Brand & Brilliance Vom Heilpflanzengarten zur Longevity-Marke

Vom Heilpflanzengarten zur Longevity-Marke

Tina Müller hat große Kosmetikmarken gelenkt – und ist seit kurzem CEO bei Weleda. In diesem Gespräch erklärt sie, wie ein Tag im Heilpflanzengarten ihr Leben verändert hat, wie sie eine schnelle Profitabilitätswende geschafft hat und warum die Kombination aus Natur und Wissenschaft heute die Grundlage für nachhaltiges Wachstum ist.

Carsten: Tina, wie startet ein wirklich guter Arbeitstag bei dir?
Tina: Ein optimaler Morgen beginnt für mich mit einem Liter grünen Tee, etwas Entspannung und, an einigen Tagen in der Woche, mit einer Stunde Personal Training, das gibt mir Energie für den Tag.

Carsten: Du hast große Marken wie Douglas, Henkel und Opel geprägt. Wie kamst du zu Weleda und was hat dich an der Aufgabe gereizt?
Tina: Ich bin angefragt worden und habe mich nicht nur durch Unterlagen, sondern live überzeugt: Ein ganzer Tag im Heilpflanzengarten von Weleda hat mich tief beeindruckt und gezeigt, wie konsequent Herkunft, Anbau und Verarbeitung hier gedacht werden.

Carsten: Du hast im ersten Jahr schnellen Profit zurückgebracht. War das vor allem Teamarbeit oder hast du spezifische Konzepte aus früheren Stationen eingebracht?
Tina: Es war beides: Die Vorbereitung des Teams war exzellent, und ich konnte mit ein paar gezielten Impulsen und klarer Priorisierung Wachstum wieder beschleunigen; Wachstum ist der beste Hebel für eine nachhaltige Profitabilität.

Carsten: Wie würdest du dich selber als Managerin beschreiben? Marketingprofi, Transformationsmotor, Strategin?
Tina: Ich sehe mich als diejenige, die profitables Wachstum initiiert und managt, also eine Mischung aus Strategie, Markenführung und operativer Transformation.

Carsten: Dein erster großer Schritt bei Weleda war ein Town Hall am ersten Tag. Warum war dir diese Sichtbarkeit so wichtig?
Tina: Eine neue CEO muss greifbar sein; direkte Kommunikation schafft Vertrauen und Geschwindigkeit, und sie sorgt dafür, dass die Organisation versteht, wer da jetzt führt und warum wir etwas anders machen.

Carsten: Ihr habt „Swiss Natural Science“ als Positionierung und eine neue Anti-Aging-Range eingeführt. Was steckt dahinter?
Tina: Swiss Natural Science kombiniert unsere naturbasierte Herkunft mit wissenschaftlicher Leistung. Die neue Linie liefert sichtbare Ergebnisse und stärkt gleichzeitig unsere Glaubwürdigkeit in einem leistungsorientierten Anti-Aging-Segment.

Carsten: Longevity ist ein großes Thema im Portfolio. Ist das ein Trend oder eine strukturelle Entwicklung?
Tina: Longevity ist strukturell, weil die Demographie sich ändert und Menschen heute deutlich früher in ihr langes, gesundes Leben investieren möchten. Das ist eine langfristige Chance, nicht nur ein Hype.

Carsten: Wie schafft ihr den Spagat, gleichzeitig ältere Bestandskund:innen zu halten und Gen-Z anzusprechen?
Tina: Wir spielen die komplette Klaviatur: klare Segmentierung, zielgruppengerechte Produktlinien und kanal-gerechte Kommunikation. Wer Weleda ausprobiert, bleibt oft sehr loyal, deshalb müssen wir nur die jungen Zielgruppen ansprechen, ohne die Stammkundschaft zu vernachlässigen.

Carsten: Social Media und D2C waren früher nicht euer Kern. Wie habt ihr das technisch und kulturell umgesetzt?
Tina: Wir haben schnell einen eigenen Webshop aufgebaut, stark in Content und Social-Formate investiert und gleichzeitig intern viel kommuniziert, damit das Team die neuen Kanäle versteht und mitträgt.

Carsten: Ihr plant eine große Einführung in der Parfümerie und wollt auch Apotheken stärker ausbauen. Warum diese Kanäle?
Tina: Parfümerie und Apotheken erlauben uns, das Premium-Narrativ und die pharmazeutische Kompetenz unserer Arzneimittel sichtbar zu machen. Das sind Hebel für Wachstum und Marken-Strahlkraft.

Carsten: Internationalisierung ist Teil eurer Strategie. Auf welche Märkte setzt ihr?
Tina: Wir sehen großes Potenzial in den USA, Indien und Teilen Osteuropas. Aktuell kommt fast die Hälfte unseres Umsatzes aus DACH, das internationale Wachstum ist ein zentraler Hebel zur Erreichung unserer Ziele.

Carsten: Du sprichst von einer Umsatzziel-Verdopplung. Wie realistisch ist das und welche Treiber sind entscheidend?
Tina: Die Verdopplung ist ambitioniert, aber realistisch, wenn wir Innovationskraft (neue Produkte), neue Distributionskanäle und Internationalisierung kombiniert umsetzen.

Carsten: Transformation bedeutet auch, die DNA eines Unternehmens zu verändern. Wie hast du die Mitarbeitenden mitgenommen?
Tina: Authentische Führung, vielfache interne Kommunikationsformate (Town Halls, CEO-Newsletter, interne App) und sichtbare frühe Erfolge haben Vertrauen geschaffen. Außerdem fordere ich „Leadership from every chair“ – Führung kommt nicht nur von oben.

Carsten: Gab es internen Widerstand und wie seid ihr damit umgegangen?
Tina: Ja, es gab skeptische Kolleg:innen und Abwartende. Wir haben das durch Transparenz, Pilotprojekte und messbare Markt-Erfolge adressiert; manche sind mitgegangen, andere haben sich entschieden zu gehen, und das gehört zu einer tiefen Transformation dazu.

Carsten: Was war bislang deine größte persönliche Überraschung in dieser Rolle?
Tina: Negativ überrascht hat mich die teilweise dogmatische Ablehnung in Teilen der Öffentlichkeit gegenüber unserer Transformationsstory; positiv überrascht hat mich der enorme Gestaltungsraum, den Deutschland uns als Heimatmarkt bietet.

Carsten: Du engagierst dich mit Weleda auch für Innovationen außerhalb des Kerngeschäfts. Was reizt dich am Thema Startups und Ökosystem?
Tina: Startups bringen Mindset und Geschwindigkeit; Neuland-artige Begegnungsorte schaffen Raum für Produktion, Forschung und Co-Creation. Das ist für mich persönlich ein spannendes „Pet Project“.

Carsten: Wenn du eine politische Maßnahme heute sofort durchsetzen könntest, um Wachstum in Deutschland zu fördern, welche wäre das?
Tina: Ich würde mehr Venture Capital mobilisieren, Bürokratie abbauen und Pensionskassen sowie Stiftungen ermutigen, stärker in Innovations-Assetklassen zu investieren.

Carsten: Dein wichtigster Führungs-Ratschlag an andere CEO-Pendants, die eine Marke transformieren wollen?
Tina: Sei sichtbar, kommuniziere das Warum permanent und liefere frühe, glaubwürdige Erfolge. Ohne Konsequenz und klare Prioritäten bleibt Transformation nur Absicht.

Carsten: Tina, vielen Dank für die klaren Einblicke und die vielen spannenden Praxisbeispiele.