Business & Beyond Klimapolitik: Die Zeit der Märchen ist vorbei

Klimapolitik: Die Zeit der Märchen ist vorbei

Vom Aufbruch zur Ernüchterung

Friedrich Merz hat die Bilanz nüchtern gezogen: „Es wurde viel versprochen und wenig gehalten.“ Der Satz könnte als Grabinschrift der Ampel-Klimapolitik dienen. Denn das Problem ist nicht, dass sie keine großen Ziele hatte – das Problem ist, dass sie sie ohne realistischen Plan verfolgte. Die Vorstellung, man könne Technologie und Marktmechanismen beliebig beschleunigen, hat sich einmal mehr als politische Hybris entpuppt.

Heute wird mit anderen Worten gesprochen. Katharina Reiche sagte kürzlich in einem Interview: „Wir werden weiter den CO2-Ausstoß reduzieren, aber nicht mit ideologischen Scheuklappen.“ Das Wort „ideologisch“ fällt in diesen Tagen oft – fast so oft wie das Wort „Realismus“. Klingbeil hingegen verteidigt die Ampel immer noch: „Wir haben den Mut gehabt, etwas zu verändern.“ Das stimmt. Aber Mut ist kein Ersatz für Machbarkeit. Reiche klingt anders. Zuletzt hatte sich die Wirtschaftsministerin beim „Tag der Industrie“ für „eine Harmonisierung“ der deutschen Klimapolitik mit den „internationalen Zielen“ ausgesprochen, also bei der Klimaneutralität für das Zieljahr 2050, wie es etwa im Pariser Klimaabkommen vereinbart wurde und nicht eher, wie Deutschland es bisher will und sich damit für einen teuren Sonderweg entschieden hat. Dies sei zwar, räumte Reiche ein, „im Koalitionsvertrag nicht festgelegt“. Trotzdem müsse man nun schauen, „was in welchem Zeitraum machbar“ sei.

Im Koalitionsvertrag ist dieses Spannungsfeld angedeutet. Einerseits heißt es darin: „Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen“, und damit explizit zum „Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland“. Andererseits müssten dabei „Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit“ zusammengebracht werden. Denn: „Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden.“ SPD-Umweltminister Carsten Schneider, zu dessen Bereich wieder die Klimapolitik gehört, besteht nach auf den bisherigen Festlegungen. Sie sollen Grundlage des aktualisierten Klimaschutzprogramms sein, das er im Spätherbst vorlegen will.

Was Reiche, die mit einem besseren politischen Instinkt ausgestattet ist, jedoch ahnt: Aus dem Anspruch, Deutschland klimaneutral und zugleich wohlhabend zu machen, ist ein Kompromiss geworden, der viele enttäuscht hat: die Menschen, die auf Subventionen setzten und sie nun gekürzt sehen. Stromsteuer runter für alle – das kommt nicht. Die Industrie, die sich verlässliche Rahmenbedingungen wünschte und sie nicht bekam. Die junge Generation, die glaubte, Klimaschutz sei einfach nur eine Frage des Willens.

Es war der Reiz der Ampeljahre, dass vieles nach Aufbruch klang. Aber es war ihr Verhängnis, dass es beim Klang blieb. Robert Habeck sprach 2022 von einer „gigantischen Kraftanstrengung“, als sei Kraft allein ausreichend. Tatsächlich braucht es auch Akzeptanz, Geld, Fachkräfte und – vor allem – Zeit. Heute, unter der neuen Regierung, ist der Ton leiser, die Ansprüche kleiner, die Worte nüchterner. Friedrich Merz mag vielen als kalter Rechner gelten, doch sein Satz „Klimaschutz ist kein Selbstzweck, sondern ein Teil wirtschaftlicher Vernunft“ markiert die neue Leitlinie.

Manche sagen, dies sei ein Rückschritt. Andere nennen es eine Rückkehr zur Realität. Vielleicht ist es beides. In jedem Fall ist es das Ende einer Illusion, die Deutschland teuer zu stehen kam. Ein Requiem erklingt am Ende aber doch nicht, weil nie etwas zustande gekommen war, das nun verstorben ist. Tatsächlich wurde vieles nur mit großem Pathos versucht und ist dann an der Wirklichkeit zerschellt.

„Wir werden beim Klimaschutz Vorreiter sein“, hatte Olaf Scholz versprochen. Heute ist Deutschland vor allem Vorreiter darin, wie schwer es ist, die hehren Ziele mit dem gelebten Alltag zu vereinen. Man kann das bedauern oder erleichtert sein. Doch eines ist klar: Die Märchenzeit ist vorbei.

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