Tech & Trends Business Punk Research: Haben ChatGPT & Co. schon Markenstatus?

Business Punk Research: Haben ChatGPT & Co. schon Markenstatus?

Mit Business Punk Research starten wir ein neues Format, in dem wir relevante Zukunftsfragen nicht nur journalistisch begleiten, sondern selbst empirisch untersuchen. Für diese erste Ausgabe hat Prof. Dr. Günther Suchy für Business Punk eine eigene Pilotstudie durchgeführt – unabhängig, explorativ und wissenschaftlich fundiert.

Ziel: herauszufinden, ob KI-Systeme wie ChatGPT, Claude oder Meta AI schon heute Eigenschaften echter Marken entwickeln. Die Ergebnisse zeigen ein deutlich klareres Bild, als wir erwartet hatten.

Wenn KI zu einem Alltagsbegleiter wird – und plötzlich Marken baut

Künstliche Intelligenz ist 2025 längst kein Zukunftsszenario mehr. Sie ist überall in unserem Alltag: ChatGPT schreibt Businesspläne, Gemini organisiert Workflows, Claude klingt wie ein Literaturprofessor – und Perplexity beantwortet Fragen schneller, als wir sie tippen können. Diese Systeme sind keine Werkzeuge mehr, sondern digitale Sidekicks, die mit uns sprechen, reagieren, uns begleiten.

Genau deshalb rückt eine Frage ins Zentrum der Gegenwart, die früher nur in Uniseminaren gestellt wurde: Werden KI-Systeme bereits wie Marken wahrgenommen? Denn Marken entstehen nicht durch Logos, sondern durch wiederkehrende Signale. Und KI sendet Signale – in jedem Satz, jedem Prompt, jeder Nuance. Sie verhält sich. Sie hat Tonalität. Sie erzeugt Emotionen.

Damit wird KI zu etwas, das wir bisher nur aus der Markenwelt kannten: zu einer Persönlichkeit.

Warum Markenlogik plötzlich auch für KI gilt

Das Besondere an KI ist nicht ihre Intelligenz, sondern ihre Interaktionsfähigkeit. Sie spricht. Sie reagiert. Sie wählt Worte – und Worte wirken. Was früher Kampagnen strategisch aufgeladen haben, entsteht bei KI im Sekundentakt: ein Markenbild, das sich live formt und mit jedem Update verändert.

Markenführung ist damit kein langfristiges Corporate-Projekt mehr, sondern ein ständiger Begleiter im Alltag der Nutzer:innen. Jede Antwort wird zu einem Markenerlebnis. Das „Produkt“ ist die Persönlichkeit. Und die Identität eines Systems ist nicht statisch, sondern fließend – sie verändert sich mit dem Trainingsstand, der Version, der Interaktion. KI wird nicht benutzt. Sie wird erlebt.

Warum KI-Systeme schon jetzt wie Persönlichkeiten wirken

Wer mit unterschiedlichen Modellen arbeitet, erlebt sofort ihre Eigenheiten. ChatGPT klingt freundlich und hilfsbereit, Gemini pragmatisch und strukturiert, Claude reflektiert und empathisch, Perplexity sachlich und prüfend. Und Meta AI schwappt unübersehbar über alle Meta-Plattformen in unseren Alltag.


Das ist keine Nebensache. Es ist Markenbildung im Maschinenraum. Persönlichkeitscodes – und damit Markencodes – entstehen dort, wo Systeme konsistent wirken, wo Wiedererkennbarkeit entsteht, wo ein bestimmter Tonfall zur Routine wird.

Warum KI-Marken anders funktionieren als klassische Marken

Klassische Marken brauchen Zeit: wiederholte Botschaften, konsistente Designs, gezielte Kampagnen. KI funktioniert anders. Sie kommuniziert permanent – nicht geplant, sondern improvisiert. Ihr Markenbild entsteht im Dialog. Ihre Identität entwickelt sich im Takt der Updates. Und weil ihre Persönlichkeit algorithmisch erzeugt wird, ist Markenführung im KI-Zeitalter eine programmierbare Disziplin.
Das Ergebnis: KI bildet schneller, unmittelbarer und dynamischer eine Markenidentität aus, als es irgendein Produkt oder Unternehmen je konnte.

Die Business-Punk-Pilotstudie: Wie Nutzer:innen KI-Systeme wirklich als Marken wahrnehmen

Um zu verstehen, wie weit diese Entwicklung tatsächlich ist, hat Business Punk eine explorative Pilotstudie durchgeführt. 26 digital affine Nutzer:innen bewerteten elf führende KI-Systeme – nicht nach Leistung, sondern nach Markenwirkung: Wie global wirkt ein System? (Globalität) Und wie emotional oder charakterstark fühlt sich die Interaktion an? (Markenerlebnis).

Die Daten wurden in einer Perceptual Map (Positionierungsmatrix) verdichtet – einem klassischen Instrument der Markenforschung. Offene Fragen ergänzten das quantitative Bild und zeigten, welche Eigenschaften Nutzer:innen mit KI-Persönlichkeiten verbinden: Konsistenz, Tonalität, Wiedererkennbarkeit, Vertrauen und das intuitive Gefühl, dass eine KI „eine Art Persönlichkeit“ hat.

Der Business Punk KI-Markenkosmos 2025

Die Positionierungsmatrix: Wie Nutzer:innen ChatGPT, Claude & Co. als Marken wahrnehmen

Was der KI-Markenkosmos zeigt – die vier Linien im Markenraum

Die Positionierungsmatrix macht das Markenfeld überraschend klar sichtbar. Nutzer:innen erleben KI nicht als technisches Cluster, sondern als Markenlandschaft.

1. USA: Wo die KI-Superbrands entstehen

US-Modelle wie ChatGPT, Claude, Gemini und Meta AI dominieren das obere Feld der Globalität. Sie wirken sichtbar, international, präsent – und teilweise emotionaler, als man vermuten würde. Besonders Claude fällt durch sein reflektiertes, fast menschliches Auftreten auf. Meta AI profitiert von seiner Allgegenwärtigkeit in Instagram, WhatsApp und Messenger. Die USA setzen damit den globalen Ton.

2. Europa: technisch brillant, emotional blass

DeepL und Mistral/Le Chat performen präzise und kompetent, doch ihnen fehlt das markentypische Gefühl. Sie werden als Tools wahrgenommen – solide, aber ohne identitätsstiftende Tiefe. Funktion stark, Gefühl schwach.

3. China: regional verankert – mit Ausreißern

Ernie Bot, Doubao und DeepSeek bewegen sich eindeutig im unteren Bereich der Globalität. Dennoch zeigt Doubao punktuell mehr Emotionalität als erwartet – ein Hinweis darauf, dass regionale KI-Systeme durchaus eigene Markenprofile entwickeln können.

4. Die neutralen Performer: relevant, aber nicht markenprägend

Perplexity und Microsoft Copilot gehören zu den meistgenutzten Tools, doch sie wirken austauschbar. Sie liefern solide Ergebnisse, entwickeln aber kaum eine eigene Identität. Relevant – aber markenschwach.

Zwei Modelle stechen klar hervor:Über alle Cluster hinweg ragen zwei KI-Systeme heraus: Claude und Meta AI. Sie entwickeln eine emotionale Tiefe und Wiedererkennbarkeit, die an frühe „Lovebrands“ erinnert – Marken, zu denen Nutzer:innen eine echte Beziehung aufbauen.

Wie Nutzer:innen KI-Marken beschreiben

Die offenen Fragen im Fragebogen – etwa „Was macht für Sie eine KI-Marke aus?“ – zeigen ein bemerkenswert konsistentes Muster. Nutzer:innen beschreiben KI-Systeme mit genau den Begriffen, die seit Jahrzehnten den Werkzeugkasten der Markenforschung prägen: Tonalität, Konsistenz, Wiedererkennbarkeit, Vertrauen und ein spürbares „Charaktergefühl“.

Viele Teilnehmende sprechen von einer „Stimme“, einer „Art zu antworten“, von „Verlässlichkeit“ oder sogar „Persönlichkeit“. Genau diese qualitativen Antworten erklären, warum die Positionierungsmatrix so klar ausfällt:

KI wirkt markenhaft, wenn sie Wiedererkennbarkeit erzeugt. Und sie bleibt Tool, wenn sie austauschbar klingt.

Die qualitative Analyse liefert damit den Kontext zur Matrix – sie zeigt, warum Nutzer:innen bestimmte KI-Systeme als Marken wahrnehmen und andere nicht:
Marken entstehen nicht nur durch Sichtbarkeit, sondern durch Verhalten. Und KI verhält sich – ständig.

Ergebnisse der Business-Punk-Studie: KI ist eine „Brand in the Making“

Die Studie zeigt deutlich, dass KI-Systeme heute bereits zentrale Markeneigenschaften entwickeln: erkennbare Tonalitäten, wiederkehrende Verhaltensmuster, stabile Persönlichkeitsprofile, emotionale Resonanz und wachsende Differenzierung. Aus reinen Tools werden digitale Identitäten.

Die Landschaft sortiert sich klar:


Die USA dominieren global und emotional, Europa bleibt funktional und nüchtern, China ist regional verankert mit überraschenden emotionalen Ansätzen. Perplexity und Copilot bleiben zwar relevant, aber markenschwach. Und mit Claude und Meta AI entstehen die ersten echten emotionellen KI-Marken.

Damit verschiebt sich die entscheidende Frage: Nicht mehr ob KI Marken wird, sondern wer diese Marken künftig prägt – Unternehmen, Nutzer:innen oder die KI selbst?

Das sagt der Experte

Branding-Professor Christian Chlupsa ordnet diese Erkenntnisse im Business Punk-Interview ein: Marke entsteht durch Verhalten. KI verhält sich ständig. Vertrauen entsteht nicht durch Transparenz, sondern durch konsistente Interaktion. Und am Ende gewinnt immer die Marke, die emotional erreicht.

Zum Interview

Finale Einordnung von Business Punk: Warum KI die Superbrands der nächsten Dekade baut

Nach Studie, Analyse und Experteninterview zeigt sich ein eindeutiges Bild:

KI verändert Markenbildung nicht langsam, sondern explosionsartig. Was Unternehmen früher jahrelang aufbauen mussten – eine Stimme, eine Persönlichkeit, Vertrauen – entsteht bei KI in Echtzeit. Jede Antwort ist Branding. Jeder Dialog ist ein kleiner Markentrigger. Jede Nuance formt Identität. KI-Systeme sind längst keine neutralen Technologien mehr. Sie sind digitale Persönlichkeiten. Und diese Persönlichkeiten werden zu Marken. Damit verschieben sich die Spielregeln radikal:

  • Markenführung wird zur Systemführung.
  • Persönlichkeit wird zur Produktqualität.
  • Interaktion wird zum Markenhauptsitz.

Und die nächsten globalen Superbrands?

Sie heißen vielleicht nicht mehr Apple oder Tesla – sondern ChatGPT, Claude, Meta AI und Gemini. KI schreibt die Markenregeln neu. Schnell, laut und ohne auf Erlaubnis zu warten. Wer früh versteht, wie diese neuen Marken ticken, gestaltet die Branding-Welt der nächsten Dekade.


Methodik der Business Punk-Pilotstudie 2025

Die Studie wurde im Rahmen von Business Punk Research unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Günther Suchy durchgeführt. Der Forschungsansatz folgt dem typischen Design explorativer Markenstudien: nicht repräsentativ, aber methodisch solide, transparent und valide.

Verwendet wurden zwei etablierte Dimensionen der Markenforschung – Globalität und Markenerlebnis/Emotionalität – die anschließend in einer Positionierungsmatrix (Perceptual Map) visualisiert wurden. Der Fragebogen wurde von 26 digital affinen Teilnehmenden vom 12. bis 15. November 2025 ausgefüllt und kombiniert quantitative Skalen mit qualitativen, offenen Antworten (methodische Triangulation).

Die Stichprobe war bewusst auf digitale Power-User ausgerichtet (25–44 Jahre, berufliche Hintergründe aus Tech, Wirtschaft, Kreativindustrie und Forschung). Ein ergänzendes Experteninterview lieferte theoretische Rückbindung und fachliche Einordnung.