Business & Beyond Klimapolitik: Die Zeit der Märchen ist vorbei

Klimapolitik: Die Zeit der Märchen ist vorbei

Vom Vorreiter zum Nachzügler

Inzwischen wirkt das alles wie eine nostalgische Utopie. Friedrich Merz, der heutige Bundeskanzler, hat sich in seiner Regierungserklärung im Mai 2025 klarer gefasst: „Wir beenden die Illusion, dass Klimapolitik gegen die Wirtschaft funktionieren kann.“ Er hätte auch sagen können: „Wir klappen das Märchenbuch zu.“ Katharina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, spricht von „einer Rückkehr zu Energiepolitik mit Augenmaß“. Ihr Satz „Wir werden den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben“ klingt fast wie ein Gegenentwurf zu Habecks „Wir müssen die Menschen mitnehmen“. Der Unterschied: Reiche meint es ernst, Habeck meinte es gut.

Die Ampel setzte auf eine Elektrifizierung, deren Aufwand sie grob unterschätzte. Noch 2022 hatte Olaf Scholz erklärt: „Wir werden in wenigen Jahren genug grünen Strom erzeugen, um alle Bedarfe zu decken.“ Heute sind die Zahlen ernüchternd. Die Bundesnetzagentur verzeichnete Ende 2024 einen Zubau bei Windkraft, der 30 Prozent unter Plan lag. Bei der Photovoltaik wurden 70 Prozent der Ziele erreicht. Nicht, weil es an Subventionen fehlte – sondern an Flächen, Genehmigungen, Fachkräften. Und an Akzeptanz. Das Wort „Akzeptanz“ hat in diesen Jahren eine Karriere gemacht, weil es höflicher klingt als „Widerstand“.

Niemand kann der Ampel vorwerfen, dass sie keinen Eifer gezeigt hätte. Robert Habeck hatte Dutzende Gesetze angeschoben. Er war ein fleißiger Minister. Wärmepumpen sollten 500.000 Mal im Jahr eingebaut werden – geworden sind es laut Bundesverband Wärmepumpe im Rekordjahr 2024 knapp 400.000. Immerhin. Doch trotz aller Milliardenförderung stockt der Umbau. Das liegt daran, dass viele Eigentümer sich schlicht weigerten, fünfstellige Summen zu investieren in Technik, die sie weder verstehen noch ihr vertrauen.

Und so bleibt der Satz von SPD-Chef Lars Klingbeil aus dem Jahr 2023 als Chiffre dieser Jahre in Erinnerung: „Es geht nicht darum, ob wir die Transformation schaffen, sondern nur, wie schnell.“ Heute wirkt er wie der Kommentar eines Zaungastes. Denn inzwischen geht es genau darum, ob man sie schafft – und ob man es sich leisten kann.

Was die Ampel besonders unterschätzte, war die Wechselwirkung mit der geopolitischen Lage. Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die ausbleibenden Energielieferungen aus dem Osten inklusive der Sanktionspakete verteuerten Energie. Lieferkettenprobleme machten Materialien unerschwinglich. Die deutsche Industrie, die auf Lieferkettenoptimierung gesetzt hatte, hatte sich verzockt, wie der Bestseller-Buchautor und Ökonom Wolfgang Münchau es beschreibt. Sie hätte auf Resilienz der Lieferketten setzen müssen.

Die Inflation fraß Haushaltslöcher. Trotzdem hielt die Ampel an ihren Zielen fest, als sei ihr Mantra stärker als jede Wirklichkeit. Dabei hätten gerade die Krisen zur Korrektur zwingen müssen. Doch Olaf Scholz redete lieber von „Deutschland-Tempo“, ohne dass jemand erklären konnte, was das eigentlich sein soll.

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