Green & Generation EU kippt Verbrenner-Aus: Brüssels 180-Grad-Wende bei Autopolitik

EU kippt Verbrenner-Aus: Brüssels 180-Grad-Wende bei Autopolitik

Die EU-Kommission rudert zurück: Statt komplettes Verbrenner-Aus ab 2035 kommt eine 90-Prozent-CO₂-Reduktion. Ein politischer Kurswechsel mit massiven Auswirkungen für die Autoindustrie.

Die Autoindustrie kann aufatmen. Nach monatelangem politischen Tauziehen hat die EU-Kommission eine spektakuläre Kehrtwende vollzogen. Das für 2035 geplante vollständige Verbrenner-Aus wird gekippt. Stattdessen müssen Autohersteller den CO₂-Ausstoß ihrer Flotten „nur“ um 90 Prozent reduzieren. Laut „n-tv“ sollen die Details der neuen Regelung am kommenden Dienstag offiziell verkündet werden.

Der Kompromiss im Detail

Die nächtliche Verhandlungsrunde brachte den Durchbruch. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EVP-Chef Manfred Weber einigten sich auf eine grundlegende Änderung der Klimavorgaben für die Automobilindustrie. „Bei Neuzulassungen ab 2035 soll nun statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO₂-Ausstoßes für die Flottenziele der Automobilhersteller verpflichtend werden“, erklärte Weber gegenüber „Bild“.

Auch für die Zeit nach 2040 werde es kein 100-Prozent-Ziel geben. Die Bedeutung für die Industrie ist enorm: Alle derzeit in Deutschland produzierten Verbrennungsmotoren können weitergebaut und verkauft werden. Für die Autoindustrie bedeutet dies Planungssicherheit in Milliardenhöhe.Die EU hatte ursprünglich festgelegt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen.

Politischer Druck aus mehreren Richtungen

Der Kurswechsel kam nicht von ungefähr. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich klar für eine Lockerung des Verbrenner-Verbots positioniert. Zusätzlich erhöhten die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Polens Premier Donald Tusk mit einem gemeinsamen Brief den Druck auf Brüssel, wie „n-tv“ berichtet.

Weber betonte laut „Bild“, dass man damit zwei zentrale Versprechen einlöse: „Wir bleiben auf dem Weg der Klimaneutralität. Aber wir sorgen für Technologie-Neutralität.“ Dies sei ein wichtiges Signal an die gesamte Autobranche und sichere „zigtausende Industriearbeitsplätze“.

Technologieoffenheit statt Verbote

Die bisherigen EU-Pläne sahen vor, dass bis 2030 die Emissionen von Personenkraftwagen um 55 Prozent und die von Kleintransportern um 50 Prozent gegenüber 2021 sinken sollten. Der neue Ansatz setzt stärker auf Technologieoffenheit.

Merz hatte laut „Berliner Zeitung“ bereits im November angekündigt, sich für die Zulassung „hocheffizienter Verbrenner“ nach 2035 einzusetzen. Für Weber hat die Entscheidung auch eine politische Dimension. Das Thema eigne sich nun nicht mehr als „Angriffsfläche für AfD & Co.“, schreibt die „Bild“: „Für uns ist und bleibt das Auto ein Kultobjekt, kein ideologisches Kampfobjekt“.

Business Punk Check

Die EU-Kehrtwende ist ein klassischer politischer Kompromiss – mit Gewinnern auf beiden Seiten. Während Klimaschützer die 90-Prozent-Reduktion als Fortschritt verbuchen können, atmet die Autoindustrie auf. Doch der wahre Game-Changer liegt im Detail: Die Technologieoffenheit ermöglicht Investitionen in verschiedene Antriebskonzepte statt eines einseitigen E-Auto-Fokus.

Für den Mittelstand bedeutet das konkret: Zulieferer können ihre Verbrenner-Expertise weiterentwickeln, statt komplett umzusatteln. Gleichzeitig bleibt der Druck zur CO₂-Reduktion bestehen – was innovative Lösungen wie E-Fuels und Hybridtechnologien pushen wird. Die Entscheidung ist kein Freifahrtschein für die Industrie, sondern ein Realitätscheck für die Transformation. Wer jetzt clever kombiniert – Verbrenner-Know-how plus E-Mobilität – positioniert sich optimal.

Häufig gestellte Fragen

  • Was bedeutet die EU-Entscheidung konkret für Autohersteller?
    Autohersteller müssen bis 2035 den CO₂-Ausstoß ihrer Flotten um 90 statt 100 Prozent reduzieren. Dies ermöglicht weiterhin den Verkauf hocheffizienter Verbrenner und Hybridfahrzeuge, solange die Gesamtflotte die Ziele erreicht. Hersteller können nun ihre Entwicklungsbudgets breiter aufstellen statt alles auf E-Mobilität zu setzen.
  • Welche Auswirkungen hat die Entscheidung auf den Mittelstand und Zulieferer?
    Zulieferer gewinnen wertvolle Zeit für die Transformation. Statt eines abrupten Technologiewechsels können sie nun parallel Verbrenner-Komponenten optimieren und E-Mobilitätslösungen entwickeln. Besonders mittelständische Spezialisten für Motorentechnik profitieren von dieser Planungssicherheit.
  • Ist die Entscheidung ein Rückschlag für die Klimaziele?
    Nein, die 90-Prozent-Reduktion bleibt ein ambitioniertes Ziel. Die Entscheidung fördert jedoch einen technologieoffenen Ansatz, der neben Batteriefahrzeugen auch E-Fuels und hocheffiziente Hybridlösungen einbezieht. Entscheidend ist das Erreichen der CO₂-Ziele, nicht der Weg dorthin.
  • Welche Branchen profitieren besonders von dieser Entscheidung?
    Neben der klassischen Automobilindustrie profitieren besonders Entwickler von synthetischen Kraftstoffen, Spezialisten für Hybridantriebe und innovative Zulieferer, die an der Effizienzsteigerung von Verbrennungsmotoren arbeiten. Auch die Wasserstoffbranche könnte durch die Technologieoffenheit neuen Auftrieb erhalten.

Quellen: „n-tv.de“, „bild.de“, „Zeit“