Brand & Brilliance Der LAP-Aufstand: Discount-Kaffee für 2,50 Euro und ein Kulturkampf, der eskaliert

Der LAP-Aufstand: Discount-Kaffee für 2,50 Euro und ein Kulturkampf, der eskaliert

Die Kaffeekette LAP sorgt mit Discount-Preisen für Kulturkampf in deutschen Metropolen. Während Aktivisten Filialen attackieren, sehen andere im Preiskampf einen nötigen Weckruf für die Branche.

In Berlin stehen Menschen Schlange für einen Cappuccino zu 2,50 Euro. Die Kaffeekette LAP (Life Among People) hat innerhalb eines Jahres 24 Filialen in Berlin, Hamburg und München eröffnet und sorgt für heftige Kontroversen. Während die einen die günstigen Preise feiern, sehen andere darin eine existenzielle Bedrohung für die lokale Café-Kultur. Die Debatte reicht weit über Kaffeepreise hinaus – es geht um Wirtschaftsmodelle, Stadtentwicklung und die Frage, wie innovationsfreundlich Deutschland wirklich ist.

Kulturkampf mit Farbbeuteln

Der Konflikt hat längst die Straße erreicht. Mehrere LAP-Filialen wurden mit roter Farbe attackiert, wie die Berliner Polizei bestätigte. Hinter den Angriffen steckt laut „de.euronews.com“ eine Gruppe, die sich selbst als „Zusammenschluss von Aktivist*innen, viele davon auch sonst stadtpolitisch gegen hohe Mieten, Ausgrenzung und Verdrängung aktiv“ beschreibt.

Auf ihrer Website „lapcoffeescheiße“ erheben sie schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen – von Ausbeutung bis zur Verhinderung gewerkschaftlicher Organisation. Die Gründer Ralph Hage und Tonalli Arreola, beide mit Vergangenheit in der Tech-Szene bei Unternehmen wie Delivery Hero und Flink, werden für ihre Startup-Mentalität kritisiert. Für ein Gespräch forderten die Aktivisten von Hage, er solle 80 Prozent seines Vermögens für den Aufbau von Mitbestimmungsstrukturen spenden – eine Forderung, die den Konflikt zwischen traditioneller Gastronomie und Startup-Ökonomie verdeutlicht.

Preiskampf als Geschäftsmodell

Das Konzept von LAP ist radikal einfach: minimalistisches Design, kaum Sitzplätze, Kaffee aus Vollautomaten und Preise, die deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegen. In Szenevierteln, wo andere Cafés bis zu sechs Euro für einen Cappuccino verlangen, wirkt der 2,50-Euro-Preis von LAP wie eine Kampfansage. Philipp Reichel, Betreiber des Isla Coffee in Neukölln, sieht darin eine Gefahr: „Wir versuchen seit Jahren zu zeigen, wie wertvoll Kaffee ist und warum er seinen Preis hat“, erklärte er gegenüber dem rbb.

Die Sorge: LAP könnte mit seiner aggressiven Preisstrategie etablierte Cafés verdrängen und die gastronomische Vielfalt reduzieren. LAP-Gründer Hage verteidigt sein Konzept gegenüber „de.euronews.com“: „Hinter LAP stehen keine großen Tech-Unternehmen, wir streben kein Monopol an und, das ist das Wichtigste, wir konkurrieren mit Ketten und Kapselanbietern, ohne die lokale Kaffeeszene schädigen zu wollen.“ Er argumentiert, dass sein Angebot den Markt eher belebe als schädige.

Weckruf für die Branche

Interessanterweise sehen selbst kritische Stimmen in LAP auch eine Chance zur Selbstreflexion. Reichel räumt ein: „Es ist auch ein Weckruf. Wir müssen schauen, wie wir unsere Prozesse effizienter und digitaler machen können. Und wie wir unsere Werte besser kommunizieren“, so der Café-Betreiber laut „de.euronews.com“. Diese Einschätzung teilt auch Leoni Lencinas, Betreiberin des Berliner Frühstückscafés „A never ever ending love story“.

Sie betrachtet den Wettbewerb pragmatisch und sieht darin eine Chance: „Ich kann es mir als Anlass nehmen, mir zu überlegen, was mich eigentlich ausmacht und wie ich es schaffe, meine Kunden bei mir zu behalten“, erklärt sie laut „de.euronews.com“. Für sie zeigt sich an solchen Herausforderungen, „wo sich die Spreu vom Weizen trennt“. Die Kritik an der Finanzkraft der Gründer kann sie nicht nachvollziehen. „Es steht jedem frei, eine Idee zu pitchen und Investoren zu finden“, betont sie.

Zwischen Innovation und Tradition

Die LAP-Debatte wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie innovationsfreundlich ist Deutschland wirklich? Wie viel Disruption verträgt der Mittelstand? Der Marktforscher Arnd Zschiesche sieht keine akute Gefahr für die Branche. Dem NDR erklärte er, LAP bediene eine völlig andere Zielgruppe als etablierte Kiez-Cafés. Autor und Podcaster Micky Beisenherz kritisierte in seiner Stern-Kolumne die „erfrischende Leblosigkeit“ der LAP-Filialen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

Für ihn symbolisieren die minimalistischen Cafés einen allgemeinen Verlust an Sinnlichkeit im Alltag. Trotz aller Kritik: Mit nur 24 Filialen gegenüber über 1100 Cafés allein in Berlin bleibt LAP ein kleiner Akteur. Die Debatte um das Unternehmen wirkt daher fast überproportional zur tatsächlichen Marktmacht – zeigt aber, wie sensibel das Gleichgewicht zwischen Innovation und Tradition in der deutschen Wirtschaft ist.

Business Punk Check

Der LAP-Konflikt offenbart ein typisch deutsches Wirtschaftsdilemma: Wir wollen Innovation, aber bitte ohne Disruption. Während in anderen Ländern Preiskämpfe als normaler Marktmechanismus gelten, wird in Deutschland schnell ein Kulturkampf daraus. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte: LAP ist weder Heilsbringer noch Branchenkiller. Mit 24 Filialen gegenüber über 2000 Cafés in den Zielstädten bleibt der tatsächliche Markteinfluss überschaubar.

Der eigentliche Wert der Debatte liegt in der Selbstreflexion, zu der sie die Branche zwingt. Etablierte Cafés müssen ihre Alleinstellungsmerkmale schärfen und Prozesse optimieren – genau wie jedes andere Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt. Die deutsche Wirtschaft braucht mehr Gelassenheit gegenüber neuen Geschäftsmodellen und weniger reflexhafte Abwehrreaktionen. Nur so bleibt sie langfristig wettbewerbsfähig.

Häufig gestellte Fragen

  • Stellen Discount-Kaffeekonzepte wie LAP tatsächlich eine existenzielle Bedrohung für traditionelle Cafés dar?
    Nein, Markenforscher bestätigen, dass LAP eine andere Zielgruppe anspricht als traditionelle Kiez-Cafés. Mit nur 24 Filialen gegenüber über 2000 Cafés in den Zielstädten bleibt der Markteinfluss begrenzt. Etablierte Cafés sollten den Wettbewerb als Anlass zur Schärfung ihres eigenen Profils nutzen.
  • Wie können traditionelle Cafés auf preisaggressive Wettbewerber reagieren, ohne selbst die Preise senken zu müssen?
    Erfolgreiche Cafés setzen auf klare Differenzierung: Spezialitätenkaffee mit nachvollziehbarer Wertschöpfungskette, authentische Atmosphäre, Community-Building und Zusatzangebote wie Workshops oder Events. Digitalisierung von Bestellprozessen und effizienteres Backoffice-Management können zudem Kosten senken, ohne die Qualität zu beeinträchtigen.
  • Was sagt die LAP-Debatte über die Innovationsfähigkeit des deutschen Mittelstands aus?
    Die heftige Reaktion auf LAP zeigt eine typisch deutsche Innovationsambivalenz: Wir wollen Fortschritt, aber ohne Disruption bestehender Strukturen. Mittelständische Unternehmen müssen lernen, neue Geschäftsmodelle nicht reflexhaft abzulehnen, sondern als Impuls zur eigenen Weiterentwicklung zu verstehen. Länder mit dynamischeren Wirtschaftssystemen zeigen deutlich mehr Gelassenheit gegenüber Marktveränderungen.
  • Welche wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen braucht es, um sowohl Innovation als auch traditionelle Geschäftsmodelle zu fördern?
    Eine ausgewogene Wirtschaftspolitik muss beide Seiten stärken: Einerseits Gründerförderung und Risikokapital für Innovatoren, andererseits gezielte Unterstützung für kleine Betriebe bei Digitalisierung und Modernisierung. Wichtig sind dabei faire Wettbewerbsbedingungen ohne übermäßige Regulierung, aber mit Schutz vor Monopolbildung und Preisdumping.

Quellen: „it-boltwise.de“, „de.euronews.com“, „Süddeutsche Zeitung“