Business & Beyond 200 Euro für den Facharztbesuch? Warum Stegemanns Vorstoß scheitern dürfte

200 Euro für den Facharztbesuch? Warum Stegemanns Vorstoß scheitern dürfte

Wenn sich immer mehr Patienten direkt an spezialisierte Ärzte wenden, blockieren sie dort den Terminkalender für die wirklich heiklen Fälle. Nach Vorstellung des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden sollen sie dafür künftig tiefer in die Tasche greifen müssen.

Der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Albert Stegemann hat eine Diskussion losgetreten, die es in sich hat. In der Bild forderte er jüngst, dass Patienten einen hohen Preis zahlen sollen, wenn sie den Hausarzt umgehen und sich direkt an den Facharzt wenden. „Eine Gebühr von 200 Euro pro selbst vereinbartem Facharzttermin außerhalb des Primärarztsystems halte ich für denkbar“, sagte Stegemann. Begründung: Wer das Prinzip, dass der Hausarzt erste Anlaufstelle ist, auf eigene Faust umgehe, schade der Versorgung insgesamt.

Bislang steht Stegemann mit seinem Vorschlag ziemlich allein da. Die Gesundheitsministerin aus der CDU, Nina Warken, stellt sich jedenfalls nicht hinter das Strafmodell ihres Parteifreundes. Sie betont zwar, dass der Hausarzt erste Anlaufstelle bleiben müsse. Er solle „sicherstellen, dass Patienten innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens einen Termin beim Facharzt bekommen,“ sagte sie der Funke Mediengruppe. Eine zusätzliche Belastung für Patienten lehnt sie jedoch klar ab: „Es gibt viele Möglichkeiten, Praxisbesuche so zu steuern, dass die Patienten weiterhin gut versorgt werden, ohne sie unnötig finanziell zu belasten.“ Für Warken geht es darum, Ordnung in das System zu bringen, nicht darum, Kassen mit Strafzahlungen zu füllen. „Am Ende muss eine Reform stehen, die das gute Versorgungsniveau aufrechterhält, aber trotzdem Stabilität bei den Beiträgen ermöglicht,“ so die Ministerin.

Auch die Ärzteschaft reagiert skeptisch. Stephan Hofmeister, Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), warnt in der Ärzte Zeitung: Holzschnittartige Lösungen seien fehl am Platz. Die KBV hat ein eigenes Modell für ein Primärarztsystem entwickelt, das Steuerung vorsieht, aber gleichzeitig Ausnahmen etwa für Augenärzte oder Psychotherapeuten zulässt. Für eine pauschale Strafzahlung in Höhe von 200 Euro findet sich dort keine Unterstützung.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßt die Stärkung des Hausarztes „grundsätzlich“ – was immer heißt, dass man im Detail dagegen ist. Die Vorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier kritisieren dann auch in einer Stellungnahme: „Mit einem wirklichen hausärztlich gesteuerten Primärarztsystem haben die Vorschläge wenig zu tun.“ Zu viele Ausnahmen würden das Konzept verwässern.

Von den Verbraucherschützern kommt deutlicher Widerspruch. Ramona Pop, Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, begründet ihre Zweifel im ZDF: „Ohnehin schon überlastete Hausarztpraxen werden zum Nadelöhr. Das ist nicht der richtige Weg.“ Sie verweist auf die Realität vieler Patienten: „Einen Facharzttermin zu ergattern, kann für gesetzlich Versicherte zu einer Geduldsprobe werden. Wartezeiten von teils mehreren Monaten sind keine Ausnahme.“

Damit rückt ein anderes Problem in den Mittelpunkt: Lange Wartezeiten bei Spezialisten. Gerade in der Kardiologie oder Rheumatologie berichten Patienten von Monaten des Wartens. Für viele Betroffene ist der direkte Gang zum Facharzt kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – zumal Hausärzte die Termine auch nicht beschleunigen können.

Offen bleibt, ob eine Strafgebühr wie die von Stegemann vorgeschlagene am Ende vor allem den Kassen mehr Geld einbrächte. Offiziell begründet er sie mit der Steuerung der Patientenströme. Doch klar ist auch: Jeder, der direkt zum Facharzt geht, müsste die 200 Euro aus eigener Tasche zahlen. Für die Kassen wäre das ein Plus. Gesundheitsökonomisch zweifeln Fachleute allerdings, ob sich der bürokratische Aufwand lohnt. Ein Gebührenmodell in dieser Höhe müsste rechtlich geprüft, durchgesetzt und eingezogen werden – mit erheblichen Verwaltungskosten. Schon die frühere Praxisgebühr von zehn Euro hatte gezeigt, dass solche Modelle kompliziert und unpopulär sind, ohne die Versorgung spürbar zu verbessern.

Die politische Gemengelage spricht deswegen dagegen, dass Stegemann seinen Vorschlag umsetzen kann. Die Gesundheitsministerin lehnt ihn ab, die Ärzteverbände warnen vor vereinfachten Lösungen, die Hausärzte fürchten Ausnahmen und zusätzliche Last, die Verbraucherschützer sehen die Patienten doppelt bestraft – durch Wartezeiten und durch Kosten.