Business & Beyond Deutschland im Krisenmodus: 60 Firmen pro Tag geben auf – Insolvenzen auf Rekordniveau

Deutschland im Krisenmodus: 60 Firmen pro Tag geben auf – Insolvenzen auf Rekordniveau

Deutschland erlebt eine massive Insolvenzwelle mit 10,4 % mehr Firmenpleiten im September. Besonders Logistik und Gastgewerbe trifft es hart. Die Gründe sind komplexer als nur Bürokratie.

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer handfesten Krise. Jeden Tag melden durchschnittlich 60 Unternehmen Insolvenz an – ein Rekordwert seit zwölf Jahren. Die September-Zahlen zeigen einen Anstieg von 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, wie aus den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Für 2025 prognostizieren Experten über 22.000 Firmenpleiten, was den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt markieren würde.

Logistik und Gastro besonders betroffen

Die Pleitewelle trifft nicht alle Branchen gleich. Besonders hart erwischt es den Verkehrs- und Logistiksektor mit 12,7 Insolvenzfällen pro 10.000 Unternehmen, wie laut „tagesschau.de“ aus den Daten hervorgeht.

Das Gastgewerbe und die Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen folgen dicht dahinter mit jeweils 9,9 Fällen – deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 6,3 Fällen pro 10.000 Unternehmen. Die finanziellen Folgen sind massiv: Allein im Juli 2025 bezifferten die Amtsgerichte die Forderungen der Gläubiger auf rund 3,7 Milliarden Euro, wie „Zeit“ berichtet – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 3,2 Milliarden Euro im Vorjahresmonat.

Wirtschaftsstandort unter Druck

Die Gründe für die Pleitewelle sind vielschichtig. DIHK-Chefanalyst Volker Treier bringt es auf den Punkt: „Rückläufige Exporte, insbesondere in die USA, sinkende Industrieproduktion und eine maue Konjunktur – das alles sind keine guten Nachrichten für den hiesigen Wirtschaftsstandort“, so „Zeit“. Die Wirtschaftskammer fordert dringend bessere Standortbedingungen: „Wir müssen dringend weg von den hohen Kosten für Energie und Personal sowie den im Vergleich zu anderen Ländern hohen Belastungen durch Steuern und Bürokratie“, zitiert „Welt“ den DIHK-Chefanalysten.

Bürokratie als Krisenbeschleuniger

Interessanterweise widerspricht der Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) der oft gehörten These, dass Bürokratie die Hauptursache für Firmenpleiten sei.

Laut „tagesschau.de“ betont VID-Vorsitzender Christoph Niering, dass bürokratischer Aufwand allenfalls als Krisenbeschleuniger wirke, wenn bereits grundlegende Probleme bestehen. Die eigentlichen Ursachen seien vielmehr unzureichende Liquidität, unflexible Geschäftsmodelle und Störungen in den Lieferketten. Auch verändertes Konsumverhalten und ungelöste Nachfolgefragen spielen eine entscheidende Rolle.

Business Punk Check

Die Zahlen sind alarmierend, aber der reflexartige Ruf nach Bürokratieabbau greift zu kurz. Die Wahrheit ist unbequemer: Viele deutsche Unternehmen haben die digitale Transformation verschlafen und halten an überholten Geschäftsmodellen fest. Während Politik und Verbände über Energiekosten und Steuern debattieren, verpassen zahlreiche Mittelständler den Anschluss an globale Entwicklungen.

Die Verkehrs- und Logistikbranche steht exemplarisch für dieses Dilemma – eingeklemmt zwischen steigenden Kosten und disruptiven Plattform-Modellen. Wer jetzt überleben will, muss radikal umdenken: Geschäftsmodelle neu kalibrieren, Liquiditätsreserven aufbauen und agile Strukturen schaffen. Der Standort Deutschland braucht keine Jammerer, sondern Unternehmer, die Krisen als Transformationskatalysator nutzen.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche Branchen sind aktuell besonders insolvenzgefährdet?
    Neben Verkehr und Logistik (12,7 Fälle pro 10.000 Unternehmen) sind besonders das Gastgewerbe und wirtschaftliche Dienstleister mit je 9,9 Fällen überdurchschnittlich betroffen. Unternehmen in diesen Sektoren sollten ihre Geschäftsmodelle dringend auf Zukunftsfähigkeit prüfen.
  • Wie können Mittelständler sich gegen die Insolvenzwelle wappnen?
    Liquiditätsreserven aufbauen, Geschäftsmodelle digitalisieren und diversifizieren. Wer jetzt in Effizienzsteigerung durch Automatisierung investiert und gleichzeitig neue Märkte erschließt, schafft Widerstandsfähigkeit gegen externe Schocks.
  • Welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen könnten die Situation verbessern?
    Statt pauschaler Steuersenkungen braucht es gezielte Investitionsanreize für digitale Transformation und nachhaltige Geschäftsmodelle. Gleichzeitig müssen Gründer und Nachfolger durch vereinfachte Finanzierungszugänge und Wissenstransfer unterstützt werden.
  • Wie wirkt sich die Pleitewelle auf den Arbeitsmarkt aus?
    Bei 22.000 prognostizierten Insolvenzen in 2025 droht ein signifikanter Arbeitsplatzverlust, besonders in strukturschwachen Regionen. Gleichzeitig entstehen neue Chancen für agile Unternehmen, die qualifizierte Fachkräfte aus insolventen Betrieben übernehmen können.

Quellen: „Welt“, „Zeit“, „tagesschau.de“