Business & Beyond Konsum tot, Kassen leer: Wer zahlt die Steuerparty?

Konsum tot, Kassen leer: Wer zahlt die Steuerparty?

Deutschland steckt in einer wirtschaftspolitischen Zwickmühle: 100 Milliarden Euro Konsum-Lücke treffen auf 30 Milliarden Haushaltsloch. Ökonomen fordern Steuersenkungen für niedrige Einkommen statt Unternehmensförderung.

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer klassischen Catch-22-Situation. Eine gigantische Konsum-Lücke von 100 Milliarden Euro lähmt die Konjunktur, während gleichzeitig im Bundeshaushalt 2027 satte 30 Milliarden fehlen.

Führende Wirtschaftsexperten schlagen Alarm: Die bisherigen Maßnahmen der Merz-Regierung gehen am Kernproblem vorbei. Laut „Merkur“ bezeichnet die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner vom Institut für Makrofinanzen das aktuelle Konsum-Klima als „Grausen“.

Konsum ankurbeln statt Unternehmen entlasten

Die geplante Senkung der Körperschaftsteuer und die Erhöhung von Sonderabschreibungen verfehlen ihr Ziel, so die klare Analyse der Expertin.

„Wenn der Konsum im Eimer ist, dann helfen keine Super-Abschreibungen, sondern Steuersenkungen für niedrige und mittlere Einkommen“, erklärt das „Dezernat Zukunft“ in Berlin, wie „Merkur“ berichtet. Das Problem: Abschreibungen wirken nur, wenn Unternehmen überhaupt investieren wollen – was bei fehlender Nachfrage schlicht nicht der Fall ist.

Das Steuersystem-Dilemma

Die Crux bei Steuersenkungen für niedrige und mittlere Einkommen: Durch Deutschlands progressives Steuersystem profitieren automatisch auch Spitzenverdiener überproportional.

Wie „Merkur“ dokumentiert, würde laut DIW-Experte Stefan Bach eine Erhöhung des Grundfreibetrags um 1.000 Euro jährlich bei einem Einkommen von 20.000 Euro eine Entlastung von 250 Euro bringen. Bei 80.000 Euro Jahreseinkommen wären es jedoch 470 Euro – fast doppelt so viel.

Der Mehrwertsteuer-Joker

Während über Einkommensteuer-Entlastungen gestritten wird, bezeichnet das DIW die Mehrwertsteuer als „steuerpolitischen Elefanten im Raum“. Eine Erhöhung um nur einen Prozentpunkt könnte jährlich 16 Milliarden Euro generieren.

Die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes (außer für Lebensmittel) brächte weitere 13 Milliarden. Zusammen wären das 29 Milliarden Euro – fast exakt die Summe, die im Bundeshaushalt 2027 fehlt. Der Haken: Solche Erhöhungen belasten gerade kleine Einkommen überproportional.

Business Punk Check

Die Steuer-Debatte offenbart ein fundamentales Problem der deutschen Wirtschaftspolitik: Sie denkt in veralteten Mustern. Statt die Nachfrageseite zu stärken, werden weiterhin Angebotsinstrumente wie Abschreibungen und Körperschaftsteuersenkungen priorisiert. Die Realität zeigt: Ohne kaufkräftige Konsumenten nutzen Unternehmen keine Investitionsanreize. Der Mittelstand sitzt in der Zwickmühle – zu hohe Steuerlast, aber gleichzeitig abhängig von stabiler Binnennachfrage. Die Lösung?

Ein mutiger Schnitt beim Grundfreibetrag, kombiniert mit gezielten Entlastungen für niedrige Einkommen, die nicht automatisch Spitzenverdiener begünstigen. Die aktuelle Politik riskiert eine Abwärtsspirale: Schwacher Konsum führt zu weniger Investitionen, was wiederum Arbeitsplätze gefährdet und den Konsum weiter schwächt. Wer jetzt nicht handelt, zahlt später doppelt.

Häufig gestellte Fragen

  • Warum helfen Unternehmensförderungen wie Abschreibungen aktuell nicht?
    Abschreibungen wirken nur, wenn Unternehmen grundsätzlich investieren wollen. Bei der aktuellen Nachfrageschwäche fehlt jedoch der Anreiz für Investitionen – selbst mit Steuervorteilen. Laut „Merkur“ zieht sich dieses Problem wie ein roter Faden durch aktuelle Geschäftsberichte.
  • Wie könnten Steuersenkungen für niedrige Einkommen gestaltet werden, ohne Spitzenverdiener zu begünstigen?
    Eine gezielte Reform könnte den Grundfreibetrag erhöhen und gleichzeitig die Steuersätze für hohe Einkommen anpassen. Alternativ wären direkte Entlastungen wie Negativsteuern für niedrige Einkommen denkbar, die ab bestimmten Einkommensgrenzen auslaufen.
  • Welche Branchen leiden besonders unter der aktuellen Konsum-Schwäche?
    Besonders betroffen sind laut Wirtschaftsexperten die Auto- und Maschinenbauindustrie sowie der Bausektor. Diese Schlüsselindustrien spüren die Kombination aus schwacher Binnennachfrage und zunehmendem internationalen Wettbewerbsdruck besonders stark.
  • Was bedeutet die Konsumkrise für mittelständische Unternehmen?
    Mittelständler sind doppelt betroffen: Sie leiden unter der schwachen Nachfrage und können gleichzeitig die angebotenen Steuervorteile wie Sonderabschreibungen oft nicht effektiv nutzen. Für sie wäre eine Belebung der Konsumnachfrage durch Entlastung ihrer Kunden wirtschaftlich sinnvoller als direkte Unternehmensförderung.
  • Wie realistisch ist eine Reform der Mehrwertsteuer als Lösung für die Haushaltsprobleme?
    Eine Mehrwertsteuererhöhung könnte zwar schnell Einnahmen generieren, würde aber gerade niedrige Einkommen überproportional belasten und den Konsum weiter schwächen. Politisch gilt sie daher als schwer durchsetzbar, obwohl sie technisch die einfachste Lösung wäre.

Quellen: „Merkur“