Business & Beyond Rohstoff-Poker: Wie China die Autoindustrie in die Knie zwingt

Rohstoff-Poker: Wie China die Autoindustrie in die Knie zwingt

Chinas Exportbeschränkungen für seltene Erden führen zu massiven Engpässen in der europäischen Autoindustrie. Erste Produktionslinien stehen bereits still, während Unternehmen verzweifelt auf Exportlizenzen warten.

Die europäische Autoindustrie steht am Rande einer neuen Versorgungskrise. Seit China Anfang April Exportkontrollen für sieben kritische seltene Erden verhängt hat, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Erste Fertigungslinien bei Zulieferern mussten bereits gestoppt werden. Der Grund: Von Hunderten beantragten Exportlizenzen wurde bislang nur etwa jede vierte genehmigt. Die Lagerbestände schmelzen rapide – und mit ihnen die Hoffnung auf eine schnelle Lösung.

Magnete als Achillesferse der Mobilitätswende

Was nach einem technischen Detail klingt, entwickelt sich zum Brandbeschleuniger für die gesamte Industrie. Die betroffenen Rohstoffe sind unverzichtbar für die Herstellung von Permanentmagneten – Kernkomponenten moderner Elektromotoren. „Die seltenen Erden haben das Potenzial, die nächste Chipkrise zu werden – das ist bereits in vollem Gange“, warnt Branchenexperte Christian Grimmelt von Alixpartners in einem Focus-Artikel. Der Vergleich mit der Halbleiterkrise ist kein Zufall: Auch hier trifft ein Versorgungsengpass die Industrie an ihrer verwundbarsten Stelle.

Besonders kritisch ist die Lage bei den schweren seltenen Erden. China kontrolliert rund 70 Prozent der globalen Förderkapazitäten und nahezu 90 Prozent der Raffinierungsprozesse. Diese Marktdominanz wird nun zum Machtinstrument in geopolitischen Auseinandersetzungen. Ursprünglich im Handelskonflikt mit den USA eingeführt, treffen die Exportbeschränkungen nun die gesamte westliche Industrie.

Bürokratischer Flaschenhals statt offenes Embargo

Die chinesische Strategie ist subtil: Formell handelt es sich nicht um ein Exportverbot, sondern um ein Genehmigungsverfahren. Doch die Realität sieht anders aus. „Die chinesischen Behörden sind von der schieren Masse der Lizenzanträge offenbar überfordert und können nur einen Bruchteil abarbeiten“, erklärt Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI. „Eine Besserung der Situation ist nicht zu erkennen.“

Der europäische Zuliefererverband CLEPA schlägt Alarm: Für die kommenden Wochen sei mit einer weiteren Zuspitzung zu rechnen, da sich die Lagerbestände leerten. Betroffen seien Komponenten für Elektro- und Verbrennerfahrzeuge gleichermaßen – ein Hinweis darauf, wie tief die Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen in die Lieferketten eingedrungen ist.

Deutsche Autobauer in Alarmbereitschaft

Die großen deutschen Hersteller geben sich nach außen noch gelassen. BMW erklärt, Teile des Lieferantennetzwerks seien zwar betroffen, die Produktion laufe aber planmäßig. Ähnlich äußert sich Volkswagen: Die Versorgung sei stabil, man arbeite eng mit den Zulieferern zusammen, um die nötigen Lizenzen zu erhalten. Mercedes verweist auf eine „zunehmende Erteilung von Exportlizenzen“ als positives Zeichen.

Doch hinter den Kulissen wächst die Nervosität. Zulieferer wie ZF bestätigen bereits „erste Auswirkungen in den Lieferketten“. Je nach Dauer der Lizenzverfahren seien auch „kurzfristige Lieferunterbrechungen nicht auszuschließen“. Die Situation erinnert an die Anfangsphase der Chipkrise – auch damals wurden die Auswirkungen zunächst heruntergespielt, bevor sie die gesamte Branche erfassten.

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