Brand & Brilliance Ein Logistik-Unternehmen, das auf 500 Jahre Firmenchronik zurückblickt

Ein Logistik-Unternehmen, das auf 500 Jahre Firmenchronik zurückblickt

Bereits vor 500 Jahren transportierten Boten von Lindau nach Mailand Waren und Reisende. Sie waren die Vorfahren einer Eigentümerfamilie, die noch heute in dem Gewerbe tätig ist.

Als vor über 500 Jahren Boten von Lindau nach Mailand Waren, Korrespondenzen und Reisende transportierten, waren die Wege rau, die Zölle zahlreich und die Alpen eine natürliche Barriere. Diese sogenannten Lindauer Boten waren die Vorfahren einer Familie, die bis heute in der Logistik tätig sind.  

Es geht um das Unternehmen Gebrüder Weiss. Es ist nicht nur bis heute im Familienbesitz, sondern gilt als das älteste Logistikunternehmen der Welt. Seine Geschichte begann in Fussach am Bodensee, als die Lindauer Boten (italienisch: Corriere di Lindo) im Jahr 1487 zwei bedeutende Handelszentren verbanden: Lindau in Deutschland und Mailand in Italien. Die Route führte über Fussach, Chur und den 2.100 Meter hohen Splügenpass nach Como und weiter nach Mailand. 

In dieser Zeitspanne vom 15. Jahrhundert bis heute zeigt sich, dass Logistik weit mehr ist als reiner Gütertransport. Sie ist ein systemisches Netzwerk, in dem Produktion, Konsum, Infrastruktur sowie Innen- und Außenpolitik eng miteinander verknüpft sind. Unternehmen wie Gebrüder Weiss sorgen dafür, dass dieses Netzwerk funktioniert. Mittlerweile ist der Logistiker mit 180 Standorten in 34 Ländern rund um den Globus aktiv. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 begann die Firma, ein dichtes Netz von Niederlassungen und Transportrouten in Südosteuropa aufzubauen. Ein zentraler Bestandteil davon ist die Landesorganisation in Kroatien, die 2025 ihr 25-jähriges Bestehen feiert.  

Als Gebrüder Weiss Kroatien 2010 mit rund 40 Mitarbeitenden in gemieteten Räumen startete, „arbeiteten wir noch mit Fax, viel Papier und Telefon. Alles war langsamer“, sagt Barbara Bujačić, Geschäftsführerin der kroatischen Tochtergesellschaft. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Gebrüder Weiss in Kroatien einmal so groß werden würde.“ Der Schritt nach Kroatien war strategisch klug: hinein in eine Region mit aufstrebender Infrastruktur, EU-Anbindung und Lage zwischen Westeuropa und Südosteuropa. Zugleich lag das Land außerhalb der Zollunion, die Administrationskosten waren hoch und Digitalisierung praktisch kaum vorhanden. 

Kroatien als strategischer Knotenpunkt

Heute verfügt das Unternehmen über Logistikterminals mit über 24.000 Quadratmetern Lagerfläche, ein Cross-Dock-Zentrum und digitalisierte Prozesse. An den drei Standorten in Zagreb, Rijeka und Split bietet das Unternehmen Lösungen in den Bereichen Landverkehr, Logistiklösungen, Luft- und Seefracht an. Die Marke Gebrüder Weiss ist in Kroatien etabliert. 

Die 192 Mitarbeitenden sind Teil eines Netzwerks, in dem Logistikservices eng mit Themen wie Nachhaltigkeit, Innovation, Personalentwicklung und Marketing verzahnt sind. 

Bujačić erinnert sich: „Wir mussten Vertrauen aufbauen, sowohl bei internationalen Kunden als auch bei lokalen Partnern. Es war nicht selbstverständlich, dass man einem österreichischen Unternehmen mitten in der Privatisierungsphase des Landes so viel Vertrauen entgegenbrachte.“ Diese frühe Marktpräsenz ermöglichte es, die wirtschaftliche Öffnung Kroatiens zu begleiten und die Position im Adria-Raum zu festigen. 

Das logistische Drehkreuz für Transporte im nordadriatischen Raum ist der 2019 errichtete Logistikterminal in Sveta Nedelja bei Zagreb, der kürzlich erweitert wurde. Automatisierte Gates, Scanner für Echtzeittracking, integrierte IT-Plattformen und eine intelligente Lagersteuerung sorgen für transparente und effiziente Warenströme. Der Terminal wurde so konzipiert, dass er flexibel auf saisonale Schwankungen reagieren kann – durch effiziente Kapazitätsplanung und -nutzung. Bujačić erklärt: „Wir erleben im Frühjahr und Herbst Spitzenzeiten, besonders durch die Tourismusindustrie und den Handel. Der neue Terminal erlaubt uns, diese Schwankungen auszugleichen, indem wir Prozesse vorausschauend planen und Daten in Echtzeit analysieren.“ Ein Geschäftsbereich ist von diesen Schwankungen besonders betroffen: die Endkundenbelieferung. Aufgrund des E-Commerce-Booms bleibt in der Tourismusregion entlang der Adria die Nachfrage nach Home Delivery-Services hoch.

Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Verantwortung

Um nachhaltig zu wachsen, verbindet das Unternehmen Ökonomie mit Ökologie: Dazu gehören ein effizientes Gebäude- und Energiemanagement mittels Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen sowie der Ausbau der Elektromobilität, um den CO₂-Ausstoß zu senken. Bujačić erklärt: „2023 haben wir in Kroatien in Photovoltaikanlagen investiert, 2025 werden zwei Elektro-Lkw mit sechs Tonnen Nutzlast eingesetzt.“

Gleichzeitig werden kontinuierlich digitale Prozesse modernisiert, Mitarbeitende geschult und Abläufe automatisiert. Wolfram Senger-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Gebrüder Weiss und Mitglied der Gründerfamilie, versichert: „Transportprozesse ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten, ist eines unserer zentralen Anliegen. Das versuchen wir auf vielen Wegen zu erreichen. Die Umstellung läuft, aber sie braucht Zeit.“ Daher spricht sich der Unternehmer für eine koordinierte „Mehrkosten-Förderungspolitik“ aus, um den Umstieg für Unternehmen und Konsumenten – die ja letzten Endes die Mehrkosten tragen – kostenseitig zu erleichtern. „Es braucht für die Transformation Investitionssicherheit“, so Senger-Weiss.

Die Welt der Logistik im Wandel

Krisen wie die Blockade des Suezkanals 2021, Engpässe bei Halbleitern oder Containern haben globale Warenströme empfindlich gestört. Energiepreise erreichten historische Höchststände, und die Inflation erhöhte die Kosten für Transport, Lagerung und Personal. Geopolitische Spannungen, Sanktionen, Cyberangriffe und Piraterie verstärken die Unsicherheit und machen ein strategisches Risikomanagement unverzichtbar. Senger-Weiss sagt: „Logistik ist heute nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch. Sie entscheidet über Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und am Ende auch über gesellschaftliche Stabilität.“

Das Erbe der Gründerfamilie prägt die Unternehmensführung bis heute. Senger-Weiss beschreibt: „Über viele Generationen wurde hier erfolgreich gearbeitet, und die Vorfahren haben den Stab stets erfolgreich weitergegeben. Daraus entsteht für uns die Verpflichtung, unseren eigenen Beitrag ebenso erfolgreich zu leisten.“ Und weiter: „Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen Märkten. Unsere Wurzeln liegen im Bodenseeraum, aber unser Denken ist global. Wenn wir heute in Zagreb investieren, dann ist das auch ein Symbol für die Stärkung Europas.“ Besonders stolz ist er auf die weltweite Unternehmenskultur: „Aus einer kleinen Eigentümerfamilie ist eine große Familie mit über 8.600 Mitgliedern geworden, und das erfüllt mich mit großem Stolz.“ 

Auf die Frage, was er seinen Vorfahren fragen würde, antwortet Senger-Weiss: „Ich würde mich gerne mit ihnen über die Herausforderungen ihrer Zeit austauschen. Jede Generation steht vor schwierigen Aufgaben, und man hat oft das Gefühl, die eigene sei die herausforderndste. Doch ich glaube, das war schon immer so. Heute ist lediglich das Tempo der Veränderungen höher, die Disruptionen geschehen schneller. Dafür leben wir in stabileren Rahmenbedingungen mit hoffentlich weniger Kriegen. Ich würde meinen Vorfahren gratulieren und ihnen danken, dass sie dieses Unternehmen so lange erfolgreich geführt haben.“ 

Tradition als Anker in Zeiten der Volatilität

Im Zusammenspiel von Expansion und Tradition zeigt sich, wie sich Bewährtes mit Wandel verbinden lässt. Die Tradition dient als Anker in Zeiten zunehmender Volatilität, während Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur und internationale Netzwerke den Marktanforderungen gerecht werden. Zusammenarbeit mit Behörden, Partnern und anderen Logistikunternehmen ist Teil einer Strategie, die Resilienz, Effizienz und Nachhaltigkeit vereint. Barbara Bujačić fasst es so zusammen: „Tradition bedeutet für uns nicht Stillstand, sondern Haltung. Wir wissen, woher wir kommen, und das gibt uns Kraft, neue Wege zu gehen.“  

Die Expansion in Kroatien steht beispielhaft für diese Philosophie: Digitale Plattformen, Automatisierung und intelligente Modelle ersetzten Fax, Papier und manuelles Sortieren, doch die Kultur eines Familienunternehmens bleibt erhalten. Logistik wird zu einer strategischen Säule von Wirtschaft und Politik – und Tradition, Innovation und Verantwortung können ineinandergreifen.