Business & Beyond Verbrenner-Comeback trifft E-Schock: Warum Europas Hersteller China nicht mehr einholen

Verbrenner-Comeback trifft E-Schock: Warum Europas Hersteller China nicht mehr einholen

Neue Kearney-Studie prophezeit europäischen Autoherstellern den Absturz in rote Zahlen. Zwischen CO2-Vorgaben und chinesischer Dominanz droht ein schmerzhafter Schrumpfungsprozess. Der Heimatmarkt wird zur letzten Bastion.

Die Zahlen sind brutal: Minus 2,9 Prozent Umsatzrendite bis 2030 statt der aktuellen 5,5 Prozent. Das prognostiziert die US-Unternehmensberatung Kearney für Europas Autobauer, sollte das EU-Verbrenner-Aus wie geplant kommen. Laut „Tagesspiegel“ zeichnet die Studie ein düsteres Bild der Branche, die zwischen strengen CO2-Vorgaben und chinesischer Dominanz im E-Auto-Sektor zerrieben wird. Der einst stolze Industriezweig steht vor einem strukturellen Umbruch, den viele nicht überleben werden.

China-Markt verloren, USA blockiert

Europäische Autokonzerne haben in China, ihrem wichtigsten Absatzmarkt, den Anschluss verloren. „In China sind europäische Hersteller bei batterieelektrischen Fahrzeugen nicht mehr wettbewerbsfähig“, erklärt Wulf Stolle, Partner bei Kearney und Studienautor, laut „Tagesspiegel“.

Gleichzeitig versperren in den USA Trumps Zollpolitik und ein 100-prozentiger Strafzoll für chinesische Autos den Zugang, wie „nzz.ch“ berichtet. Der europäische Heimatmarkt wird damit zur letzten Hoffnung – doch ausgerechnet hier droht durch die CO2-Flottengrenzwerte der EU ein „beispielloser regulatorischer und finanzieller Druck“.

Marktanteile im freien Fall

Die Expansion chinesischer Autobauer in Europa nimmt derweil Fahrt auf. Ihre Marktanteile stiegen laut „nzz.ch“ von 2,9 auf 5,3 Prozent innerhalb eines Jahres. In Großbritannien erreicht BYD bereits 15 Prozent Marktanteil, in Norwegen stammen 13 Prozent aller Neuwagen aus China.

Besonders alarmierend: Jedes fünfte in Europa verkaufte SUV kam im September aus dem Reich der Mitte. Die Chinesen punkten mit Produktqualität, fortschrittlicher Elektronik und aggressiven Preisen.

Software statt Zylinder

Der Kern des Problems liegt tiefer als nur bei Antriebstechnologien. Es handelt sich um einen strukturellen Bruch, betont Kearney-Experte Stolle laut „it-boltwise.de“. Das E-Auto ist ein fundamental anderes Produkt.

Statt des über Jahrzehnte aufgebauten Vorsprungs beim Verbrennungsmotor entscheidet jetzt Batterie- und Software-Expertise über Markterfolg. „Auf diesen Gebieten sind die Chinesen den Europäern voraus“, so die Analyse von Kearney.

Hybride Hoffnungsträger

Die EU-Kommission prüft nun Ausnahmen vom Verbrenner-Aus für Plug-in-Hybride und Range Extender. Doch glaubt Stolle, dass solche Ausnahmen „den graduellen Abstieg der europäischen Autobranche nur verlängern“ würden.

Auch im Hybrid-Segment drängen chinesische Hersteller massiv nach Europa und bieten flexible Antriebskonzepte, während europäische Hersteller lange einseitig auf reine E-Mobilität setzten und jetzt kostspielig zurückrudern müssen.

Übernahmegefahr wächst

Mit steigender Finanzkraft chinesischer Autokonzerne wächst auch die Gefahr von Übernahmen. Der Mercedes-Konzern ist bereits zu fast 20 Prozent in chinesischer Hand, wie „nzz.ch“ dokumentiert.

Gerüchte über einen möglichen Kauf des Stellantis-Konzerns durch Leapmotor machen die Runde. Für europäische Hersteller wird es zunehmend schwerer, ihre Eigenständigkeit zu bewahren.

Business Punk Check

Die Wahrheit ist unbequem: Europas Autobauer haben den Strukturwandel verschlafen. Während sie über Jahrzehnte ihre Verbrenner perfektionierten, haben die Chinesen das E-Auto neu gedacht – als rollenden Computer statt als elektrifiziertes Traditionsprodukt. „Reagieren er und seine europäischen CEO-Kollegen nicht bald, bleibt ihnen am Ende nur der Slogan“, so „nzz.ch“. Die Rettung liegt nicht in verzweifeltem Festhalten an alten Stärken oder halbherzigen Hybridlösungen. Wer überleben will, muss radikal umdenken: Vom Produktfokus zum Prozessfokus, vom Hardware- zum Software-Denken.

Oder gleich den Sprung in neue Geschäftsfelder wagen – Mobilitätsdienstleistungen statt Fahrzeugproduktion. Die Zeit für Lippenbekenntnisse ist vorbei. Wer jetzt nicht handelt, wird zum Übernahmekandidaten oder verschwindet ganz.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche europäischen Autohersteller sind besonders gefährdet?
    Am stärksten betroffen sind Volumenhersteller wie VW, Stellantis und Renault, die im Massenmarkt direkt mit chinesischen Marken konkurrieren. Premium-Anbieter wie BMW und Mercedes haben durch ihre Markenstärke noch einen gewissen Schutzwall, müssen aber ebenfalls ihre Software-Kompetenz massiv ausbauen.
  • Können europäische Hersteller den technologischen Rückstand aufholen?
    Der Rückstand bei Batterietechnologie ist kaum noch aufzuholen. Bei Software besteht eine Chance, wenn massive Investitionen in Entwicklungszentren fließen und die Unternehmen ihre Organisationsstrukturen radikal vereinfachen. Entscheidend ist der Übergang zu agilen Entwicklungsprozessen statt starrer Produktzyklen.
  • Welche neuen Geschäftsfelder bieten Überlebenschancen?
    Mobilitätsdienstleistungen wie Robotaxi-Flotten, Abo-Modelle und integrierte Mobilitätsplattformen bieten Wachstumspotenzial. VW experimentiert bereits mit Moia, doch der Wandel vom Produkthersteller zum Dienstleister erfordert eine fundamentale Neuausrichtung der Unternehmenskultur.
  • Was bedeutet die Entwicklung für den europäischen Mittelstand?
    Für Zulieferer wird es noch härter: Sie müssen entweder zu globalen Technologieführern in Nischenbereichen werden oder sich auf die Integration in chinesisch dominierte Lieferketten einstellen. Besonders Software-Spezialisten und Anbieter von KI-Lösungen für autonomes Fahren haben Überlebenschancen.
  • Welche politischen Maßnahmen könnten die europäische Autoindustrie retten?
    Statt Schutzzöllen wären gezielte Förderungen für Batterieforschung, Software-Entwicklung und KI-Anwendungen sinnvoller. Zudem braucht es flexiblere CO2-Regulierungen, die Innovation belohnen statt starre Antriebstechnologien vorzuschreiben. Entscheidend ist ein koordinierter europäischer Ansatz statt nationaler Alleingänge.

Quellen: „Tagesspiegel“, „nzz.ch“, „it-boltwise.de“