Person
Interview icon Interview Gast:
Andreas Wesselmann
  Unternehmer:

- Andreas Wesselmann

- CEO von NFON

- Background: Studium der Mathematik und Informatik, zuletzt Senior Vice President bei SAP

- Heute: Technologie-Experte & CEO der NFON AG

- Ziel: NFON als europäischen Vorreiter für sichere und KI-getriebene Business-Kommunikation etablieren


Unternehmen:

- Name: NFON AG

- Gründung: 2007

- Sitz: München

- Branche: Cloud-Telefonie / Kommunikationstechnologie


www.nfon.com
13. November 2025

Andreas Wesselmann

Vom SAP-Veteran zum NFON-CEO: Andreas Wesselmann über Wandel, KI und Leadership made in Europe

Nach fast drei Jahrzehnten bei SAP könnte Andreas Wesselmann wahrscheinlich ein ganzes Buch mit seinen Erfahrungen füllen. Er hat sich dann aber doch dafür entschieden, seine ganz eigene Geschichte zu schreiben: Seit Oktober 2025 steht er als CEO von NFON an der Spitze eines Unternehmens, das Business-Kommunikation
smarter, sicherer und KI-getrieben neu denkt. Vom Konzern-Giganten zum europäischen Tech-Player: Andreas will beweisen, dass Europa bei Cloud, Daten und KI nicht nur aufholen, sondern vorangehen kann.

[André Patrzek]: Lass uns ganz vorne anfangen: Wie kann man sich den jugendlichen Andreas vorstellen – eher Technik-Nerd, Fußball-Fan, Klassenclown? Oder ganz anders? Und wie passt das zu dem, was Du heute bist?

[Andreas Wesselmann]: Ich war Technik-Nerd und gleichzeitig Leistungssportler – und natürlich auch Fußballfan. Schon mit zehn Jahren hatte ich meinen ersten Computer, einen Commodore VC20, später folgten der C64 und der Amiga 500. Ich habe damals angefangen zu programmieren und meine eigenen Computer zusammengebaut. Mit 13 Jahren begann ich außerdem mit Leistungssport, Mittelstrecke und Hindernislauf. Seit meiner Kindheit bin ich Bayern-München-Fan.

[AP]: Welche Eigenschaften haben dir deine Eltern oder dein Umfeld mitgegeben, die dich bis heute prägen?

[AW]: Von meinen Eltern habe ich früh gelernt, Verantwortung für meine Entscheidungen zu übernehmen. Sie haben mir immer viel Freiheit gelassen, aber gleichzeitig vermittelt, dass Eigenverantwortung dazugehört. Außerdem haben sie mir Offenheit für Neues mitgegeben – für Länder, Menschen und Kulturen. Und sie haben mir gezeigt, dass sich harte Arbeit lohnt. Das Leistungsprinzip war bei uns selbstverständlich.

[AP]: Du hast Mathematik und Informatik studiert. Was hat dich damals an diesen Fächern so gepackt – die Logik oder haben Zahlen für dich auch eine kreative Seite?

[AW]: Mich hat schon immer fasziniert, wie man komplexe Probleme durch Abstraktion und Logik lösen kann. Mathematik ist eine sehr kreative Disziplin – es geht nicht nur um Zahlen, sondern darum, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und einfache, elegante Lösungen zu finden. Diese Art, mit Komplexität umzugehen, hat mich bis heute geprägt.

[AP]: Du als Studienanfänger – hättest du dir deinen Weg so vorgestellt? Gab es Abweichungen oder Überraschungen?

[AW]: Nein, so habe ich mir meinen Weg damals nicht vorgestellt. Zu Beginn des Studiums hatte ich keine genaue Vorstellung davon, wo ich beruflich einmal landen würde. Mathematik war für mich eine gute Wahl, weil sie viele Türen offenhielt – von der Unternehmensberatung über IT bis hin zur Forschung. Ich wollte mir diese Freiheit bewusst erhalten.

[AP]: Du warst fast 27 Jahre bei SAP und hast dort viele Stationen durchlaufen und zentrale Themen vorangetrieben, z.B. im Bereich Cloud-Plattform, Big Data, HANA. Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?

[AW]: Besonders stolz bin ich auf den Einfluss, den meine Arbeit auf Kunden weltweit hatte. Die SAP Cloud Platform, die ich mit aufbauen durfte, war die Basis für viele Entwicklungen – unter anderem für die ERP Suite mit HANA. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, völlig neue Lösungen zu entwickeln, zum Beispiel im Bereich Big Data, und diese erfolgreich an den Markt zu bringen. Es war immer motivierend zu sehen, wie aus einer Idee etwas entsteht, das global Wirkung zeigt.

[AP]: Wie schwer war der Sprung vom Entwickler zum Leader – und was hast du auf dem Weg über dich selbst gelernt?

[AW]: Am Anfang war das nicht einfach. Als Entwickler denkt man oft sehr inhaltlich und lösungsorientiert. In einer Führungsrolle kommt jedoch eine andere Dimension hinzu – man wird anders wahrgenommen und trägt Verantwortung für Menschen, nicht nur für Themen. Ich habe gelernt, dass man sich selbst treu bleiben muss. Eine neue Rolle darf den eigenen Charakter und die eigenen Werte nicht verändern. Authentizität ist entscheidend.

[AP]: SAP und NFON könnten unterschiedlicher kaum sein – wolltest du den globalen Konzern bewusst gegen ein Scale Up tauschen

[AW]: Ja, das war eine sehr bewusste Entscheidung. Mich hat es schon immer gereizt, Veränderung aktiv zu gestalten und neue Wege zu gehen. Als die großen Sprachmodelle und generative KI aufkamen, war für mich klar: Das ist ein technologischer Umbruch, der vieles verändern wird. Als sich dann die Gelegenheit bot, diesen Wandel in der Business-Kommunikation aktiv zu gestalten, habe ich ohne Zögern „Ja“ gesagt.

[AP]: Was hat dich an NFON gereizt – die Technologie, die Freiheit oder der Reiz, etwas aufzubauen statt zu verwalten?

[AW]: Mich reizt vor allem die Möglichkeit, etwas zu gestalten, statt nur zu verwalten. NFON ist ein mittelständisches Unternehmen mit großem Potenzial, und ich sehe hier die Chance, es erfolgreich in die Zukunft zu führen. Gleichzeitig ist es mir wichtig zu zeigen, dass Innovation nicht nur aus dem Silicon Valley kommt, sondern auch in und aus Europa entstehen kann.

[AP]: Du bist 2024 als CTO gestartet, 2025 CEO geworden – wie hast du diesen Übergang erlebt?

[AW]: Der Übergang war eher fließend. Die Rolle als CEO baut auf meiner bisherigen Arbeit auf. Als CTO war ich bereits tief in Technologie, Produktentwicklung, Innovation und Strategie eingebunden. Mit der zusätzlichen Verantwortung für Vertrieb und Marketing sowie People & Culture hat sich die operative Breite erweitert, was die Arbeit abwechslungsreicher macht. Es ist eine spannende Entwicklung, die mir viel Freude bereitet.

[AP]: NFON positioniert sich als europäische Antwort auf US-Kommunikationsriesen. Wo siehst du die echten Chancen im Wettbewerb?

[AW]: Wir verstehen die Herausforderungen unserer Kunden sehr genau und bieten Lösungen, die sofort einsetzbar und praxisnah sind. Unser Ansatz ist nicht, große Projekte mit langen Implementierungszeiten aufzusetzen, sondern schnelle, messbare Ergebnisse zu liefern – in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern. Dafür haben wir gezielt eine eigene KI-Kompetenz aufgebaut und entwickeln eigenständige Lösungen, die auf europäische Werte und Anforderungen ausgerichtet sind.

„Wenn die Menschen das ‚Warum‘ verstehen und erste Erfolge sichtbar werden, entsteht schnell eine positive Veränderungsstimmung. Die ist entscheidend für Erfolg.“
Andreas Wesselmann
Andreas Wesselmann

[AP]: Euer Programm „NFON NEXT 2027“ steht für Wachstum, KI und Partner-Ökosysteme. Was ist die größte Herausforderung dabei – Kultur, Geschwindigkeit oder Fokus?

[AW]: Alles drei gleichzeitig. Bei dem Tempo der Veränderungen kann man das nicht der Reihe nach abarbeiten. Wichtig ist, die Menschen mitzunehmen – Mitarbeiter, Kunden und Partner.

[AP]: Welche harten Entscheidungen musstest du in deinen ersten Monaten treffen – und was hast du daraus gelernt?

[AW]: Ein Teil der Aufgabe war, Strukturen und Prozesse neu aufzustellen, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Dabei habe ich gelernt, dass Veränderungen leichter akzeptiert werden, wenn Menschen verstehen, warum sie notwendig sind. Sobald die ersten positiven Ergebnisse sichtbar werden, entsteht eine Dynamik, die Veränderungen beschleunigt und Motivation schafft.

[AP]: Nach fast drei Jahrzehnten Tech-Erfahrung: Welche Technologien siehst du heute als echte Gamechanger?

[AW]: Ganz klar die KI-Technologien – insbesondere die großen Sprachmodelle. Wir erleben zum ersten Mal eine Technologie, die eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz zeigt. Das wird unser Arbeiten und Leben in vielerlei Hinsicht verändern – mit großen Chancen, aber auch mit Herausforderungen.

[AP]: Wie verändert KI die Art, wie Unternehmen kommunizieren – intern wie extern?

[AW]: KI verändert Unternehmenskommunikation fundamental. Chat- und Voicebots übernehmen zunehmend erste Interaktionen und entlasten Mitarbeitende von Routineaufgaben. Gleichzeitig ermöglicht KI intern eine neue Form des Wissensaustauschs – Wissen wird demokratisiert, wie wir es beispielsweise mit unserer Lösung Nia sehen. Das führt zu höherer Produktivität und schnelleren Innovationszyklen.

[AP]: Und wo liegen die Schattenseiten von KI: Ethik, Datenabhängigkeit, Skill-Gaps? Wie gehst du damit um?

[AW]: Natürlich gibt es Risiken – im Bereich Cybersicherheit, im militärischen Einsatz oder durch möglichen Missbrauch von Macht. Auch auf individueller Ebene besteht die Gefahr, dass man aufhört, selbst zu denken und sich zu stark auf Systeme verlässt. Ich halte es für wichtig, KI aktiv zu nutzen, sie zu verstehen und kritisch zu reflektieren. Wer sie selbst einsetzt, erkennt schnell, wo sie hilft und wo Grenzen liegen. Eine positive, aber bewusste Haltung ist entscheidend.

[AP]: Wie wichtig ist Datensouveränität für euch als europäischer Anbieter – und wie sehr spüren Kunden diesen Unterschied?

[AW]: Datensouveränität ist für uns ein zentraler Punkt. Immer mehr Unternehmen legen Wert darauf, dass ihre Daten in der EU bleiben und dort verarbeitet werden. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob Entscheidungen über geschäftskritische Daten in Europa getroffen werden oder außerhalb. Das Bewusstsein dafür wächst spürbar.

[AP]: Welche blinden Flecken hat NFON aktuell – und wie willst du sie schließen?

[AW]: Wenn ich sie kennen würde, wären es keine blinden Flecken mehr. Entscheidend ist, sich diesen Gedanken bewusst zu machen und den selbstkritischen Blick zu bewahren. Nur so bleibt man lernfähig.

[AP]: Was bremst Wachstum stärker – Prozesse im Inneren oder der Markt draußen? Veränderungsbereitschaft – bei Unternehmen und im öffentlichen Bereich.

[AW]: Am Anfang war es beides. Deshalb haben wir zunächst unsere internen Prozesse angepasst, um agiler zu werden. Jetzt können wir uns stärker auf den Markt und unsere Innovationskraft konzentrieren. Beides gehört zusammen.

[AP]: Wo siehst du NFON in fünf Jahren – und was sind für dich die größten Chancen, aber auch Risiken?

[AW]: Ich sehe große Chancen durch die Veränderungen im Markt. Unternehmen, die schnell, agil und innovativ sind, werden profitieren – vor allem im Mittelstand. Das Risiko liegt darin, wichtige Trends zu verpassen. In einem dynamischen Markt kann das schnell zur Schwäche werden.

[AP]: Wenn du nicht in der Tech-Welt bist: Wie schaltest du ab, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen?

[AW]: Ich schalte am besten beim Sport ab – beim Joggen oder auf dem Mountainbike. Außerdem lese ich gern und verbringe Zeit mit meiner Familie. Das hilft, Abstand zu gewinnen und neue Energie zu tanken.

[AP]: Und zum Schluss: Was würdest du der nächsten Generation von Techies und Führungskräften gerne mitgeben?

[Andreas Wesselmann]: Begeisterung für das, was man tut, ist wichtiger als das konkrete Thema. Offenheit für Neues, Menschen und Technologien. Und eine positive Grundeinstellung.

[André Patrzek]: Danke, Andreas, für das offene Gespräch und die Einblicke, wie man mit Technikbegeisterung & Führungsstärke Unternehmen und Märkte aktiv gestaltet.

Das Interview führte André Patrzek für UnternehmerNEXT von Business Punk.

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  Unternehmer:

- Andreas Wesselmann

- CEO von NFON

- Background: Studium der Mathematik und Informatik, zuletzt Senior Vice President bei SAP

- Heute: Technologie-Experte & CEO der NFON AG

- Ziel: NFON als europäischen Vorreiter für sichere und KI-getriebene Business-Kommunikation etablieren


Unternehmen:

- Name: NFON AG

- Gründung: 2007

- Sitz: München

- Branche: Cloud-Telefonie / Kommunikationstechnologie


www.nfon.com
13. November 2025

Andreas Wesselmann

Vom SAP-Veteran zum NFON-CEO: Andreas Wesselmann über Wandel, KI und Leadership made in Europe

Nach fast drei Jahrzehnten bei SAP könnte Andreas Wesselmann wahrscheinlich ein ganzes Buch mit seinen Erfahrungen füllen. Er hat sich dann aber doch dafür entschieden, seine ganz eigene Geschichte zu schreiben: Seit Oktober 2025 steht er als CEO von NFON an der Spitze eines Unternehmens, das Business-Kommunikation
smarter, sicherer und KI-getrieben neu denkt. Vom Konzern-Giganten zum europäischen Tech-Player: Andreas will beweisen, dass Europa bei Cloud, Daten und KI nicht nur aufholen, sondern vorangehen kann.

[André Patrzek]: Lass uns ganz vorne anfangen: Wie kann man sich den jugendlichen Andreas vorstellen – eher Technik-Nerd, Fußball-Fan, Klassenclown? Oder ganz anders? Und wie passt das zu dem, was Du heute bist?

[Andreas Wesselmann]: Ich war Technik-Nerd und gleichzeitig Leistungssportler – und natürlich auch Fußballfan. Schon mit zehn Jahren hatte ich meinen ersten Computer, einen Commodore VC20, später folgten der C64 und der Amiga 500. Ich habe damals angefangen zu programmieren und meine eigenen Computer zusammengebaut. Mit 13 Jahren begann ich außerdem mit Leistungssport, Mittelstrecke und Hindernislauf. Seit meiner Kindheit bin ich Bayern-München-Fan.

[AP]: Welche Eigenschaften haben dir deine Eltern oder dein Umfeld mitgegeben, die dich bis heute prägen?

[AW]: Von meinen Eltern habe ich früh gelernt, Verantwortung für meine Entscheidungen zu übernehmen. Sie haben mir immer viel Freiheit gelassen, aber gleichzeitig vermittelt, dass Eigenverantwortung dazugehört. Außerdem haben sie mir Offenheit für Neues mitgegeben – für Länder, Menschen und Kulturen. Und sie haben mir gezeigt, dass sich harte Arbeit lohnt. Das Leistungsprinzip war bei uns selbstverständlich.

[AP]: Du hast Mathematik und Informatik studiert. Was hat dich damals an diesen Fächern so gepackt – die Logik oder haben Zahlen für dich auch eine kreative Seite?

[AW]: Mich hat schon immer fasziniert, wie man komplexe Probleme durch Abstraktion und Logik lösen kann. Mathematik ist eine sehr kreative Disziplin – es geht nicht nur um Zahlen, sondern darum, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und einfache, elegante Lösungen zu finden. Diese Art, mit Komplexität umzugehen, hat mich bis heute geprägt.

[AP]: Du als Studienanfänger – hättest du dir deinen Weg so vorgestellt? Gab es Abweichungen oder Überraschungen?

[AW]: Nein, so habe ich mir meinen Weg damals nicht vorgestellt. Zu Beginn des Studiums hatte ich keine genaue Vorstellung davon, wo ich beruflich einmal landen würde. Mathematik war für mich eine gute Wahl, weil sie viele Türen offenhielt – von der Unternehmensberatung über IT bis hin zur Forschung. Ich wollte mir diese Freiheit bewusst erhalten.

[AP]: Du warst fast 27 Jahre bei SAP und hast dort viele Stationen durchlaufen und zentrale Themen vorangetrieben, z.B. im Bereich Cloud-Plattform, Big Data, HANA. Gibt es etwas, worauf du besonders stolz bist?

[AW]: Besonders stolz bin ich auf den Einfluss, den meine Arbeit auf Kunden weltweit hatte. Die SAP Cloud Platform, die ich mit aufbauen durfte, war die Basis für viele Entwicklungen – unter anderem für die ERP Suite mit HANA. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, völlig neue Lösungen zu entwickeln, zum Beispiel im Bereich Big Data, und diese erfolgreich an den Markt zu bringen. Es war immer motivierend zu sehen, wie aus einer Idee etwas entsteht, das global Wirkung zeigt.

[AP]: Wie schwer war der Sprung vom Entwickler zum Leader – und was hast du auf dem Weg über dich selbst gelernt?

[AW]: Am Anfang war das nicht einfach. Als Entwickler denkt man oft sehr inhaltlich und lösungsorientiert. In einer Führungsrolle kommt jedoch eine andere Dimension hinzu – man wird anders wahrgenommen und trägt Verantwortung für Menschen, nicht nur für Themen. Ich habe gelernt, dass man sich selbst treu bleiben muss. Eine neue Rolle darf den eigenen Charakter und die eigenen Werte nicht verändern. Authentizität ist entscheidend.

[AP]: SAP und NFON könnten unterschiedlicher kaum sein – wolltest du den globalen Konzern bewusst gegen ein Scale Up tauschen

[AW]: Ja, das war eine sehr bewusste Entscheidung. Mich hat es schon immer gereizt, Veränderung aktiv zu gestalten und neue Wege zu gehen. Als die großen Sprachmodelle und generative KI aufkamen, war für mich klar: Das ist ein technologischer Umbruch, der vieles verändern wird. Als sich dann die Gelegenheit bot, diesen Wandel in der Business-Kommunikation aktiv zu gestalten, habe ich ohne Zögern „Ja“ gesagt.

[AP]: Was hat dich an NFON gereizt – die Technologie, die Freiheit oder der Reiz, etwas aufzubauen statt zu verwalten?

[AW]: Mich reizt vor allem die Möglichkeit, etwas zu gestalten, statt nur zu verwalten. NFON ist ein mittelständisches Unternehmen mit großem Potenzial, und ich sehe hier die Chance, es erfolgreich in die Zukunft zu führen. Gleichzeitig ist es mir wichtig zu zeigen, dass Innovation nicht nur aus dem Silicon Valley kommt, sondern auch in und aus Europa entstehen kann.

[AP]: Du bist 2024 als CTO gestartet, 2025 CEO geworden – wie hast du diesen Übergang erlebt?

[AW]: Der Übergang war eher fließend. Die Rolle als CEO baut auf meiner bisherigen Arbeit auf. Als CTO war ich bereits tief in Technologie, Produktentwicklung, Innovation und Strategie eingebunden. Mit der zusätzlichen Verantwortung für Vertrieb und Marketing sowie People & Culture hat sich die operative Breite erweitert, was die Arbeit abwechslungsreicher macht. Es ist eine spannende Entwicklung, die mir viel Freude bereitet.

[AP]: NFON positioniert sich als europäische Antwort auf US-Kommunikationsriesen. Wo siehst du die echten Chancen im Wettbewerb?

[AW]: Wir verstehen die Herausforderungen unserer Kunden sehr genau und bieten Lösungen, die sofort einsetzbar und praxisnah sind. Unser Ansatz ist nicht, große Projekte mit langen Implementierungszeiten aufzusetzen, sondern schnelle, messbare Ergebnisse zu liefern – in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern. Dafür haben wir gezielt eine eigene KI-Kompetenz aufgebaut und entwickeln eigenständige Lösungen, die auf europäische Werte und Anforderungen ausgerichtet sind.

„Wenn die Menschen das ‚Warum‘ verstehen und erste Erfolge sichtbar werden, entsteht schnell eine positive Veränderungsstimmung. Die ist entscheidend für Erfolg.“
Andreas Wesselmann
Andreas Wesselmann

[AP]: Euer Programm „NFON NEXT 2027“ steht für Wachstum, KI und Partner-Ökosysteme. Was ist die größte Herausforderung dabei – Kultur, Geschwindigkeit oder Fokus?

[AW]: Alles drei gleichzeitig. Bei dem Tempo der Veränderungen kann man das nicht der Reihe nach abarbeiten. Wichtig ist, die Menschen mitzunehmen – Mitarbeiter, Kunden und Partner.

[AP]: Welche harten Entscheidungen musstest du in deinen ersten Monaten treffen – und was hast du daraus gelernt?

[AW]: Ein Teil der Aufgabe war, Strukturen und Prozesse neu aufzustellen, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Dabei habe ich gelernt, dass Veränderungen leichter akzeptiert werden, wenn Menschen verstehen, warum sie notwendig sind. Sobald die ersten positiven Ergebnisse sichtbar werden, entsteht eine Dynamik, die Veränderungen beschleunigt und Motivation schafft.

[AP]: Nach fast drei Jahrzehnten Tech-Erfahrung: Welche Technologien siehst du heute als echte Gamechanger?

[AW]: Ganz klar die KI-Technologien – insbesondere die großen Sprachmodelle. Wir erleben zum ersten Mal eine Technologie, die eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz zeigt. Das wird unser Arbeiten und Leben in vielerlei Hinsicht verändern – mit großen Chancen, aber auch mit Herausforderungen.

[AP]: Wie verändert KI die Art, wie Unternehmen kommunizieren – intern wie extern?

[AW]: KI verändert Unternehmenskommunikation fundamental. Chat- und Voicebots übernehmen zunehmend erste Interaktionen und entlasten Mitarbeitende von Routineaufgaben. Gleichzeitig ermöglicht KI intern eine neue Form des Wissensaustauschs – Wissen wird demokratisiert, wie wir es beispielsweise mit unserer Lösung Nia sehen. Das führt zu höherer Produktivität und schnelleren Innovationszyklen.

[AP]: Und wo liegen die Schattenseiten von KI: Ethik, Datenabhängigkeit, Skill-Gaps? Wie gehst du damit um?

[AW]: Natürlich gibt es Risiken – im Bereich Cybersicherheit, im militärischen Einsatz oder durch möglichen Missbrauch von Macht. Auch auf individueller Ebene besteht die Gefahr, dass man aufhört, selbst zu denken und sich zu stark auf Systeme verlässt. Ich halte es für wichtig, KI aktiv zu nutzen, sie zu verstehen und kritisch zu reflektieren. Wer sie selbst einsetzt, erkennt schnell, wo sie hilft und wo Grenzen liegen. Eine positive, aber bewusste Haltung ist entscheidend.

[AP]: Wie wichtig ist Datensouveränität für euch als europäischer Anbieter – und wie sehr spüren Kunden diesen Unterschied?

[AW]: Datensouveränität ist für uns ein zentraler Punkt. Immer mehr Unternehmen legen Wert darauf, dass ihre Daten in der EU bleiben und dort verarbeitet werden. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob Entscheidungen über geschäftskritische Daten in Europa getroffen werden oder außerhalb. Das Bewusstsein dafür wächst spürbar.

[AP]: Welche blinden Flecken hat NFON aktuell – und wie willst du sie schließen?

[AW]: Wenn ich sie kennen würde, wären es keine blinden Flecken mehr. Entscheidend ist, sich diesen Gedanken bewusst zu machen und den selbstkritischen Blick zu bewahren. Nur so bleibt man lernfähig.

[AP]: Was bremst Wachstum stärker – Prozesse im Inneren oder der Markt draußen? Veränderungsbereitschaft – bei Unternehmen und im öffentlichen Bereich.

[AW]: Am Anfang war es beides. Deshalb haben wir zunächst unsere internen Prozesse angepasst, um agiler zu werden. Jetzt können wir uns stärker auf den Markt und unsere Innovationskraft konzentrieren. Beides gehört zusammen.

[AP]: Wo siehst du NFON in fünf Jahren – und was sind für dich die größten Chancen, aber auch Risiken?

[AW]: Ich sehe große Chancen durch die Veränderungen im Markt. Unternehmen, die schnell, agil und innovativ sind, werden profitieren – vor allem im Mittelstand. Das Risiko liegt darin, wichtige Trends zu verpassen. In einem dynamischen Markt kann das schnell zur Schwäche werden.

[AP]: Wenn du nicht in der Tech-Welt bist: Wie schaltest du ab, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen?

[AW]: Ich schalte am besten beim Sport ab – beim Joggen oder auf dem Mountainbike. Außerdem lese ich gern und verbringe Zeit mit meiner Familie. Das hilft, Abstand zu gewinnen und neue Energie zu tanken.

[AP]: Und zum Schluss: Was würdest du der nächsten Generation von Techies und Führungskräften gerne mitgeben?

[Andreas Wesselmann]: Begeisterung für das, was man tut, ist wichtiger als das konkrete Thema. Offenheit für Neues, Menschen und Technologien. Und eine positive Grundeinstellung.

[André Patrzek]: Danke, Andreas, für das offene Gespräch und die Einblicke, wie man mit Technikbegeisterung & Führungsstärke Unternehmen und Märkte aktiv gestaltet.

Das Interview führte André Patrzek für UnternehmerNEXT von Business Punk.