Business & Beyond Trigema-Legende Wolfgang Grupp bricht das Tabu: Wenn Erfolg nicht vor Depression schützt

Trigema-Legende Wolfgang Grupp bricht das Tabu: Wenn Erfolg nicht vor Depression schützt

Wolfgang Grupp, Trigema-Patriarch und Symbolfigur des deutschen Mittelstands, macht seinen Suizidversuch öffentlich – und setzt damit ein wichtiges Zeichen gegen das Tabu psychischer Erkrankungen in der Wirtschaftswelt.

Ein offener Brief erschüttert die deutsche Wirtschaftswelt. Wolfgang Grupp, 83-jähriger Trigema-Patriarch und Inbegriff des verantwortungsvollen Unternehmers, hat sich mit einem bewegenden Schreiben an seine Mitarbeiter gewandt. Darin offenbart er, wie „Bild“ berichtet, einen Suizidversuch und seine Erkrankung an Altersdepressionen. Ein Tabubruch mit Signalwirkung.

Der Mensch hinter der Unternehmer-Ikone

Nach mehr als fünf Jahrzehnten an der Spitze des Textilunternehmens Trigema und eineinhalb Jahre nach der Übergabe an seine Kinder zeigt sich der sonst so unerschütterliche Unternehmer von einer völlig anderen Seite.

In seinem Brief, den „Bild“ mit seiner ausdrücklichen Zustimmung veröffentlichte, schreibt Grupp über die innere Leere, die ihn am 7. Juli 2025 zu einem Suizidversuch trieb. Nach zehn Tagen im Krankenhaus bricht er nun das Schweigen – nicht aus Selbstmitleid, sondern um andere zu sensibilisieren.

Wirtschaftsethik trifft Menschlichkeit

Grupps Offenheit ist bemerkenswert in einer Wirtschaftswelt, die Schwäche selten toleriert. Der Mann, der nie einen Mitarbeiter betriebsbedingt kündigte und für „Made in Germany“ kämpfte, als andere längst ins Ausland produzierten, zeigt sich verletzlich.

„Ich habe versucht, mein ganzes Leben in den Dienst von Trigema und den Kampf für die Interessen der Wirtschaft und des Mittelstands in Deutschland zu stellen“, schreibt er laut „Bild“. Sein Bekenntnis zu Altersdepressionen und die Frage, ob er überhaupt noch gebraucht wird, offenbaren die Schattenseiten des Ruhestands.

Familie als Anker

Während seiner Krise steht Grupps Familie fest an seiner Seite. Seine Frau Elisabeth (59) und die Kinder Bonita (35) und Wolfgang jr. (34) geben ihm Halt.

In seinem Brief drückt er seinen Stolz auf sie aus und bittet Mitarbeiter, Kunden und das gesamte Umfeld, seinen Kindern Vertrauen zu schenken, wie „Bild“ berichtet. Die Nachfolgegeneration führt das 1919 gegründete Unternehmen mit über 1100 Mitarbeitern seit 2024 weiter.

Business Punk Check

Grupps Offenbarung ist ein Weckruf für die Wirtschaftswelt. Während Start-up-Gründer zunehmend über Burnout und mentale Gesundheit sprechen, bleibt das Thema in traditionellen Führungsetagen oft tabu. Die Vorstellung vom unverwundbaren Patriarchen hat ausgedient. Erfolg, Wohlstand und Anerkennung bieten keinen Schutz vor psychischen Erkrankungen.

Besonders der Übergang in den Ruhestand stellt für viele Unternehmer eine unterschätzte Krise dar. Identitätsverlust nach jahrzehntelanger Führungsrolle kann tiefe Leere hinterlassen. Grupps Mut könnte mehr bewirken als jede Awareness-Kampagne: Er zeigt, dass Verletzlichkeit keine Schwäche ist, sondern menschliche Stärke – auch und gerade in der Wirtschaft.

Depressiv? Hier bekommen Sie umgehend Hilfe.

Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmordgedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge.

Unter der kostenlosen Hotline 0800-111 01 11 oder 0800-111 02 22 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen.

Häufig gestellte Fragen

  • Wie häufig sind Depressionen bei Unternehmern nach der Geschäftsübergabe?
    Studien zeigen, dass bis zu 30% der Unternehmer nach der Übergabe mit depressiven Phasen kämpfen. Der Identitätsverlust und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, stellen massive psychische Belastungen dar. Eine strukturierte Vorbereitung auf den Ruhestand mit neuen Sinnprojekten kann das Risiko deutlich senken.
  • Welche Warnsignale sollten Führungskräfte und ihr Umfeld ernst nehmen?
    Sozialer Rückzug, Interessenverlust, Schlafstörungen und verstärkte Grübelei sind Alarmzeichen. Besonders kritisch: Wenn langjährige Leidenschaften plötzlich bedeutungslos erscheinen. Unternehmer sollten bereits Jahre vor dem Ausstieg alternative Lebensentwürfe entwickeln und Vertrauenspersonen haben, die kritische Veränderungen ansprechen dürfen.
  • Wie können Unternehmen eine Kultur schaffen, in der psychische Gesundheit kein Tabu ist?
    Führungskräfte müssen vorangehen und eigene Verletzlichkeit zeigen. Konkrete Maßnahmen wie anonyme Beratungsangebote, Mental Health Days und regelmäßige Check-ins zu psychischer Gesundheit in Mitarbeitergesprächen etablieren das Thema als Selbstverständlichkeit. Entscheidend ist, dass psychische Gesundheit als Leistungsfaktor anerkannt wird, nicht als Schwäche.
  • Welche Unterstützungssysteme brauchen Unternehmer in der Übergangsphase?
    Neben professioneller psychologischer Begleitung helfen Mentoring-Programme speziell für ausscheidende Unternehmer, Peer-Groups mit anderen in ähnlicher Situation und die schrittweise Entwicklung neuer Lebensinhalte. Die Wirtschaftskammern sollten Nachfolgeberatung um psychologische Komponenten erweitern.

Quellen: „Bild“