AnlagePunk Achtung Anleger: Ruhe vor dem Sturm

Achtung Anleger: Ruhe vor dem Sturm

Sander Tordoir, Chefökonom beim Centre for European Reform warnt: „Es scheint nun tatsächlich eine echte Sicherheitsprämie auf deutsche Staatsanleihen gelegt zu werden.“ Diese Aussage zeigt: Obwohl deutsche Staatsanleihen weiterhin als „sicherer Hafen“ gelten, wächst mit der Neuverschuldung auch die Unsicherheit – Anleger beginnen, ihre Positionen neu zu bewerten.

Und dann die Vereinigten Staaten, der Koloss, der das globale Finanzsystem trägt – und der zugleich gefährlich wankt. Die US-Staatsverschuldung kratzt an der 35-Billionen-Dollar-Marke. Jedes Jahr ringt der Kongress in einem absurden Ritual um die Anhebung der Schuldenobergrenze, nur um dann doch wieder den Weg frei zu machen für mehr Kreditaufnahme.

USA: Der wankende Koloss

US-Präsident Donald Trump hat durch seine jüngste Gesetzesinitiative, der sogenannten „One Big Beautiful Bill“, Besorgnis ausgelöst: Laut dem Congressional Budget Office (CBO) würde das Gesetz in den nächsten zehn Jahren etwa 2,4 Billionen Dollar an zusätzlichen Schulden generieren. Neben Steuerkürzungen und Ausgabensteigerungen drohen laut Berichten der Ratingagentur Moody’s ein erheblicher Anstieg der Zinslast, steigende Anleiherenditen – und eine herabgestufte Kreditwürdigkeit. Selbst S&P, das die US-Bonität zuletzt bestätigt hat, führt als Risiko den massiv gestiegenen Schuldenberg und drohende politische Blockaden im Haushalt an.

Hedgefonds-Gründer Ray Dalio warnt in einem Interview: Er sehe in Trumps Eingriffen in die Geldpolitik und die Fed-Unabhängigkeit sowie im Anstieg der Ausgaben eine drohende Schuldenkrise innerhalb der nächsten drei Jahre. Doug Holtz-Eakin, prominenter Volkswirtschaftler und Gründer des American Action Forum, äußerte sich deutlich kritisch zu den Schuldenbegleiterscheinungen unter Trump. Sie sei „inkohärent und schädlich“, insbesondere im Hinblick auf Tarife, Inflationsentwicklung und die Glaubwürdigkeit der US-Wirtschaftspolitik. Dass Holtz-Eakin ein ehemaliger Trump-Unterstützer ist, macht seine mahnende Stimme umso bemerkenswerter und belastbarer.

Besonders gefährlich ist, dass amerikanische Staatsanleihen traditionell als „risk-free asset“ gelten – das Fundament, auf dem Banken, Fonds und Versicherungen weltweit ihre Portfolios bauen. Wenn Investoren beginnen, an dieser Risikofreiheit zu zweifeln, dann geraten die globalen Aktienmärkte ins Rutschen.

Was aber verbindet die scheinbar abstrakten Staatsschulden mit den vibrierenden Aktienmärkten? Es ist das fragile Geflecht von Vertrauen, Zinsen und Liquidität. Hohe Staatsschulden bedeuten, dass Regierungen immer mehr Anleihen ausgeben. Steigt die Unsicherheit über die Rückzahlung, fordern Investoren höhere Zinsen. Diese Zinsen wiederum verteuern die Refinanzierung der Staaten – und entziehen den Märkten Geld, das sonst in Aktien geflossen wäre. Unternehmen müssen sich teurer verschulden, Investitionen brechen ein, Gewinne sinken. Die Folge: fallende Kurse. „Die steigenden Staatsverschuldungen weltweit treiben die Renditen nach oben und erhöhen die Marktvolatilität, sofern keine glaubwürdigen Reformen durchgesetzt werden“, warnte die Financial Times an diesem Wochenende ihre Weltfinanzgemeinde.

Die Geschichte kennt diese Momente. 1929 begann der große Börsencrash im Oktober, doch die nervösen Vorboten spürte man bereits im September. 2001 erschütterten die Terroranschläge die Märkte – der September stand für Panik und Unsicherheit. 2008 kollabierte Lehman Brothers mitten im September und löste die größte Finanzkrise seit Jahrzehnten aus.

Nun also 2025. Wieder ist es September, wieder ziehen dunkle Wolken auf. Anleger erinnern sich an die Historie – und fürchten, dass sich das Muster wiederholt. Die Märkte tanzen noch. Doch es ist ein nervöses Trippeln, weil die Staatsschulden wie ein Monster im Hintergrund wachsen, das nur auf seinen Auftritt wartet. Frankreich könnte der Auslöser sein, die USA der Brandbeschleuniger und Deutschland das Opfer seines eigenen Selbstbilds.

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