emotionale Bindung zu einer Brand schaffen und dadurch eine eigene Community rund um diese aufbauen.

Auch dokumentarische Elemente eignen sich hervorragend: Sie geben echten und dadurch authentischen Geschichten eine Plattform und bieten die Möglichkeit, diese glaubwürdig mit der Brand zu verbinden. Dabei gilt es, die Gesellschaft mit ihrer tatsächlichen Diversität zu reflektieren und keine unauthentische Casting-Selektion vorzunehmen.

Außerdem sollten die aktuellen Entwicklungen der Gesellschaft bei der Konzeption berücksichtigt und ggf. aufgegriffen werden: Was bewegt die Menschen jetzt gerade? Wie können wir einen Mehrwert liefern? Und wie passt unsere Marke oder unser Produkt dazu?

Und nicht zuletzt kann eine bewusste visuelle Reduktion richtige Wunder wirken: One-Shot-Inszenierungen bremsen den ständigen visuellen Reiz der Social-Media-Plattformen, schaffen Ruhe und ermöglichen dem Publikum dadurch ein intensiveres Rezipieren der Inhalte.

Natürlich gibt es weitere Ansätze und Perspektiven – auch für die konkrete technische Umsetzung der Ideen und Konzepte. Unter Berücksichtigung dieser beispielhaften Impulse können dann aber folgende Werbefilme entstehen:

Ausblick

Wer diese grundsätzliche Entwicklung also versteht und frühzeitig in der Konzeption von audiovisuellen Medien berücksichtigt, produziert nicht nur Werbung, sondern inhaltliche und emotionale Erlebnisse, die im Gedächtnis bleiben.

John Seelandt