Random & Fun Warum unsere Kolumnistin Tijen Onaran ihrer Familie ständig ihren Job erklären muss

Warum unsere Kolumnistin Tijen Onaran ihrer Familie ständig ihren Job erklären muss

Als Gründerin, Speakerin und Netzwerkerin ist unsere Kolumnistin den ganzen Tag unter Leuten und freut sich darum auf Momente der Ruhe und Konzentration. Nur leider gibt es Menschen, die ihr das nicht gönnen.

Wirklich, ich liebe Familienfeiern! Ich genieße das alles: Das gute Porzellan steht auf dem Tisch, es duftet nach frisch gebackenem Kuchen und Kaffee. Die Verwandten unterhalten sich darüber, warum früher einfach alles besser war. Ja, wenn sie das nur tun würden!

Denn dank meiner stolzen wie mitteilungsfreudigen, in digitalen Dingen aber leider nur teilweise kundigen Mutter spielt mein Berufsleben, genauer, spielen Missverständnisse über mein Berufsleben oft eine viel zu prominente Rolle auf unseren Familienfeiern.

Onkel: „Deine Mutter hat mir ja schon erzählt, was du machst.“

Ich (zögerlich): „Ah, hat sie das?“

Onkel: „Ja, hat sie. Es geht um Google und so, nicht wahr?“

Ich: „Na ja, im weitesten Sinne.“

Onkel: „Das hast du erfunden, oder?“

Ich (wieder mal von meiner Familie überrascht): „Nein. Schön wär’s.“

So oder ganz ähnlich fängt der unvermeidliche „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Teil der Familienfeier an. Nur, dass der Titel bei uns lautet: „Licht aus, Spot an – Tijen erklärt ihren Beruf.“ Was gäbe ich in diesen Momenten darum, jetzt einfach „Ärztin“ sagen zu können oder „Lehrerin“. Ich aber sage: „Digitalexpertin“.

Nicht nur in meiner Familie können sich die meisten Leute darunter auf Anhieb nicht viel vorstellen. Zumal das, was ich täglich mache, sehr unterschiedlich ist und zu vielfältig, als dass es mit der klassischen Idee von einem Beruf überhaupt zu fassen wäre. Weil meine Eltern wie alle Eltern dazu neigen, meine Arbeit in sträflich verkürzter Form zu beschreiben – „Sie macht etwas mit Computern“ –, wird die Sache nicht einfacher. Aber ich kann dann ja meinem Onkel nicht einfach sagen: „Google mal ,Berufsbilder im digitalen Zeitalter‘, bitte.“

Ich weiß, dass ich mit meinem Problem nicht alleine bin. Viele Menschen mit Berufen wie meinem müssen ihren Familien mühsam erklären, woraus ihre tägliche Arbeit besteht und warum es sich dabei überhaupt um eine sinnvolle Tätigkeit handelt. Und wir Betroffenen zittern alle vor der Frage, die irgendwann immer kommt: „Und, was macht man da so?“

Dann folgen die Details, und es wird so richtig kompliziert, weil für viele Berufe schlicht die Vergleiche fehlen: Was entspricht in der Welt meines Onkels beispielsweise einem Product-Owner in einem Scrum-Team?

Die Situation hat sich weiter verschärft, seit ich ein Buch übers Netzwerken geschrieben habe, mit dem meine Mutter die gesamte Verwandtschaft versorgt hat. Danke, Mama, statt bei Familienfeiern zu entspannen und zuzuhören, was seit dem letzten Treffen passiert ist, kann ich nun nahtlos an meinen beruflichen Alltag anknüpfen: „Und was hat das jetzt eigentlich alles mit Frauen zu tun?“, fragt die Tante. Da beim Thema Gender und Diversität jeder eine Meinung und zum Teil leider sehr unterschiedliche Vorstellungen hat, ist der Fortgang des Abends absehbar.

Aber schlimmer geht bekanntlich immer. Als ich noch in der Politik tätig war, musste ich mich regelmäßig dafür rechtfertigen, was in Deutschland alles schieflief. Immerhin, das habe ich hinter mir.

Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass die Jüngeren in der Verwandtschaft an die Reihe kommen und bitte was Kompliziertes werden wollen, Informationspsychologen vielleicht. Hauptsache, nicht Lehrer oder Arzt.


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