Drive & Dreams Führerscheinprüfung: Teures Warten auf den TÜV

Führerscheinprüfung: Teures Warten auf den TÜV

Wie kaum anders zu erwarten, steigen mit Radius und Aufkommen der Tätigkeitsfelder auch die Risiken – meist nicht beim Kunden, sondern im Konzern selbst. 2018/19 machten diverse Skandale von sich reden. „Wenn die Prüfer selbst durchfallen” titelte das Magazin “Der Spiegel” damals und listete akribisch das Versagen bei Großprojekten auf: Im Januar 2019 brach in Brasilien der Damm einer Mine des Bergbaukonzerns Vale. Hunderte Menschen kamen ums Leben. „Brasilianische Ermittler haben daraufhin den Vale-Konzern ins Visier genommen – und die Prüfer des Münchner TÜV Süd, die im Auftrag und auf Rechnung von Vale den Damm überprüfen sollten”, so der „Spiegel”. „Brasiliens Polizei nahm… deshalb sogar zwei TÜV-Mitarbeiter in Haft. TÜV Süd hatte den Damm 2018 zweimal in Augenschein genommen, im Juni und im September.” Die Prüfungsaktiengesellschaft geriet in schlechtes Licht, hatte sie doch das Rückhaltebecken der Minengesellschaft rückhaltlos zertifiziert. Die Ermittlungen in Brasilien förderten Unglaubliches zutage: „Die Vernehmungen und ein interner Emailverkehr legen nahe, dass die Katastrophe vermeidbar war und das Prüfunternehmen seiner Verantwortung nicht gerecht wurde.” Denn die Sicherheitszertifikate seien ausgestellt worden, obwohl den TÜV-Mitarbeitern der schlechte Zustand der Anlage und die Gefahr Monate vor der Zertifizierung bekannt gewesen seien, berichtet das Fachportal „Forum-Recht-Online”. Und schlussfolgert: „Der Fall illustriert, wie problematisch die Auslagerung des Risikomanagements und der Verantwortung für riskante Unternehmensaktivitäten an externe Zertifizierungsunternehmen ist, die selbst nicht in der Lage sind, erforderliche Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen.” Volkstümlich ausgedrückt: Sie wissen, wie’s geht, aber können’s nicht. Folgerichtig gab der Konzern Vale denn auch den Unschuldigen: Man habe eben dem TÜV vertraut und kenne die Ursachen der Katastrophe nicht. Dabei belegten Aussagen und E-Mail-Verkehr, dass es offenbar Versuche gegeben hatte, die TÜV-Prüfer zu korrumpieren. Wer kontrolliert die Kontrolleure, ist seitdem eine häufiger gestellte Frage. Im Juli 2019 belastete dann ein Bericht der britischen BBC den TÜV SÜD schwer. Interne Dokumente zeigten, dass die Prüfer in Brasilien sehr wohl wussten, dass der Damm nicht zertifizierungsfähig war: „Die BBC hat E -Mails gesehen, in denen die TÜV Süd-eigene Analyse des Damms zunächst die offiziellen Anforderungen nicht erfüllt hat”, und: „Das Unternehmen lehnte ein Interview ab”.

Der TÜV wies eine Verantwortung zurück, sprach aber den Angehörigen der 272 Todesopfer sein Mitgefühl aus. Dammprüfungen in Brasilien wolle man künftig nicht mehr vornehmen. Man darf es auch gar nicht: „Im Mai 2019 entzog ein Gericht in Minas Gerais dem TÜV Süd nach einem ersten Urteil die Lizenz zur Zertifizierung brasilianischer Staudämme und verfügte die Sicherung von etwa 13 Mio. Euro Firmenvermögen als mögliche Schadenersatzsumme”, berichtet die Spezialnachrichtenagentur “mining.com”. 

Zu der Katastrophe in Brasilien sagt der TÜV Süd aktuell: „Der Dammbruch in Brumadinho vor sechs Jahren war ein schreckliches Unglück. Unser Mitgefühl ist bei den Opfern und ihren Familien. Wir sind gleichwohl davon überzeugt, dass TÜV SÜD keine rechtliche Verantwortung für den Dammbruch trägt. Die Haftung des Dammbetreibers in Brumadinho wurde in Brasilien bereits festgestellt.“

Zahlreiche Gerichtsverfahren sind noch anhängig, darunter auch Strafprozesse in Brasilien. Anfang 2023 formulierte die Bundesstaatsanwaltschaft 21-fache Mordanklage gegen Vale, die TÜV-Süd-Tochter und 16 mutmaßliche Täter, der brasilianische Bundesgerichtshof akzeptierte die Anklage. 

Die Skandalgeschichte der Prüfungsunternehmen umfasst im Laufe der Zeit sowohl die fehlerhafte Zertifizierung von Brustimplantaten (“PiP”, 2011) durch den TÜV Rheinland, als auch die offensichtlich nur sehr oberflächliche Begutachtung des S&K-Anlagegruppe durch den TÜV Süd, deren Tätigkeit zahlreiche Anleger um ihr Geld brachte, hunderte Millionen Euro – die Chefs wurden 2013 wegen des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs dingfest gemacht. Der TÜV Süd hatte sich mit selbst angefertigten Dokumenten der Firma begnügt und auf dieser Basis sein blaues Siegel vergeben. Die Sparer hielten das allerdings vielfach für ein generelles Qualitätsmerkmal. 

Ob Wellness-Wunder oder fantastische Wettervorhersage-Maschinen (begutachtet 2011) – die Fehlleistungen machen natürlich mehr Schlagzeilen als das Brot- und Buttergeschäft. Die TÜV-Gesellschaften zogen teils die Konsequenz, sich aus bestimmten Geschäftsfeldern zu verabschieden, etwa Kapitalanlage oder „medizinische Wellness-Produkte”: Das Unternehmen ziehe sich „aus Geschäftsbereichen zurück, die unseren Ruf schädigen könnten“, sagte TÜV-Rheinland-Chef Michael Fübi. Was teils noch aussteht, so Experten, ist ein sicheres Instrument, um missverständliche Auffassung von TÜV-Siegeln beim unbefangenen Normalbürger zu vermeiden. Etwa bei Internetseiten, die sich als betrügerisch erwiesen – der TÜV hatte sein Zertifikat aber lediglich ausgestellt, um die technische Funktion der Website zu bestätigen. Das hilft natürlich nicht weiter, wenn ein Kunde nach verlässlichen Informationen sucht und abgezockt wird.

Das Einfallstor für Interessenkonflikte bleibt allerdings bislang offen. „So sind beispielsweise am TÜV Süd über den Eigentümerverein TÜV Süd e.V. unter anderem Energiekonzerne wie E.on und Vattenfall beteiligt. Gleichzeitig kümmert sich die Sparte TÜV Süd Industrie Service um die Sicherheit von Kraftwerken und Windkraftanlagen. Im Sommer 2018 etwa vermeldete TÜV Süd stolz, den Zuschlag bekommen zu haben für die Zertifizierung eines großen Offshore-Windparks in der Ostsee”, schrieb der „Spiegel”. Auftraggeber damals für die Begutachtung: Vattenfall.

Dass es kaum gesetzliche Vorschriften gibt, national wie international, die Zertifizierer haftbar zu machen, wenn sie schlampig arbeiten oder gar betrügen, gilt unter Rechtsexperten als Systemfehler. Die Einheit von Tätigkeit und Haftung für deren Ergebnisse sei dringend zu regeln.

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