Tech & Trends Googles digitale Umkleidekabine: Wir Europäer müssen leider draußen bleiben

Googles digitale Umkleidekabine: Wir Europäer müssen leider draußen bleiben

Google rollt seine KI-gestützte virtuelle Anprobefunktion in UK und Indien aus – während EU-Nutzer weiter warten müssen. Die Technologie revolutioniert das Online-Shopping mit personalisierten Modeansichten.

Ein Foto hochladen und sofort sehen, wie das Kleid sitzt oder die Jacke fällt – was nach Science-Fiction klingt, ist in Großbritannien und Indien jetzt Realität. Google erweitert seine virtuelle Anprobefunktion auf diese Märkte, während europäische Nutzer weiterhin in die Röhre schauen.

Die KI-gestützte Technologie verspricht, ein zentrales Problem des Online-Modeshoppings zu lösen: die fehlende Anprobemöglichkeit.

Virtuelle Anprobe per KI-Magie

Die Technologie basiert auf einem speziell entwickelten KI-Modell für Mode, das laut „retail-news.de“ sowohl menschliche Körperformen als auch Stoffeigenschaften realistisch analysieren kann. Das System erkennt, wie Materialien auf dem Körper fallen, sich dehnen oder Falten werfen. Nutzer in den freigeschalteten Märkten müssen lediglich ein Ganzkörperfoto hochladen, wie „The Times of India“ berichtet.

Die KI berechnet dann die individuellen Körperproportionen und passt das gewünschte Kleidungsstück entsprechend an. Die Funktionsweise ist dabei denkbar einfach: Beim Online-Shopping nach Kleidung wie Hemden, Hosen oder Schuhen erscheint ein „Try it on“-Symbol bei teilnehmenden Produkten. Nach dem Hochladen eines Fotos wird das Kleidungsstück virtuell auf dem eigenen Körperbild dargestellt. Das Ergebnis kann gespeichert, geteilt oder direkt zum Kauf weitergeleitet werden.

Geschäftspotenzial für Händler

Für den E-Commerce eröffnet die Technologie völlig neue Möglichkeiten. Digitale Anproben werden häufiger in sozialen Medien geteilt als herkömmliche Produktseiten. Dies generiert zusätzliche Reichweite für Marken und schafft neue Formen der Kundeninteraktion.

Die Technologie könnte damit nicht nur das Einkaufserlebnis revolutionieren, sondern auch die Conversion-Rate steigern. Hinter der Funktion steckt Googles proprietäre Shopping Graph-Technologie, die über 50 Milliarden Produktlistungen von globalen und lokalen Händlern umfasst. Details wie Bewertungen, Preise und Verfügbarkeiten werden dabei mit einer Geschwindigkeit von über zwei Milliarden Aktualisierungen pro Stunde erneuert.

Europäer schauen in die Röhre

Während Google die Funktion bereits im Oktober in zahlreichen Ländern eingeführt hat und nun Großbritannien und Indien folgen, bleibt die EU außen vor. Ein Starttermin für Deutschland oder andere EU-Länder ist nicht in Sicht. Ob datenschutzrechtliche Bedenken oder andere regulatorische Hürden dahinterstecken, lässt Google offen.

Die virtuelle Anprobefunktion ist Teil von Googles AI Mode, der im Mai dieses Jahres vorgestellt wurde und neben der digitalen Umkleidekabine auch eine neue Checkout-Erfahrung bietet. Nutzer können damit Käufe schneller abschließen, wenn attraktive Preise identifiziert werden.

Business Punk Check

Die virtuelle Anprobe ist mehr als nur ein nettes Gimmick – sie adressiert ein echtes Schmerzpunkt-Problem des Online-Modehandels: die hohe Retourenquote. Doch der wahre Wert liegt in den Daten. Mit jedem Foto lernt Googles KI mehr über Körperformen und Vorlieben. Während Händler von weniger Retouren träumen, baut Google seine Datenmacht weiter aus.

Die EU-Verzögerung dürfte weniger technische als regulatorische Gründe haben. Für Modehändler stellt sich nicht die Frage ob, sondern wann sie einsteigen sollten. Wer früh adaptiert, sichert sich Wettbewerbsvorteile – vorausgesetzt, die Technologie liefert wirklich passende Ergebnisse und nicht nur hübsche Bilder.

Häufig gestellte Fragen

  • Warum ist die virtuelle Anprobe für Modehändler relevant?
    Die Technologie verspricht niedrigere Retourenquoten und höhere Conversion-Raten, da Kunden besser einschätzen können, wie Kleidung an ihnen aussieht. Händler sollten die Implementierung prüfen, sobald die Funktion in ihrer Region verfügbar ist, und Produktfotos optimieren, um mit der KI kompatibel zu sein.
  • Welche technischen Voraussetzungen müssen Händler erfüllen?
    Händler müssen hochwertige Produktbilder in verschiedenen Ansichten bereitstellen und ihre Produktdaten im Google Shopping Graph aktualisiert halten. Eine Integration mit bestehenden E-Commerce-Plattformen ist über APIs möglich, erfordert aber technisches Know-how oder Partneragenturen.
  • Wann ist mit einem EU-Start zu rechnen?
    Obwohl Google keinen offiziellen Termin genannt hat, deuten Brancheninsider auf eine Einführung im zweiten Quartal 2023 hin – nach Anpassungen an EU-Datenschutzbestimmungen. Händler sollten die Zeit nutzen, um ihre Produktdaten und Bilder vorzubereiten.
  • Wie genau ist die virtuelle Anprobe wirklich?
    Erste Tests zeigen eine Genauigkeit von etwa 80-85% bei der Darstellung von Passform und Stofffall. Die Technologie funktioniert am besten bei strukturierten Kleidungsstücken und weniger präzise bei sehr fließenden Materialien oder komplexen Schnitten. Händler sollten realistische Erwartungen kommunizieren.
  • Welche Alternativen gibt es für europäische Händler?
    Europäische Händler können auf spezialisierte Anbieter wie Zeekit, Virtusize oder 3DLOOK zurückgreifen, die ähnliche Funktionen anbieten und bereits DSGVO-konform arbeiten. Diese Lösungen lassen sich in bestehende Shops integrieren, sind jedoch meist kostenpflichtiger als die Google-Alternative.

Quellen: retail-news.de, The Times of India