Business & Beyond Zeitumstellung nervt weiter – und die EU schaut auf die Uhr statt auf Lösungen

Zeitumstellung nervt weiter – und die EU schaut auf die Uhr statt auf Lösungen

Die EU-Zeitumstellung sollte längst Geschichte sein. Doch trotz massiver Bürgerkritik und einem klaren Parlamentsbeschluss bleibt das zweimalige Drehen an der Uhr – ein Lehrstück über europäische Entscheidungsblockaden.

Zweimal jährlich drehen Millionen Europäer an ihren Uhren – ein Ritual, das kaum jemand noch verteidigt. Seit der Einführung in den 1970er Jahren während der Ölkrise hat die Zeitumstellung ihr ursprüngliches Ziel der Energieeinsparung verfehlt.

Stattdessen dokumentieren Studien gesundheitliche Belastungen wie Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme. Dennoch bleibt die Praxis bestehen – ein Paradebeispiel für die Trägheit europäischer Politik.

Die Mammut-Befragung ohne Folgen

Im Sommer 2018 startete die EU-Kommission eine der größten Bürgerbefragungen ihrer Geschichte. Rund 4,6 Millionen Menschen beteiligten sich an der Online-Konsultation, wie „t3n“ berichtet.

Das Ergebnis war eindeutig: Mehr als 80 Prozent der Teilnehmer votierten für ein Ende der halbjährlichen Zeitumstellung. Doch die Abstimmung hatte einen entscheidenden Makel – etwa zwei Drittel aller Stimmen kamen aus Deutschland, während andere EU-Staaten kaum partizipierten.

Der politische Stillstand

Der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker griff das Thema dennoch auf. Die Kommission präsentierte einen Gesetzesvorschlag, nach dem ab 2021 Schluss sein sollte mit dem Uhrendrehen.

Das EU-Parlament stimmte 2019 mit deutlicher Mehrheit für die Abschaffung. Doch dann begann das typische EU-Drama: Im Rat der Europäischen Union, wo die Mitgliedstaaten vertreten sind, kam der Prozess zum Erliegen.

Das Zeitzonen-Dilemma

Die Crux: Ohne klare Koordination drohte ein europäischer Flickenteppich unterschiedlicher Zeitzonen.

Laut „t3n“ wäre es problematisch, wenn etwa „Polen die Sommerzeit dauerhaft behält, Deutschland aber die Normalzeit.“ Für grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten, Flug- und Bahnverkehr entstünden erhebliche organisatorische Hürden. Die Kommission gab nur die vage Empfehlung, die Staaten sollten sich „untereinander abstimmen“ – ein Rezept für Stillstand.

Business Punk Check

Die gescheiterte Zeitumstellungs-Reform offenbart ein Grundproblem der EU-Wirtschaftspolitik: Selbst bei Themen mit klarer Bürgermehrheit und wirtschaftlichem Nutzen dominiert nationaler Kleinstaaterei. Für Unternehmen bedeutet dies: Planungssicherheit bleibt Mangelware. Während die Politik über Symbolthemen streitet, entstehen reale Kosten durch ineffiziente Regelungen.

Besonders der Mittelstand leidet unter dieser Reformunfähigkeit – jede Zeitumstellung kostet die europäische Wirtschaft Millionen durch Produktivitätseinbußen und Anpassungsaufwand. Wer auf EU-Entscheidungen wartet, sollte seinen Businessplan besser mit reichlich Pufferzeit ausstatten. Die Lektion für Unternehmer: Agil bleiben, während die Politik im Zeitlupentempo agiert.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche wirtschaftlichen Kosten verursacht die Zeitumstellung tatsächlich?
    Die halbjährliche Zeitumstellung kostet die europäische Wirtschaft jährlich Millionen durch Produktivitätseinbußen, IT-Anpassungen und gesundheitsbedingte Ausfälle. Besonders betroffen: Logistikunternehmen, internationale Dienstleister und der produzierende Mittelstand mit Schichtbetrieb.
  • Wie können Unternehmen mit der anhaltenden Zeitumstellung umgehen?
    Smarte Unternehmen implementieren flexible Arbeitszeitmodelle rund um die Zeitumstellung, reduzieren kritische Prozesse in den Anpassungstagen und nutzen automatisierte IT-Systeme. Proaktive Kommunikation mit internationalen Partnern verhindert Terminprobleme.
  • Welche Branchen würden am stärksten von einer Abschaffung profitieren?
    Transport und Logistik, grenzüberschreitende Dienstleistungen sowie Unternehmen mit internationalen Lieferketten würden unmittelbar entlastet. Auch der Gesundheitssektor könnte von weniger umstellungsbedingten Gesundheitsproblemen profitieren.
  • Was sagt der Reformstau bei der Zeitumstellung über andere EU-Wirtschaftsreformen aus?
    Die blockierte Zeitumstellungsreform ist symptomatisch für viele EU-Wirtschaftsreformen: Trotz klarer wirtschaftlicher Vorteile und Bürgerzustimmung verhindern nationale Einzelinteressen und komplexe Entscheidungswege schnelle Veränderungen. Unternehmen sollten bei strategischen Entscheidungen diesen Reformstau einkalkulieren.

Quellen: „t3n“