Business & Beyond Nachbericht Business Punk – 1. Vereinbarkeits Summit der deutschen Wirtschaft

Nachbericht Business Punk – 1. Vereinbarkeits Summit der deutschen Wirtschaft

Vereinbarkeits Summit 2025: Der härteste Realitätscheck der deutschen Wirtschaft

Am 23. Juni 2025 wurde bei Google Germany in Hamburg endlich Klartext gesprochen: Über 100 Entscheider:innen aus Unternehmen kamen zum 1. Vereinbarkeits Summit der deutschen Wirtschaft zusammen – nicht für Buzzwords oder wohltemperierte Lippenbekenntnisse, sondern um einer zentralen Frage auf den Grund zu gehen: Ist Vereinbarkeit von Leben und Arbeit nur nettes HR-Geflüster – oder womöglich der schärfste Wettbewerbsvorteil, den Unternehmen heute haben?

Veranstaltet wurde der Summit von einer Allianz, die den Status Quo nicht akzeptiert: Die Charta der Vielfalt e. V., Mom Hunting, smart worq, conmadres, conpadres und der Vereinbarkeitsindex – vereint unter dem Dach des Bundesverbandes Vereinbarkeit e. V. (www.vereinbarkeitssummit.com).

CEOs, wacht auf – das ist kein Feelgood-Thema mehr

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank legte zur Begrüßung den Finger in die Wunde: Vereinbarkeit ist keine Wellness-Oase für Eltern, sondern ein knallharter Standortfaktor – wirtschaftlich wie politisch. Wer das nicht begreift, verliert.

Der Summit zeigte: Jobsharing, lebensphasenorientierte Modelle, kultureller Wandel – das sind keine Sozialromantik-Fantasien, sondern der Treibstoff für Innovation, Bindung und echte Diversity. Cawa Younosi, GF der Charta der Vielfalt brachte es in seinem Impulsvortrag auf den Punkt: „Vereinbarkeitshacks sind günstig, aber nicht umsonst.“

Und genau darum geht es. Für Virginia Thrun (Mom Hunting) ist Vereinbarkeit keine nette Zusatzleistung – sondern der Kompass für Unternehmen im Wandel. Carina Bartmann (conmadres) fordert Schluss mit individuellen Heldengeschichten – wir brauchen Struktur statt Selbstaufopferung. Und Sarah Drücker (smart worq): „Der Summit war kein Schaulaufen. Hier wurde Realität schonungslos unter die Lupe genommen – und Zukunft gestaltet.“

KI ersetzt keine Care-Arbeit – sie kann sie aber ermöglichen

Isabelle Gardt (OMR) sorgte für einen Reality-Check, der im Raum nachhallte: „Vereinbarkeit ist eine Lüge, wenn wir glauben, überall 100 Prozent geben zu können.“ Klare Botschaft: Wer Lebensphasen ignoriert, wird abgehängt.

Im Zukunftspanel mit ihr, Nina Michahelles (Google) und Dr. Hans Rusinek (Universität St. Gallen) wurde klar: Vereinbarkeit 2030 braucht radikalen Kultur- und Strukturumbau. KI kann helfen – wenn man sie nicht nur als Tool, sondern als Teil organisationaler Intelligenz begreift.

Dominic von Proeck Sr. (Leaders of AI) legte nach: AI Agents können Vereinbarkeit pushen – aber nur, wenn wir sie systemisch denken, nicht nur technologisch.

Wissen. Wollen. Machen. – Best Practices aus der Realität

Ob bei Dräger, Heinemann, Weischer oder NanoGiants – alle zeigen: Vereinbarkeit klappt, wenn man sie nicht nur will, sondern auch durchzieht.

Beiersdorfs Väternetzwerk „dadicated“ beweist: Männer wollen Care – wenn man sie lässt. Bettina Prange (Publicis Groupe DACH) zeigte, wie man mit einer Unternehmenskultur, die auch Menopause, Krankheit oder mentale Gesundheit thematisiert, Tabus killt. Ihre klare Ansage: „Vereinbarkeit braucht Haltung – nicht Hochglanzbroschüren.“

Sven Körver (Malteser Hilfsdienst e.V.) plädiert für echte Führung: individuell, flexibel, menschlich. Und Aisha Washington (L’Oréal) zieht die Care-Debatte raus aus der Privatsphäre – rein in die Führungsetagen.

Nicole Beste-Fopma, Moderatorin des Panels „Erfolgsmodelle aus der Praxis“, brachte es auf den Punkt: „Vereinbarkeit ist mehr als Kita-Plätze. Sie braucht mutige Führung, engagierte Väter und Strukturen, die echte Lebensrealitäten einbauen.“

Fazit: Kein Kuschelkurs – sondern eine klare Ansage

Dieser Summit war kein „Nett hier“-Event – sondern ein Signal: Unternehmen, die Vereinbarkeit noch immer als Add-on sehen, haben den Anschluss verpasst. Lebensphasenorientiert. Technologiegetrieben. Kulturell transformiert. Das ist das neue Normal.

Emotionale Intelligenz, Führung mit Haltung, ehrlicher Umgang mit Lebensrealitäten – das ist keine Sozialutopie. Das ist modernes Leadership.

Die Charta der Vielfalt erinnerte daran: Deutschland hinkt international hinterher. Aber mit Reifegradmodellen und Audits kann man aufholen – wenn man endlich aufhört, nur zu reden.

Was bleibt? Eine neue Gleichung:

  • Lebensphasen = Mitarbeiterbindung
  • Role Models = Kulturmotor
  • Technologie = Ermöglicher
  • Netzwerke = Lösungsbooster
  • Kompetenzzentren = nachhaltiger Impact
  • Ohne Kulturwandel? Keine Chance.

Oder wie Volker Baisch (conpadres) sagte:
„Ich mache diese Arbeit seit Jahrzehnten. Aber dieser Tag hat mir wieder gezeigt, warum. Weil sich etwas verändert, wenn wir Dinge beim Namen nennen – und Verantwortung nicht nur einfordern, sondern leben. Im Job. Und zuhause.“

Dieser Summit war kein Kamingespräch. Es war ein Kurswechsel. Für Unternehmen, die Zukunft wirklich wollen – und nicht nur erzählen.