Business & Beyond „Persönlichkeit schlägt Perfektion – auch beim Gründen“

„Persönlichkeit schlägt Perfektion – auch beim Gründen“

Kira Marie Cremer ist LinkedIn-Creatorin, Business-Stimme der Gen Z und Expertin für New Work. Mit über 50.000 Follower:innen gehört sie zu den wichtigsten Stimmen auf der Plattform – und spricht offen über ihren Gründungsversuch, der (noch) nicht gezündet hat. Im Gespräch erzählt sie, warum wir über mentale Gesundheit reden müssen, wie Unternehmen den Zugang zur Arbeitswelt verbessern können und weshalb sie an New Work glaubt – auch wenn das Buzzword verbrannt ist.

Carsten: Kira, du erreichst auf LinkedIn wöchentlich Zehntausende Menschen. Wie wichtig ist dir deine Morgenroutine?

Kira: Sehr wichtig. Ich starte mit Tee, Journal und Lesesessel – danach geht’s direkt an die Community. LinkedIn lebt vom Austausch, das ist für mich kein Tool, sondern ein Ort für echte Meinung.

Carsten: Viele starten auf LinkedIn und fragen sich: Wie viel Persönlichkeit ist zu viel?

Kira: Es geht nicht um Privates, sondern um Haltung. Man muss nicht posten, ob man verheiratet ist – aber Position beziehen, wenn’s um gesellschaftliche Themen geht. Das ist für mich Persönlichkeit.

Carsten: Du hast selbst gegründet – und dann gemerkt, dass der Markt nicht bereit war. Wie gehst du damit um?

Kira: Ich habe viel investiert – Zeit, Geld, Energie. Das Projekt war durchdacht, aber zu früh. Heute nenne ich es „negativen Erfolg“: Es hat nicht geklappt, aber ich habe extrem viel gelernt.

Carsten: Du hast gesagt: Viele Gründer:innen reden nicht über das Scheitern. Warum ist das so schwer?

Kira: Weil wir gelernt haben, immer ein „Learning“ liefern zu müssen. Ich bin aber gerade in einem Prozess – ohne Happy End. Trotzdem erzähle ich darüber, weil wir mehr Realität brauchen.

Carsten: Du bist auch Dozentin und hast mit Apinio eine große Studie zum Berufseinstieg junger Menschen gemacht. Was war das überraschendste Ergebnis?

Kira: Dass sich über 30 Prozent der 16- bis 24-Jährigen beim Berufseinstieg alleingelassen fühlen – besonders junge Frauen. Praktika helfen mehr als alles andere – da müssen Wirtschaft und Schule enger zusammenarbeiten.

Carsten: Was sollten Unternehmen konkret verändern?

Kira: Erstens: Praktika zur Chefsache machen. Zweitens: Vertrauenskultur aufbauen – nicht nur Employer Branding auf LinkedIn betreiben. Drittens: Entwicklungspfade bieten, die nicht nach Excel aussehen, sondern nach echter Orientierung.

Carsten: Du bist auch Verfechterin von New Work – was bedeutet das für dich?

Kira: Es ist kein Toolset, sondern ein Mindset. Es geht um Sinn, Selbstverwirklichung und darum, Arbeit so zu gestalten, dass Menschen darin wachsen können – nicht krank werden.

Carsten: Mentale Gesundheit ist für dich ein Herzensthema. Was würdest du dir wünschen?

Kira: Dass Programme zur mentalen Gesundheit staatlich subventioniert werden – wie es in anderen Bereichen längst üblich ist. Zufriedene Mitarbeitende sind keine „Nice-to-have“-Kennzahl, sondern echte Produktivitätsfaktoren.

Carsten: Du hast selbst erlebt, wie wichtig Balance ist. Was war dein größtes persönliches Learning?

Kira: Ich war in Therapie wegen einer Depression. Seitdem weiß ich: Ohne Work-Life-Balance geht bei mir nichts. Heute ist das kein Buzzword mehr für mich, sondern eine Lebensnotwendigkeit.

Carsten: Und dein Rat an junge Menschen, die gerade überlegen, zu gründen?

Kira: Geh mit deiner Idee raus, bevor sie perfekt ist. Und hör nicht auf, wenn’s mal nicht läuft. Gründen ist kein Ziel, sondern eine Reise.

Carsten: Kira, danke dir für das ehrliche Gespräch!

Kira: Danke dir, Carsten – das war ein besonderer Austausch.