Business & Beyond Wenn Europas Sanktionspolitik zur Belastungsprobe für den Rechtsstaat wird

Wenn Europas Sanktionspolitik zur Belastungsprobe für den Rechtsstaat wird

Bericht von der Pressekonferenz in Berlin – mit Peter Gauweiler und der Kanzlei Lansky, Ganzger, Goeth & Partner

Berlin, später Vormittag. Dunkles Holz, gedämpfte Stimmen, ein Raum voller juristischer Schärfe und politischer Erfahrung. Die Wiener Kanzlei Lansky, Ganzger, Goeth & Partner hat geladen – und von Beginn an wird klar, dass es heute nicht um technische Details europäischer Verordnungen geht, sondern um etwas Fundamentaleres.

Dr. Gabriel Lansky eröffnet die Pressekonferenz mit einem Satz, der über dem gesamten Nachmittag hängen bleibt:

„Das Thema stellt sich tatsächlich als eine Grundfrage des europäischen Rechtsstaates und damit auch als eine Frage der Verlässlichkeit Europas in der Welt – in seinem berechtigten Anspruch, ein Ort des Rechts und der Wertevermittlung zu sein.“

Damit setzt Lansky den Ton: Es geht nicht um Nachsicht gegenüber Russland. Es geht um Europa selbst.

Vage Kriterien – harte Folgen

Die Diskussion zeigt rasch, worum es wirklich geht: um ein Sanktionssystem, das politisch legitim ist, aber juristisch zunehmend ins Schwimmen gerät. In der Verordnung 269/2014 wurden Kriterien geschaffen, die so offen formuliert sind, dass sie kaum gerichtsfest sein können – aber tief in Grundrechte eingreifen.

„Führende Wirtschaftspersonen“, „profitierende Familienmitglieder“ – ohne Definition, ohne individuelle Tat, dafür mit maximaler Wirkung.

Gerichte kippen Sanktionen – aber die Betroffenen bleiben gelistet

Mehrere Fälle belegen, wie dünn die Grundlage vieler Listungen ist. Besonders sichtbar wird das an den Namen Dmitry und Alexander Pumpyansky. Beide gewannen wiederholt vor dem Gericht der EU.
Doch weil der Rat alle sechs Monate neue – nur leicht veränderte – Beschlüsse erlässt, bleibt der Effekt minimal.

Ein juristisches Hamsterrad:
Sechs aufgehobene Akte in Serie – und die Sanktion besteht fort.

Familien geraten ins Fadenkreuz

Der Fall Alexander Pumpyansky zeigt die Härte dieser Praxis: ein Leben in Genf, zwei schulpflichtige Kinder, keinerlei nachgewiesene eigene Unterstützungsakte – und doch musste die Familie das Land verlassen. Die Grundlage: das erweiterte Kriterium (g) – ein abstraktes „benefitting as an immediate family member“.

Für Lansky ist das ein gefährlicher Trend:
Die EU riskiert, in eine Logik der Sippenhaft zu rutschen.

Gauweiler: „Rechtsstaat gilt auch im Ausnahmezustand“

Peter Gauweiler, als Gast-Anwalt geladen, wählt klare Worte:

„Wer den Rechtsstaat verteidigen will, darf ihn nicht im Ausnahmezustand suspendieren.“

Die Sanktionen seien legitim – aber nur, wenn sie mit rechtsstaatlicher Präzision geführt würden.

Was Berlin deutlich gemacht hat

Aus der Diskussion schälen sich die zentralen Leitplanken heraus:

  1. Klare Kriterien statt politischer Sammelparagrafen.
  2. Gerichtsentscheidungen müssen Wirkung entfalten.
  3. Beweise statt Presseausschnitten.
  4. Keine Beweislastumkehr bei quasi-strafrechtlichen Eingriffen.
  5. Keine Kollektivhaftung für Familien.
  6. Keine nationalen Parallel-Sanktionsregime, die die EU-Architektur unterlaufen.

Diese Pressekonferenz zeigte eines schmerzhaft klar: Die EU riskiert im Eifer des politischen Signals ihre moralische Autorität. Wer Sanktionen im Namen des Rechts verhängt, muss dieses Recht auch selbst einhalten.

Oder, wie Lansky es eingangs formulierte:
„Europa muss der Ort sein, als den es sich der Welt präsentiert.“