Deluxe & Destinations Vor dem Wein ist nach dem Wahnsinn

Vor dem Wein ist nach dem Wahnsinn

Was ist schwerer zu ertragen: die 35 Grad in der Wüste Gobi – oder ein elfstündiger Verhandlungsmarathon mit gesichtsloser Körpersprache und ohne klares „Nein“?

Nein, nein – es ist nie gesichtslose Körpersprache, das ist ein Mythos. Meine Partner sind immer aus Fleisch und Blut und mit Herz bei der Sache. Sie kämpfen halt auch für ihr Geschäft – und ich für meines. Wenn es dann unser Business wird, haben wir beide gewonnen. Davon abgesehen: Die Hitze im Sommer, auf 1.100 Metern Seehöhe am Weingut in Ningxia, nahe der Wüste Gobi, mit kontinentalem Klima, ist übrigens sehr angenehm. Bei 20 Prrozent Luftfeuchtigkeit spürst du das kaum. Und die Nächte – unter 20 Grad – sind ein Hit .

Sie haben in Napa gearbeitet, für Mondavi, und in der Wüste Cabernet kultiviert – wo steht Ihrer Meinung nach heute die Seele des Weins: in Europa, Amerika oder Asien?

Die Seele des Weins ist überall dort, wo Top-Winemaker ehrlich arbeiten – egal ob im Mutterland Frankreich, wo wir nach wie vor viel von den großen Weingütern lernen können. Die Seele ist vor allem dann gegeben, wenn wir als Verantwortliche dem Wein die Unverwechselbarkeit seines Ursprungs mitgeben. Sprich: Du riechst ins Glas und weißt, wo der Wein herkommt – das ist die Seele des Weins

Wenn man Wein als kulturelles Kapital betrachtet – wie viel „Soft Power“ kann ein Château wie Ihres tatsächlich in internationalen Beziehungen ausspielen?

Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstehe. Aber Wein als Kulturgut – das gefällt mir, solange wir das Mystische weglassen und das Magische drinnenlassen.

Ich sehe meine Rolle am Château so: Gemeinsam mit der Unternehmensspitze und einem großartigen regionalen Wein-Team bringe ich Ideen ein, kenne den internationalen Markt und entwickle Produkte, die wirklich innovativ sind. Zum Beispiel unseren weißen Cabernet – ein Blanc de Noir aus Cabernet Sauvignon, weltweit der erste und bis heute einzige. Oder Programme, die die Einzigartigkeit des Château unterstreichen: In Ningxia wachsen – wegen der geringen Luftfeuchtigkeit – die kleinsten Cabernet-Beeren der Welt. Diese Beeren sind die Basis für unser erweitertes Mantra: „Eleganz und Frucht im Wein“ wird zu „Let the berries speak.“ Denn mit dieser Skin-to-Juice-Ratio ergibt sich die Typizität von selbst. Winmacher, was willst du mehr?

In China trinkt man aktuell weniger als einen Liter Wein pro Kopf. Wie bringt man ein Milliardenvolk zum Trinken – ohne sich zu betrinken?

Wie Bob Mondavi immer sagte: „Education, education, education.“ Er hat ja auch die USA für Fine Wine kolonisiert. In China müssen wir genau das tun – nur noch besser. Eines ist jedenfalls sicher: Das Land und seine Menschen lernen einfach schneller als wir Europäer.

Was ist verrückter: Weißwein aus Cabernet – oder ein Château mit Wassergraben mitten in der Wüste?

Beides zeigt, was China kann, was es will – und wohin es will. Ich finde das großartig.

Sie sagen: „Yes we can“ war Ihre wichtigste Lektion aus Kalifornien. Was wäre der chinesische Gegenbegriff – und was der österreichische?

China sagt: „Yes we do.“ Und in Österreich hören wir uns erst mal an, warum etwas nicht geht … (Das ändert sich aber gerade sehr – weil wir müssen.)

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