Life & Style Der Moonshot: Wie die erste deutsche Frau ins All kommen soll

Der Moonshot: Wie die erste deutsche Frau ins All kommen soll

Bislang gab es noch keine deutsche Frau im All. Das will der Verein „Die Astronautin“ ändern. Wer sind die Macherinnen hinter einem der ambitioniertesten Projekte der Gegenwart?

Der Frust hat sich in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut, Stück für Stück. Denn seitdem arbeitet Claudia Kessler in der Raumfahrtbranche. Sie sah, dass seit Jahrzehnten Menschen ins All fliegen und auf dem Mond gelandet sind. Satelliten, Raumstationen, Sonden ins All gebracht haben. Nur eines nicht: eine deutsche Frau. „Wir sind die einzige Raumfahrernation, die mehr als drei Menschen im All hatte – aber eben keine Frau“, sagt Kessler. Sie hat beschlossen, dass dies sich zu ändern habe.

Eigentlich wollte sie ja selbst ins All. „Aber ich war entweder zu jung oder zu alt, als die Auswahlen stattfanden“, sagt sie. Ihren Traum will sie jetzt verwirklichen, indem sie einer anderen die Möglichkeit gibt, die sich ihr nicht bot. Kessler hat einen Plan. Was sie für dessen Umsetzung braucht: ein Netzwerk in der Weltraumbranche und das Wissen darüber, wie sich das Space-Business verändert.

Und das hat sich, seit Neil Armstrong und Buzz Aldrin 1969 als erste Menschen den Mond betreten haben, massiv verändert. Ob in Amerika, in Russland oder in Europa, seitdem übernehmen Weltraumagenturen den Weg ins All. Doch 2003 verglüht tragischerweise das Shuttle Columbia in der Atmosphäre. 2010 beschließen die USA, die Shuttle-Flotte komplett auszumustern. Sie geben damit ihre einzige Möglichkeit auf, Menschen selbst ins All zu fliegen. Um die Internationale Raumstation (ISS) zu erreichen, sind die Amerikaner nun auf Russland angewiesen.

Insa Thiele-Eich will als erste deutsche Frau zur ISS fliegen. Hier absolviert sie einen Parabelflug als Teil ihrer Ausbildung, die sie übrigens neben dem Beruf macht. Foto: Die Astronautin

Nur: Das Ende des Shuttleprogramms schafft auch Raum für Neues, und das gibt Kessler Mut. Denn mit dem Ausstieg der Nasa sind private Unternehmen ins Rennen eingestiegen und entwickeln Raketen. Sobald die erst einmal fliegen, können Nasa oder auch die Europäische Weltraumagentur (Esa) darin Sitze für Astronautinnen und Astronauten buchen. Doch nicht nur für sie, am Ende gilt in der Privatwirtschaft: Wer zahlt, fliegt.

Raumfahrt wird ein Geschäft wie jedes andere auch. Und 2021 soll die erste kommerzielle astronautische Mission zur ISS starten.

Für Kessler ergibt sich an dieser Stelle die Möglichkeit zum Systemhack. Über den Weg der privaten Raumfahrt will sie eine Astronautin zur ISS bringen – an der Esa vorbei. Jetzt braucht sie nur noch zwei Dinge: Geld. Und eine Kandidatin.

2014 fliegt mit Alexander Gerst wieder ein Mann zur Raumstation. Er löst einen Hype aus, mit dem schon fast niemand mehr gerechnet hat. Kessler denkt: „Das kann man nur noch toppen, wenn jetzt auch eine Frau ins All fliegt.“ Sie beginnt zu verhandeln. Mit allen, die in der Branche etwas zu sagen haben. Mit Weltraumagenturchefs und Regierungsmitgliedern. Überall wird ihr recht gegeben. Aber sie muss auch hören, dass es in Deutschland keine geeignete Frau gebe.

Als Kessler sich daran erinnert, lacht sie. Aber ein Witz ist das nicht. „Ich habe mir das zwei Jahre lang angehört. Dann war klar, dass ich so nicht weiterkomme.“ Damals war Kessler Geschäftsführerin einer Personalfirma für Raumfahrtingenieure, arbeitet eng mit der Esa zusammen, mit Airbus und mit fast allen anderen Großen der Branche. Wenn jemand etwas ändern kann, dann sie. Sie schreibt eine Stelle aus: Astronautin gesucht.

Die Resonanz ist groß, Medien berichten über die Initiative. Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit hat funktioniert. Nur: Politik und Raumfahrtagenturen reagieren nicht. „Ich dachte, alle sind froh, dass es endlich die nötige Aufmerksamkeit gibt und die richtigen Stellen einsteigen.“

Sie macht alleine weiter und gründet die Stiftung erste deutsche Astronautin. Sie soll die Astronautinnen auswählen, ausbilden und ins All bringen, den Flug und die wissenschaftlichen Experimente, die die Astronautin auf der ISS machen wird, organisieren. Die Astronautin GmbH soll dann die Initiative vermarkten und so das nötige Geld beschaffen.

Man kann über den Verein Die Astronautin eine Mission ins All buchen. Man kann Elemente aus dem Astronautinnen-Auswahlprozess für seinen Recruitingprozess nutzen. Es gibt Touren zu Raumfahrtzentren, Parabelflüge oder ein Astronauten-Training im Angebot. Um das Business entsteht also ein weiteres Business.

Suzanna Randall und Insa Thiele-Eich haben sich durchgesetzt. Wer von den beiden als erste zur ISS darf, ist noch nicht klar. Fliegen sollen aber beide. Foto: Die Astronautin

Und für Kesslers Moonshot gibt es ausreichend Bewerberinnen. Suzanna Randall, Astrophysikerin, und Insa Thiele-Eich, eine Meteorologin, setzen sich am Ende durch. Eine von ihnen wird 2021 zur ISS starten. Beide beginnen ihre Ausbildung. „Wir haben einen Trainer von der ESA, der inzwischen im Ruhestand ist“, sagt Kessler. Das Training findet „mobil“ statt. Wenn Geld da ist, geht es weiter – neben dem Beruf.

Die Unterwassertrainings werden in Marseille absolviert. Dort werden die Astronautinnen in einen Raumanzug gesteckt und auf ein Sechstel Schwerkraft austariert. Das simuliert den Mond. Im Sternenstädtchen nahe Moskau, dem Ausbildungszentrum für russische Kosmonauten, haben Randall und Thiele-Eich Parabelflüge absolviert; im ISS-Nachbau in Bremen können dann Missionen durchgespielt werden. Den Flugschein gibt es in Friedrichshafen. Das deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum überwacht die Astronautinnen medizinisch.

All das neben Beruf und Familie. Warum macht jemand das? 

Insa Thiele-Eich: Ich möchte ins All, schon seit ich klein war. Da hat mein Vater mir am Nachthimmel die Andromeda-Galaxie gezeigt. Das es über unsere eigene Galaxie hinaus noch andere Galaxien gibt, fasziniert mich bis heute. 

Seitdem wollen Sie ins All? 

Ja. Mein Vater war Astronaut, und so bin ich in der Raumfahrtgemeinschaft groß geworden. Das ist eine riesengroße Familie – Raumfahrt ist nicht nur ein Mensch im All, das sind Tausende, die eine Vision haben, und das steckt unweigerlich an.

Wie wird man Astronautin oder Astronaut, wenn man nicht in der Raumfahrerfamilie aufwächst? 

Egal ob Raumfahrerkind oder nicht: ein naturwissenschaftlicher Hintergrund ist von Vorteil. Aber zukünftig wird sich der Weltraum für viele andere Berufe öffnen, sicher auch  für Künstler*innen. 

Warum sollen die ins All fliegen?

Viele Teile der New Space, oder Raumfahrt 4.0 Bewegung legen großen Wert darauf, den Weltraum für alle zugänglich zu machen. Und besonders bei dem Erzählen des Erlebten ist ein Einbinden von Kunst sicher sehr hilfreich.  

Eine deutsche Frau ins All zu bringen ist ihr Moonshot: Claudia Kessler ist der Kopf hinter der Initiative Die Astronautin. Foto: Die Astronautin

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