Leadership & Karriere Meinung: Warum immer weniger Menschen eine Führungsposition anstreben

Meinung: Warum immer weniger Menschen eine Führungsposition anstreben

Eine Epidemie grassiert in den Unternehmen: Die FAZ verharmlost sie als „Manager*innen-Müdigkeit“. Dabei ist das Virus so schleichend wie gefährlich. Die Symptome laut einer Online-Umfrage der Boston Consulting Group: Nur noch sieben Prozent der deutschen Mitarbeiter*innen möchten eine Führungsposition übernehmen.

Und wer bereits im Management arbeitet, klagt über Stress (64 Prozent), findet seine Aufgaben schwieriger als früher (82 Prozent) oder fühlt sich überfordert (34 Prozent). 37 Prozent der Manager*innen wollen am liebsten überhaupt nicht mehr arbeiten – weit mehr als jede*r Dritte also.

Eine Vollkatastrophe. Denn ohne Führung kann kein System überleben. Wolfsrudel brauchen einen Leitwolf – Unternehmen und Teams eine*n Leader*in. Es ist ein existenzielles Problem, wenn wir Führungspositionen nicht mehr besetzen können.

Manager*innen im Fluchtmodus

Wie konnte es so weit kommen? War es nicht gestern noch der Traum von BWL-Student*innen, möglichst schnell in die Chefetage aufzusteigen? Wieso wird Führung plötzlich zur Zumutung? Ursachen gibt es viele, und sie sollten uns nicht überraschen.

Nehmen wir nur das oft angeprangerte Einhorndenken der Generationen Y und Z. „Du bist der wichtigste Mensch auf dem Planeten“, „Du darfst nicht zu kurz kommen“, „Du sollst alles haben, ohne dich anstrengen zu müssen“ – das sind die Botschaften, die ihre Eltern ihnen eingeimpft haben. Der Nachwuchs will den Führerschein machen? Aber klar doch, und das Auto gibt’s gleich obendrauf. Auch wenn die Noten nicht stimmen oder das Kind sich zu fein ist für einen Aushilfsjob? Logisch, es soll es schließlich besser haben.

So tritt der Nachwuchs häufig auch im Berufsleben an: Jede*r ist etwas Besonderes und verdient eine Sonderbehandlung. Verantwortung für sich selbst übernehmen – oder gar für andere? Fleiß? Engagement? Arschbacken zusammenkneifen und einfach mal was leisten, ohne gleich vorm Burnout zu bibbern? Den Kopf hinhalten, ein Risiko tragen? Die Yogastunde verpassen, weil sich das Chefmeeting mal wieder hinzieht? Fehlanzeige. Viele von den jungen Leuten wollen nur noch das Nötigste tun. Nach dem Abi brauchen sie erst mal ein Sabbatjahr zur Erholung. Kein Wunder also, dass Führungsjobs nicht in ihre Work-Life-Balance passen.

Digitalisierung? Was ist das?

Bei den älteren Generationen sieht es kaum besser aus. Keine Frage, als Führungskräfte haben sie sich ihren Allerwertesten aufgerissen und viel geleistet. Doch jetzt fehlt ihnen die Bereitschaft, sich den Herausforderungen durch Globalisierung und Digitalisierung zu stellen. Viele von ihnen wollen einfach nicht wahrhaben, dass wir uns im Zeitalter des Transformationszwangs bewegen. Lieber träumen die Herren und Damen Manager*innen von der Frührente. Man möchte sie schütteln: Macht endlich die Augen auf. Ist es denn wirklich zu viel verlangt, Leadership neu zu denken und die Umsetzung aktiv anzugehen?

Es ist doch offensichtlich: Wir haben nicht mehr die Wahl zwischen alten oder neuen Strategien. Die Probleme des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht mit den Methoden des 20. Jahrhunderts lösen. Nehmen wir zum Beispiel den Diesel. Es geht nicht darum, den Diesel zu „verbessern“, wie man uns vormachen will, sondern wir müssen ganz neu denken. Wer immer noch business as usual macht, wer verhaftet bleibt im Verbesserungsmodus, nur weil das bis jetzt so prima funktioniert hat, wird unweigerlich scheitern.

Die Faulheit sitzt auf dem Chefsessel

Führung ist nicht mehr das, was sie einmal war. Sie wird es auch nie wieder sein. Das ist Fakt. Heißt aber nicht, dass es gar keine Führung mehr gibt. Vielmehr wird sich die Rolle der Führungskraft drastisch verändern, auf eine Art, wie wir sie bisher nicht kannten. Denken wir nur an den Umgang mit Teams, die nicht mehr vor Ort sitzen, sondern in aller Welt verstreut. Wie geht das: Führen auf Distanz? Funktioniert das überhaupt, managen per Zoom-Meeting? Fragen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Und die längst nicht so neu sind, wie alle tun. Wir pflegen hierzulande ein antiquiertes Bild von Führung – und das ganz ohne Not.

Das macht die BCG-Studie so alarmierend: Sie entlarvt, dass die Verantwortlichen zu bequem sind, sich der Zukunft zu stellen, sich auf Neues einzulassen und Strategien zu entwickeln: Was kommt nach der Hierarchie? Wie könnte ein neues Verständnis von Führung aussehen, wie eine neue Haltung dazu und ein Umgang damit, ohne einzig das Agile zum heiligen Gral zu machen?

Sieht so aus, als müssten die Mülltonnen vor unserer Tür erst anfangen zu stinken, damit wir bereit sind, aus unserer Behäbigkeit aufzuwachen und die Sache anzupacken.

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