Business & Beyond Das kann weg: Zahnärzte haben Wischproblem – Lappenandruck nicht messbar

Das kann weg: Zahnärzte haben Wischproblem – Lappenandruck nicht messbar

Heute ist Bürokratie-FREItag. In unserer Serie geht es diesmal um Zahnärzte. Sie gelten als durchweg wohlhabend, selbstbestimmt und vielfach genussorientiert. Was aber die wenigsten Patienten mit Zahnweh ahnen: Auf den Praxen lastet eine besonders fein ausgetüftelte Menge von bürokratischem Irrsinn. Die Standesorganisationen schlagen Alarm.

Wer unter den Patienten oder Unbeteiligten ahnt etwas über die womöglich fatalen Auswirkungen der „abschließenden Wischdesinfektion“? Kaum jemand, aber die Behörden wissen darum und schreiten zur rettenden Tat. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinprodukte der Länder (AGMP), das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beteiligen sich – neben vielen anderen – an der Rettung vor überlebenden Keimen in den Weiten des Praxisraums.

Die genannte abschließende Wischdesinfektion bedeutet nichts anderes, als „semikritische“ Oberflächen und Gerätschaften mit Desinfektionsmittel abzuwischen. Die Problematisierung dieser Tätigkeit, so die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), erschwert unter Umständen eine jahrzehntelang millionenfach durchgeführte Reinigung mit der plötzlich aufgetauchten Erkenntnis, dass das Verfahren „nicht validierbar“ sei, denn der „nicht messbare Anpressdruck“ auf den Lappen macht die Behörden offenbar schaudern.

Dass noch keine einzige Infektion durch abgewischte Oberflächen bekannt geworden sei, wie die Kammer ausführt, scheint die Bürokraten nicht zu interessieren. Durch umständliche Formulierung war zudem bei den Kammern und Zahnärzten zunächst der Eindruck entstanden, es handele sich um ein regelrechtes Verbot dieser Reinigungsmethode. Das sei nicht der Fall, beeilten sich die Behörden zu versichern, aber das Problem scheint für sie in der Tat weiter zu existieren. Denn man gibt nun Ausführungsanleitungen: „Herstellerangaben beachten, eine risikobasierte Einstufung vornehmen, nachvollziehbare Arbeitsanweisungen (SOPs) ans Personal erteilen, geeignete viruzide Mittel verwenden, dazu dokumentierte Schulung/Belehrung, und natürlich: internes Training. Aber, was ein Glück: „Eine aufwändige externe „Vor-Ort-Validierung“ der Wischkraft ist weder praktikabel noch erforderlich“. Jeder darf weiterhin Druck machen auf den Lappen so gut er kann.

Aber der Verzicht auf den Besuch amtlicher Wischkraftermittler, womöglich mit anschließender Zeugnisvergabe an die wischende Person, kann die Zahnärzte nur bedingt zu beruhigen. Denn weiterhin ein Viertel der Behandlungszeit sehen die Mediziner schwinden durch teils überflüssige Bürokratie. Mitarbeiter müssen alles in allem 962 Regeln befolgen, so die Zahnärztekammer. Beispiel Mundspiegel: Das alltägliche Instrument erfordert für seine Aufbereitung „allein sieben Verordnungen, elf DIN-Normen, 14 Arbeitsanweisungen und neun Dokumentationsvorgaben“, die beachtet werden müssen. Die Kammer forderte daher unlängst ein Sofortprogramm der Bundesregierung, da ja im Koalitionsvertrag ein entschiedener Bürokratieabbau vereinbart sei. In Bezug auf ihre Profession hoffen die Zahnärzte auf den versprochenen Praxis-Check durch die Staatsorgane und ihnen angegliederte Institutionen. Offenbar ahnend, was eher bevorsteht, heißt es denn auch in dem Wunschkatalog, es solle „weiterer Bürokratieaufbau unbedingt verhindert werden“.

Seite 1 / 2
Nächste Seite