Deluxe & Destinations Das hier ist nicht White Lotus. Es ist besser

Das hier ist nicht White Lotus. Es ist besser

Der Umweg zum Paradies

Dass es das Acre überhaupt gibt, verdankt es einem Hurrikan und zwei Kanadiern mit chronischem Fernweh. Stuart McPherson und Cameron Watt, zwei Geschäftspartner aus Vancouver, wollten eigentlich nur Silvester in Cabo feiern. Als sie abfuhren, besaßen sie 25 Hektar Land. Und den verrückten Traum, ein Hotel zu bauen. Ein klassisches Strandresort sollte es werden, wie Dutzende andere in der Region. Doch dann kam 2014 Hurrikan Odile.

„Der Hurrikan hat uns komplett ausgebremst. Wir standen vor einem Scherbenhaufen – buchstäblich und finanziell“, erinnert sich Kristy, die die turbulente Entstehungsgeschichte des Resorts hautnah miterlebt hat. „Statt ein Hotel zu bauen, beschlossen die beiden, mit einem Restaurant und einer Bar anzufangen. Geld reinholen und dann weitersehen. Manchmal sind die besten Ideen aus der Not geboren.

Was als Plan B begann, entwickelte sich zu einem echten USP: Das Acre eröffnete am 23. Dezember 2015 als Restaurant – und erst zwei Jahre später kamen die ersten Baumhäuser hinzu. Seitdem ist das Resort organisch gewachsen, hat Villen und Haciendas mit mehreren Schlafzimmern hinzugefügt, einen Coffeeshop eröffnet und sogar eine eigene Mezcal-Linie entwickelt. Ein Paradebeispiel dafür, wie man aus Rückschlägen Erfolg schnitzt.

„Hätten wir damals gleich das ursprünglich geplante Strandhotel gebaut, wären wir heute nur eines von vielen. Der Umweg hat uns gezwungen, kreativer zu denken“, sagt Kristy mit einem feinen Lächeln, das verrät, dass sie selbst immer noch ein wenig über diese ungewöhnliche Erfolgsstory staunt.

Das Aquarium der Welt – an Land

Jacques Cousteau bezeichnete den Golf von Kalifornien einst als das „Aquarium der Welt“. Das Acre hat diesen Gedanken ins Landesinnere übertragen. Wer durch das Areal spaziert, trifft nicht nur auf üppige Vegetation, sondern auch auf ein buntes Ensemble tierischer Bewohner: Pfauen stolzieren wie lebende Kunstwerke über die Wege, Hühner picken zwischen Mango- und Orangenbäumen, Ziegen grasen zwischen Agaven und ein Esel namens Burrito lässt sich von den Gästen kraulen. Das eigenwillige Sammelsurium – von McPherson liebevoll „Dr. Seuss Farm“ genannt – ist kein Zufall. Es ist Teil eines durchdachten Konzepts, bei dem Tierschutz und Gastfreundschaft Hand in Hand gehen. Besonders bemerkenswert: das Acre Dogs-Programm, eine Rettungsinitiative für Straßenhunde, die seit 2019 mehr als 1.000 Vierbeinern ein neues Zuhause gegeben hat.

„Die Tiere sind nicht nur eine nette Ergänzung, sie stehen im Mittelpunkt unserer Philosophie“, erklärt Kristy. „Wir wollen zeigen, dass Luxus nicht bedeutet, sich von der Natur abzuschotten, sondern ein Teil von ihr zu sein – mit allem, was dazugehört.“ Das vielleicht faszinierendste Mitglied dieser ungewöhnlichen Menagerie war Fausto, ein Pfau, dessen tägliche Routine zum inoffiziellen Wahrzeichen des Resorts geworden ist. „Jeden Abend um Punkt 18.30 Uhr stolzierte er fast theatralisch zur Rezeption zurück“, erinnert sich Kristy. „Mit elegantem Gang steuerte er seinen Lieblingsplatz an, einen Baum direkt am Eingang, als wolle er jeden Gast persönlich begrüßen.“ Inzwischen ist sogar der hauseigene Coffee Shop nach ihm benannt – eine kleine Hommage an eine große Persönlichkeit.

Farm-to-Table 2.0: Wo der Michelin-Stern im Gemüsebeet funkelt


Während sich viele Luxusresorts in Los Cabos mit Fusionsküche und internationalen Starköchen brüsten, geht das Acre einen anderen Weg. Hier ist die Farm nicht nur schmückendes Beiwerk für Instagram-Fotos, sondern die pulsierende Lebensader des kulinarischen Konzepts. Auf dem 25 Hektar großen Areal wird alles angebaut, was die Küche des Restaurants, der Bar und des lässigen Frühstückscafés Fausto’s braucht – von Guaven und Feigen über Tomaten und Chili bis hin zu Kräutern.

Diese konsequente Farm-to-Table-Philosophie wurde 2024 mit einem grünen Michelin-Stern belohnt – eine Anerkennung, die nicht nur für exzellente Kochkunst steht, sondern explizit für nachhaltiges Wirtschaften auf höchstem Niveau. Der Charme des Acre Restaurant liegt nicht in der Molekularküche oder dekonstruierten Klassikern, sondern in der schnörkellosen Präsentation von Frische und Geschmack. Die Speisekarte wechselt mit den Jahreszeiten, aber der Fokus bleibt derselbe: klare Aromen, lokale Zutaten und Gerichte, die so gut aussehen, wie sie schmecken. Der gleiche Ansatz findet sich auch im Barprogramm wieder. Die Philosophie „vom Garten ins Glas“ sorgt dafür, dass in den Cocktails Kräuter und Früchte landen, die oft nur wenige Meter entfernt wachsen – von Zitronengras über Buddhas Hand bis hin zu Zebra-Lemon-Blättern.

Michelin-Sterne wachsen nicht auf Bäumen, aber hier im Acre kommen sie direkt aus dem Beet. Der grün ausgezeichnete Farm-to-Table-Ansatz verkürzt den Weg vom Samen zum Teller auf wenige Meter – das schmeckt man in jedem Bissen.

Der stille Luxus des Unvollkommenen

In einer Welt, die oft Hochglanz mit Luxus verwechselt, geht Acre einen anderen Weg: kultivierte Imperfektion. Die Wege schlängeln sich organisch durch die Vegetation. Die Tische im Restaurant folgen keinem starren Raster, sondern verteilen sich wie zufällig unter dem Blätterdach. Auch die Baumhäuser, Villen und Haciendas präsentieren sich bei aller Eleganz bewusst schlicht – keine protzigen Armaturen, kein überbordender Pomp.

„Wahrer Luxus ist heute nicht mehr die perfekte Designerlobby oder der akkurat gestutzte Rasen“, philosophiert Kristy. „Es ist das Gefühl, aus dem Hamsterrad der übertriebenen Perfektion auszusteigen und wieder mit allen Sinnen zu leben.“

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